Die US-Strategie im Nahen Osten
Das Kriegsprogramm gegen den Irak – Auftakt zur Neuordnung der Region

Die Entwaffnung des Irak und ein Regimewechsel in Bagdad sind das erklärte Ziel des angekündigten Krieges gegen den Staat des S. Hussein. Das Programm, um das es den USA mit diesem Krieg geht, lautet: eine komplette proamerikanische Neuordnung der Staatenwelt im Nahen Osten. Mit ihrer Negation aller Interessen der arabischen Souveräne macht die amerikanische Offensive diesen die Unhaltbarkeit ihrer bisherigen Kalkulationen auf. Israel entnimmt der Lizenz der USA zur Teilnahme am globalen Anti-Terrorkampf die Freiheit zur Durchsetzung des eigenen völkisch-nationalen Programms eines Groß-Israel.

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Die US-Strategie im Nahen Osten
Das Kriegsprogramm gegen den Irak – Auftakt zur Neuordnung der Region

I. Das Programm

Im Zentrum des Kampfs der USA gegen den globalen Terrorismus steht derzeit der Irak. Erklärtes Ziel ist seine Entwaffnung und der Regimewechsel in Bagdad. Kritiker dieses Kriegs-Projekts – allen voran maßgebliche ausländische Staatsmänner – haben der US-Regierung deswegen „Abenteurertum“ vorgeworfen, die „Anti-Terrorkoalition werde gefährdet“ und „der ganze Nahen Osten in ein Chaos gestürzt“. Washington hat sich davon nicht beeindrucken lassen.

a) Bush und Cheney haben stattdessen begründet, warum es aus ihrer Sicht unverantwortlich wäre, das Regime Saddam Husseins nicht zu stürzen:

„Sollten alle seine (Saddam Husseins) ehrgeizigen Ziele verwirklicht werden, wären die Auswirkungen für den Nahen Osten, die Vereinigten Staaten und für den Weltfrieden enorm… Bewaffnet mit einem Arsenal dieser Waffen des Terrors (gemeint: Massenvernichtungswaffen) und Herr über zehn Prozent der Ölreserven der Welt könnte Saddam Hussein versuchen, die Beherrschung des gesamten Nahen Ostens anzustreben, die Kontrolle über einen Großteil der weltweiten Energiereserven zu erlangen, die Freunde der Vereinigten Staaten in der gesamten Region direkt zu bedrohen und die Vereinigten Staaten oder jede andere Nation nuklearer Erpressung auszusetzen.“ (Rede des Vizepräsidenten Cheney, 26.8.02)
Der Irak besitzt ballistische Waffen, die wahrscheinlich eine Reichweite von Hunderten von Kilometern haben, also Saudi-Arabien, Israel, die Türkei und andere Länder erreichen können. Und dies in einer Region, in der mehr als 135.000 amerikanische Zivilisten und Soldaten leben und arbeiten … (Bush in Cincinnati, 7.10.)

Auch wenn die USA als Anwalt der gesamten Staatenwelt auftreten, kein Land – mit Ausnahme Israels und Großbritanniens – teilt diese Bedrohungsanalyse; alle halten sie zumindest für eine maßlose Übertreibung. Die arabischen Nachbarstaaten und Iran sehen umgekehrt in einem Krieg gegen den Irak mit all seinen Folgen – insbesondere der noch stärker zu erwartenden Präsenz der USA in der Region – eine viel ernstere Bedrohung ihrer nationalen Interessen und ihrer Souveränität.

Die US-Führer machen andererseits auch wieder gar keinen Hehl daraus, dass es ihnen um Amerikas Interessen und Machtansprüche geht. Sie zählen die „vitalen Interessen“ der Vereinigten Staaten auf: Um den Golf herum lagern die bedeutendsten Ölvorkommen, auf die die Welt- und auch die US-Wirtschaft angewiesen sind. Die USA haben sich hier wichtige Verbündete herangezogen, deren Position im regionalen Kräfteverhältnis nicht in Frage gestellt werden darf. Darüber hinaus haben sie zahlreiche „Freunde“, Staaten also, die – teilweise noch gar nicht so lange – bereit sind, sich mit der weltweiten Oberaufsicht der USA zu arrangieren. Und nicht zuletzt sind wegen dieser US-Interessen reichlich Amerikaner in der Region: die nötige Anzahl Geschäftemacher, vor allem aber jede Menge Militärs, die vor Ort Kontrolle ausüben und aufkommende Gefahren abwehren sollen.

