Nach dem Attentat auf den serbischen Ministerpräsidenten werden sich die Verfasser der Nachrufe schnell darin einig, dass der Ermordete zunächst eine gute Nachrede verdient, weil er es uns im Prinzip recht gemacht hat, wofür sie die Stichworte „Demokratie“, „friedlicher Machtwechsel“ und „Reform“ bei der Hand haben. Dann muss sich der Verstorbene doch noch eine schlechte Nachrede gefallen lassen: Wäre er zu Lebzeiten nur ebenso energisch vorgegangen, hätte er sich und uns seinen Tod auch ersparen können.
Möllemann hält die Selbstbezichtigung, zu der sich die BRD in der Vergangenheit in ihrem Verhältnis zum Judenstaat berechnend bekannt hat, als Nationalist nicht mehr aus und bricht mit der pro-jüdischen Heuchelei, die zum nationalen Moralkodex gehört. In der FDP findet ein Streit statt, ob der Tabubruch die Wähler eher abschreckt oder als unzufriedene Nationalisten anspricht.
Die Opposition wird energisch, will die reine Machtfrage in den Mittelpunkt stellen, indem sie einen führenden Amtsinhaber der Regierung moralisch als Politiker disqualifiziert und reif für den Abschuss macht. In der Debatte über Fischers Vergangenheit kommt nicht eigentlich diese, sondern die Frage zur Sprache, ob deren „Bewältigung“ so einen wie den ehemals „gewaltbereiten“ Studenten Fischer jetzt zum Tragen von Verantwortung in der „höchst legitimierten Nation“ berechtigt.
Der Freispruch Andreottis bedeutet das Ende einer italienischen Politik, das bestimmt war durch einen groß angelegten Feldzug der Justiz – „mani pulite“ – gegen Korruption und kriminelle Machenschaften innerhalb der herrschenden Klasse – „tangentopoli“. Die Politiker der zweiten Republik bestehen darauf, dass mit ihrer Machtübernahme das Versprechen nach tadellosem Regieren eingelöst ist und dringen auf Unterordnung der Justiz.
Statt einer angebotsorientierten, neoliberalen Politik Schröders eine nachfrageorientierte a la Lafontaine, ein bisschen mehr Antiamerikanismus und mehr Sprüche über soziale Gerechtigkeit und natürlich einen Lafontaine bräuchte die SPD, um wieder erfolgreicher zu werden.
Alle Eigenschaften, die gemeinhin einem Diktator als Verkörperung des Bösen zugeschrieben werden – grausam, verschwenderisch, korrupt, kriegerisch zu sein – geraten Marokkos König zur Ehre, weil er sie zur Erhaltung seiner Macht eingesetzt hat, die sich dem Westen untergeordnet hat.
Die Entlarvung der „Hintergründe“ der Entlassungen Jelzins gibt Auskunft über den Grad von Verfall der ererbten sowjetischen Weltmacht. Ergebnis der marktwirtschaftlichen Reformen ist die Auslieferung des Reichtums in Form von Devisen an einen Haufen neureicher Milliardäre.
Der Wähler darf darüber abstimmen, wer ihn regiert; die Kandidaten bemühen sich, ihm dafür nichts als schlechte bis abstoßende Gründe zu liefern. Sie sind die perfekten Charaktermasken, die die Demokratie mit Leben erfüllen.
Das außergewöhnliche Lebenswerk des Boris Jelzin: Mit patriotischer Liebe hat er erst die Sowjetunion und dann das von Verkrustungen befreite Russland in Grund und Boden regiert.