Politische Vierteljahreszeitschrift

Die Bundesrepublik Deutschland, das wissen ihre Macher und Meinungsmacher genau, ist einfach klasse: wiedervereinigt, freiheitlich-marktwirtschaftlich, dabei sozial und demokratisch aufgeklärt; den Werten des Westens verpflichtet; dazu bereit, als Säule der weltpolitischen Vernunft in bewegten Zeiten ihre Verantwortung für Europa und die Welt wahrzunehmen … Einfach das beste Deutschland, das es je gegeben hat. Grund zur Unzufriedenheit bieten ihnen allenfalls die Unzufriedenen im Land, die Deutschland ihrerseits so unfassbar klasse finden, dass sie ihre Heimat partout mit niemandem teilen wollen – jedenfalls sofern diese besorgten Bürger deswegen das Politikerpack an den Galgen wünschen und den ganz falschen Parteien nachlaufen.

Solche Schönheitsfehler tun dem allgemeinen Konsens im schwarz-rot-goldenen Meinungsstreit keinen Abbruch. Noch vor jeder Differenz übt der sich nämlich in einer grundsätzlichen Einigkeit, was den Standpunkt der Begutachtung angeht: So richtig Gelegenheit zum Räsonieren über Chancen und Versäumnisse bietet die Räson der Republik eben nur dann, wenn mit ihrer praktisch hergestellten und bei jeder Gelegenheit beschworenen Alternativlosigkeit das entscheidende Urteil über ihre Güte bereits ausgesprochen ist. Wenn man deswegen keine anderen Interessen kennt als diejenigen, die in ihr die Bestimmenden sind; wenn man sich gleich keine anderen Probleme macht als diejenigen, die zu ihr dazugehören und mit Recht und Gewalt staatlich betreut werden; wenn man ohnehin keine anderen Erfolgsgesichtspunkte gelten lässt als diejenigen, die in der globalen Konkurrenz der Geschäftsleute und Staatsgewalten ‚nun mal‘ herrschen; wenn man also, umgekehrt, für die Massen auf dem Globus auch nichts anderes in Betracht zieht, als die nützliche Manövriermasse der Weltwirtschaft und ihrer Ordnungshüter abzugeben – oder aber zu viel und damit tendenziell ein Ordnungsproblem zu sein: Dann und nur dann besteht nach einem Jahrzehnt Krise mitsamt der Konkurrenz um die Abwälzung ihrer unausweichlichen Schäden auch genug Anlass zur Sorge um die ökonomischen Spitzenleistungen des globalisierten Kapitalismus, der – seit ein paar Jahrzehnten ohne jeden äußeren Störeinfluss – einen wahrlich eigentümlichen Reichtum produziert, der eine vornehme Minderheit ebenso reich wie gewisse Nationen potent für ihr globales Kräftemessen macht und die große Mehrheit der Leute dafür unter Lebensverhältnisse setzt, in denen sie den Dienst an der Vermehrung fremdem Eigentums als ihre einzige Lebenschance be- und ergreifen und sich noch darum schlagen, benutzt zu werden.

Dieser sorgenvollen, parteilichen Anteilnahme verweigert sich der GegenStandpunkt; denn dann ergibt sich ein etwas anderer Blick auf die alltäglichen, Faktencheck-bewährten Mitteilungen aus der kapitalistischen Weltordnung, denen keine Fake-News je das Wasser reichen können. Dann

  • gibt es vom Marktgeschehen weder Erfolge noch Schwierigkeiten mit seinen Versorgungsleistungen zu vermelden, sondern den Zweck der ganzen Sache: das Geld und seine Vermehrung, inklusive einiger Härten der Lohnarbeit;
  • zieht die demokratische Regierungsart nicht schon deshalb Komplimente auf sich, weil manche Diktatoren brutaler verfahren;
  • erweist sich die Freiheit, die unsere westliche Lebensart auszeichnet, selbst als fadenscheinige Errungenschaft, weil sie tatsächlich eine Technik der Herrschaft und auf der anderen Seite das billige Selbstbewusstsein der Beherrschten ist;
  • sieht sogar der Frieden, für den die verantwortlichen Weltmächte mit ihren Bomben kämpfen, weniger erstrebenswert aus, mehr nach zwischenstaatlichen Gewalt- und Erpressungsverhältnissen, die die Völker für ihren Staat auszubaden haben;
  • bleibt nebenbei auch vom weiten Feld origineller Weltanschauungen nicht viel übrig, nicht viel mehr nämlich als eine Masse ebenso wohlmeinender wie verfälschender Umdeutungen des Weltgeschehens, deren Dummheit nicht selten die Schmerzgrenze erreicht.

Es liegt also gar nicht an einem besonders extravaganten Standpunkt der Redaktion, dass im GegenStandpunkt ein paar sehr abweichende Auffassungen und Argumente nachzulesen sind. Es geht uns gerade nicht darum, die behandelten ‚Themen der Zeit‘ neu, witzig und einmal ganz anders zu sehen. Unsere Zeitschrift bemüht sich um Erklärungen; und die laufen, wenn sie richtig sind, allemal auf den Beweis hinaus, dass die wirklichen Verhältnisse ein wenig anders sind, als die amtierenden Fachleute für Wirtschaft, Politik, Moral & Weltanschauung sie sich und ihrem Publikum zurechtlegen. Weil es da dauernd etwas Neues zu erklären und zurechtzurücken gibt, erscheint der GegenStandpunkt seit 1992 viermal im Jahr.