Die USA haben sich als Vormacht in der Region etabliert, sind damit aber keineswegs zufrieden. Im Sinne ihrer neuen Strategie wollen sie jegliche Gefahr beseitigen, die sich für Amerikas Interessen ergeben könnte. Als eine solche, „die größte“, stufen sie das Regime Saddam Husseins ein. Dabei ist die Frage, ob Bagdad derzeit wirklich Massenvernichtungswaffen besitzt, gar nicht entscheidend. Die eigentliche Gefahr besteht aus Sicht Washingtons in dem unbeugsamen Willen dieses Regimes. Iraks Führer agitiert für einen arabischen Nationalismus, der sich gegen die US-Aufsichtsmacht zur Wehr setzt, und gibt seine Feindschaft gegen Israel nicht auf. Trotz jahrelanger UN-Sanktionen gegen sein Land weigert sich Saddam Hussein abzutreten, er verfügt immer noch über genügend Mittel, sich an der Macht zu halten und auswärts einzumischen. Es ist noch nicht einmal auszuschließen, dass er eines Tages seine Geldeinnahmen und die im Lande noch vorhandenen Potentiale wieder dazu verwendet, sich Waffen höheren Kalibers zu beschaffen. Damit ist dieser Staat in den Augen Washingtons der schlimmste von der „Achse des Bösen“. An ihm wollen die USA ein Exempel statuieren, um jeglichem Antiamerikanismus in der Region klar zu machen, dass er chancenlos ist.

b) Die Bush-Regierung will die Sorge der Europäer, Russlands und Chinas nicht teilen, dass die Beseitigung Saddam Husseins die gesamte Region „in Brand setzen“ werde. Washington hängt nämlich nicht am nahöstlichen status quo. Im Gegenteil, mit der Offensive gegen den Irak will die Weltmacht Nr.1 explizit eine Veränderung in der gesamten dortigen Staatenwelt einleiten. Cheney rechnet mit einer heilsamen Wirkung, die von dem Sturz des „Tyrannen“ in Bagdad ausgehen werde:

„Ein Machtwechsel im Irak würde der Region eine Reihe von Vorteilen bringen. Wenn die gravierendsten Bedrohungen beseitigt sind, werden die freiheitsliebenden Menschen der Region eine Chance zur Förderung der Werte haben, die dauerhaften Frieden herbeiführen können… Die Extremisten in der Region müssten ihre Strategie des Dschihad überdenken. Gemäßigte in der gesamten Region würden Mut fassen. Und unsere Fähigkeit zur Förderung des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses würde verbessert… In Wirklichkeit bergen diese Zeiten nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen. Im Nahen Osten, wo so viele Menschen nur Armut und Unterdrückung, Terror und Tyrannei kennen, blicken wir auf den Tag, an dem die Menschen in Freiheit und Würde leben können und an dem die jungen Menschen frei von den Umständen aufwachsen können, die der Nährboden für Verzweiflung, Hass und Gewalt sind.“ (Rede des Vizepräsidenten, 26.08.)

Cheney verspricht, dass der Irak-Krieg der Auftakt zur Herstellung eines dauerhaften Friedens in der ganzen Region sein wird. Frieden im Sinne Amerikas hat allerdings ein paar nicht unwichtige Voraussetzungen: Er setzt die Umpolung der gesamten dortigen Staatenwelt voraus. Die amtierenden Führungen müssen durch politische Kräfte ersetzt werden, die den amerikanischen Eignungskriterien für gute Herrschaft genügen. Noch werden in der Region – laut Cheney – die Freiheitsliebe und die richtigen Werte unterdrückt, somit die Bedürfnisse der Völker missachtet. Weil die Regierungen nur an ihren Machterhalt dächten, seien Hass und Gewalt die notwendige Folge. Dieser Zustand muss beendet werden. Die Rede des Vizepräsidenten ist also eine Kriegserklärung an die gesamte arabische Staatenwelt und den Iran. Das ganze Ensemble dieser Länder genügt nicht den Ansprüchen, die die USA an die Machthaber in dieser strategisch wichtigen Region stellen. Auch Freunde und Verbündete im arabischen Lager müssen sich vorhalten lassen, unzuverlässig zu sein und den Nährboden für Terror und Gewalt zu bilden. So macht die US-Regierung am Fall Irak also eine neue Front auf, und kündigt ein Programm für die Neuordnung des gesamten Nahen Ostens an.

Die Neuordnung der Öl-Region

Aus welchen Gründen die USA vordringlich diese Region neu in den Griff nehmen wollen, liegt so sehr auf der Hand, dass der Pressesprecher des Weißen Hauses sich zu einem Dementi genötigt sieht:

„Die USA sind in der Region nur an einem interessiert, Frieden und Stabilität zu befördern, sie interessiert nicht seine (des Iraks) Fähigkeit, Öl zu produzieren“. (Ari Fleischer, New York Times – NYT, 5.11.)

a) Für Amerika ist der Nahe Osten strategisch schon wegen seiner geographischen Lage zwischen den Kontinenten bedeutsam, vor allem aber wegen der großen Mengen eines Rohstoffs, der unverzichtbarer Grundstoff und Energiequelle für die kapitalistische Produktion ist. Im eigenen Lande verfügen die USA über Öl- und Gasvorkommen, die nicht einmal im Entferntesten den eigenen Bedarf decken. Sie sind also auf auswärtige Quellen angewiesen, aber nicht nur sie.

„Sämtliche Prognosen zum Weltenergiebedarf stimmen darin … überein, dass die Golfregion auch langfristig das Zentrum der Erdölindustrie bleibt. Die enormen nachgewiesenen Reserven … sowie die niedrigen Förderkosten – all dies lässt keinen Zweifel, dass der zu erwartende Anstieg des Weltenergieverbrauchs zum allergrößten Teil durch den Nahen Osten gedeckt wird. Dies hat der im November 2001 veröffentliche Bericht der Internationalen Energiebehörde (IEA) zwei Monate nach den Anschlägen auf New York und Washington zur rechten Zeit erneut in Erinnerung gerufen.“ (Le Monde diplomatique, 14.6.)

Wenn die USA sich um die Ordnung in der wichtigsten Ölregion der Erde kümmern und neue Maßstäbe an sie anlegen, geht es ihnen darum, erstens sicherzustellen, dass sie selbst künftig ungehinderten Zugang zu diesem wichtigen Stoff haben. Die Verfügung, die sie anstreben, beinhaltet darüber hinaus die Fähigkeit, die Versorgung der Staatenwelt mit diesem Rohstoff zu kontrollieren. Die Vereinigten Staaten wollen nicht den dortigen Potentaten die Entscheidung überlassen, was für Geschäfte sie machen und mit wem.[1] Zu welchem „Missbrauch“ ihrer ökonomischen Macht Scheichs und Mullahs fähig sind, beweisen sie aus Sicht Washingtons nicht nur des Öfteren bei ihren Diskussionen über die Preispolitik der OPEC. Schlimmer noch: Immer wieder kommen Forderungen auf, einen „Ölboykott“ als „Waffe“ gegen „das gewalttätige Vorgehen Israels“ oder „die Verletzung arabischer Interessen durch die USA“ in Betracht zu ziehen. Auch wenn die OPEC entsprechende Vorschläge von Seiten Ghaddafis seit Jahrzehnten kategorisch ablehnt, auch wenn insbesondere Saudi-Arabien mit seiner Förderquote stets dafür gerade steht, dass der Öl-Preis in jeder Krise und selbst im Kriegsfall im vereinbarten Korridor bleibt, den USA ist die Abhängigkeit von den nahöstlichen Potentaten zuwider.

Neben der Kontrolle über die Verfügung der Ressource Öl sind die USA daran interessiert und melden ein Recht darauf an, der entscheidende Nutznießer des Ölgeschäfts im Golf zu sein. Auf diesem Feld entdecken sie lauter „Fehlentwicklungen“, die in den letzten Jahrzehnten stattgefunden haben. Einerseits die Übernahme des Ölgeschäfts in die Regie der Ölländer selbst, andererseits das erfolgreiche Eindringen ausländischer Konkurrenten in die ehemalige Domäne der legendären „7 Schwestern“ aus Amerika und Großbritannien. Dabei haben die französischen und russischen Firmen vor allem den Umstand ausgenutzt, dass die USA ihren Ölkonzernen Geschäfte in der Region untersagt haben, um bestimmte Machthaber in ihrem nationalistischem Aufbegehren gegen Amerika zu bremsen.

b) Um diesen doppelten Rechtsanspruch geltend zu machen, ist der Irak in mehrerer Hinsicht ein sehr geeigneter Fall. Was den Irak selbst betrifft: Hier befinden sich 11% der nachgewiesenen Welt-Ölreserven, ca. 112 Mrd. Barrel; Öl, das zudem besonders preiswert – zu etwa 1,50 $/Barrel – gefördert werden kann. Vor der Verstaatlichung in den 70er-Jahren waren die irakischen Ölfelder ausschließlich in der Hand amerikanischer und britischer Ölgesellschaften. Seitdem die USA Saddam Hussein geächtet haben und seinen „Schurkenstaat“ boykottieren, bemühen sich Russland, Frankreich und China um Verträge mit Bagdad, die ihnen die Ausbeutung des irakischen Öls, insbesondere für die Zeit nach den Sanktionen, sichern. Die russische Firma Lukoil hat 1997 mit dem Irak einen Vertrag im Wert von 3,5 Mrd. $ abgeschlossen, der ihr über 23 Jahre die Erschließung des West Quranh Ölfelds sichert; die französische TotalFinaElf verhandelt über die Ausbeute des Majnoon-Felds, geschätzte Förder-Menge 20 bis 30 Mrd. Barrel. Aus amerikanischen Regierungskreisen verlautet jetzt – nachzulesen im Spiegel und in der FAZ – dass die mit dem Hussein-Regime geschlossenen Verträge nach dem Regimewechsel nicht mehr gelten sollen. Darüber hinaus behalten sich die USA das Recht vor, den Zugriff auf irakisches Öl nach dem Krieg davon abhängig zu machen, ob und wieweit die jeweilige Nation dabei mitgemacht hat, den Sturz Saddams herbeizuführen. Das Öl soll – so ein Szenario – zunächst einmal ohnehin durch ein amerikanisches Militär-Protektorat verwaltet werden. Die Verkaufserlöse sollen dabei zur Deckung der Kosten zur Verfügung stehen, die durch den Umbau des Irak gemäß amerikanischen Anforderungen anfallen.

c) Ein neuer Irak im Sinne der USA ist darüber hinaus – ebenfalls nachzulesen in der Tagespresse – in den Planungen der US-Regierung die erforderliche Basis für weitergehende „Reformen“ in der Golfregion. Auch wenn der Krieg noch gar nicht begonnen hat, überhaupt noch nicht klar ist, wie viel Schaden er anrichtet, und wann wieder an eine Ölförderung in diesem Land – geschweige denn an deren massive Steigerung – zu denken ist, entwickeln die Strategen in Washington bereits weitreichende Szenarien, die sie freimütig der Weltöffentlichkeit mitteilen. Mit der Verfügung über reichlich irakisches Öl könnten die USA ihre eigene Energieversorgung und die ihrer Verbündeten sicherstellen. Dadurch hätten sie die Freiheit, die „Umgestaltung“ Saudi-Arabiens, von dem sie derzeit noch 15 Prozent ihres Bedarfs beziehen, und des Iran anzugehen, also der beiden anderen wichtigen Ölstaaten und Gasexporteure in der Region. Denn auch diese Länder sind nach den Maßstäben Washingtons Problemfälle. Schon was die geschäftliche Seite angeht: Das Reich der Mullahs ist ein Totalausfall; denn wegen des US-Boykotts der Islamischen Republik verdienen am persischen Öl und Gas ausschließlich die Konkurrenten der US-Multis. Die saudischen Scheichs verteidigen – trotz ständiger Kritik aus Washington – beim Öl das in der Mitte der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts eingeführte Produktionsmonopol der staatlichen „Saudi Aramco“. In den noch viel wichtigeren Fragen der Zuverlässigkeit und Sicherheit sind diese wichtigsten Öl-Produzenten in den Augen der Bush-Regierung die reinste Katastrophe. Der Iran gehört zur „Achse des Bösen“, und Saudi-Arabien ist, obgleich Verbündeter der USA, der ideologische und finanzielle Hauptsumpf von Al-Kaida.

Die Beseitigung sämtlicher Gefahrenquellen

„Bei unserem Kampf gegen den Terror sind wir entschlossen, uns jeder Quelle katastrophalen Schadens zu widersetzen, die unser Land, unsere Freunde und unsere Bündnispartner bedroht.“ (Bush, Erklärung zur UN-Resolution 1441, 8.11.)

Wenn die USA unter dem Gesichtspunkt der möglichen Gefährdung amerikanischer Interessen die politische Landschaft im Nahen Osten betrachten, besteht mit Ausnahme Israels kein Land den Sicherheits-TÜV. Der Iran und sämtliche arabischen Staaten sind für die USA aus mehr oder weniger gleichen Gründen – allerdings in jeweils unterschiedlichem Maße – Gefahren-Quellen. Die Gefahr besteht einerseits in ihrer überkommenen Verfasstheit und Staatsräson, andererseits in ihrem nationalen Selbstbehauptungswillen.

a) Die laut Sicherheitspapier[2] der USA derzeit größte Gefahr, die „nichtstaatlichen Elemente, die Terroristen“, die Mitglieder von islamistischen und palästinensischen Gruppen, die „die Vereinigten Staaten und alles, wofür sie stehen, hassen“, haben in den meisten Fällen einen Pass irgendeines arabischen Landes. Dass sie Produkt und Relikt der über 50-jährigen Aufsichtspolitik der USA in der Region sind – sei es als Überbleibsel eines Heiligen Krieges in Afghanistan gegen die Sowjets; sei es als Opfer des von Israel ausgeübten Staatsterrors; sei es als beleidigte Muslime, die den Zugriff der USA auf ihre Heimat, deren natürliche Reichtümer und die gesamte Lebensweise nicht dulden wollen –, kümmert den US-Präsidenten dabei wenig. Umso mehr sorgt er sich um die von ihnen ausgehende Gefahr für die „mehr als 135.000 amerikanischen Zivilisten und Soldaten“, die in der Region „leben und arbeiten“.

Washington kann sich zwar noch nicht einmal darüber beklagen, dass irgendeiner dieser Staaten die Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst in Sachen Al-Kaida grundsätzlich verweigern würde, nur zufrieden mit deren Terror-Bekämpfung ist es deswegen noch lange nicht. Die USA definieren Terrorismus nämlich als Antiamerikanismus und verlangen deswegen eine Mitarbeit bei seiner Bekämpfung, die sich direkt gegen die Interessen dieser Staaten richtet: Die Behandlung antiisraelischer Gruppen als Terroristen; die Entziehung der Finanzmittel für islamische Vereine, die sich für soziale Fragen zuständig erklären, wenn auch nur der leiseste Verdacht besteht, es könnten auch radikale Anhänger des Islam davon profitieren, etc.

b) Inzwischen sehen die USA das Problem mit dem Islam viel grundsätzlicher als unmittelbar nach dem 11. September 2001. Da haben sie sich noch auf Streitigkeiten mit den einzelnen Staaten eingelassen, welcher Verein als „terroristisch“ einzustufen ist und ab wann Predigten der Imame gegen westliche Unmoral den Tatbestand der Aufhetzung gegen Amerika erfüllen. Jetzt steht in der „Sicherheitsstrategie der USA“:

„Wir werden außerdem einen Krieg der Ideen führen, um die Schlacht gegen den internationalen Terrorismus zu gewinnen. Das schließt ein: … moderate und moderne Regierungen zu unterstützen, insbesondere in der muslimischen Welt. Auf diese Weise soll Sorge getragen werden, dass die äußeren Bedingungen und Ideologien, die den Terrorismus fördern, keinerlei Nährboden in irgendeiner Nation finden.“ (Kap. III)

Bush sieht im Islam und dessen Rolle in den meisten Staaten des Nahen Ostens den Nährboden für Antiamerikanismus, sprich Terrorismus. Darum verlangt er, dass diese Staaten sich wandeln und „offene Gesellschaften“ werden. Dass er das Vorgehen der USA dabei euphemistisch „Förderung moderner Staaten“ nennt, ändert nichts an seiner „Kriegs“-Ansage, was die falschen Ideen betrifft, seinem „Kreuzzugs“-Vorhaben. Die US-Regierung verlangt von den Staaten in der muslimischen Welt einen radikalen Bruch mit ihrer bisherigen Praxis, das Volk von Klerikern moralisch unterweisen zu lassen, die die westlichen Werte und die amerikanische Lebensweise verteufeln. Statt ihr Rechtssystem an der Scharia zu orientieren, sollen die Nationen lieber die Verkehrsformen, Konsumgewohnheiten und Moden der westlichen Gesellschaften übernehmen. Wenn überall Hamburger gegessen werden und Bier getrunken wird, wäre das für Bush ein deutliches Zeichen dafür, dass es keine Vorbehalte mehr gegen die USA gibt, dann könnte er sich auch weniger Sorgen um mögliche Spannungen zwischen Einheimischen und GIs machen. Amerika mag nicht länger Rücksicht nehmen auf die dort vorherrschende Moral und die Traditionen, auf die manche Herrschaft in dieser Region ihre Legitimation gegenüber dem Volk aufgebaut hat. Wenn die entsprechenden Regierungen diese Modernisierung nicht selber bewerkstelligen wollen oder können, werden die USA dabei von außen nachhelfen.

Im Rahmen eines Empfangs für Botschafter aus den islamischen Ländern im Weißen Haus hält Bush deswegen wiederum ein Dementi für angebracht: Er führe einen „Krieg gegen das radikale Netzwerk von Terroristen und nicht gegen eine Religion“. Er macht aber gleichzeitig klar, dass der in den Ländern des Nahen Ostens praktizierte Islam ein Unding ist. Der Islam – wie Bush ihn schätzt (schätzen würde) – müsste so aussehen wie die Religion, die die Kirchen in Amerika praktizieren und ihrer Gesellschaft damit gute Dienste tun: Eine „Religion der Nächstenliebe, des Erbarmens und des Friedens“, die sich darauf beschränkt, den Leuten „Hoffnung und Trost“ zu geben und „sich vor allem dem Prinzip der Toleranz“ (Bush, Arabic News, 9.11.) verpflichtet weiß. Zum Beginn des Ramadan hat Außenminister Powell eine „Botschaft an die Muslime in aller Welt“:

„Wir sollten nicht auf die Sirenen-Gesänge der Eiferer und Extremisten hören, die unter dem Deckmantel falscher Spiritualität versuchen, uns zu spalten und zu schwächen.“ (Arabic News, 20.11.)

Der Chef des State Department ist sich ganz sicher, dass richtig verstandene Frömmigkeit nie zu Antiamerikanismus führen kann, weil der liebe Gott nur eines will: Dass „wir“, die ganze Menschheit, uns darin nicht beirren lassen, uns geschlossen der Führung des Reichs des Guten – „God’s own country“! – anzuschließen. Darum ist er sich mit seinem obersten Vorgesetzten, Islam-Experten Bush, einig: der Prophet Mohammed hat auch nichts anderes gewollt: Der Islam hat aus den Menschen aller Rassen Brüder und Schwestern gemacht. Er hat eine reiche Kultur des Lernens, der Literatur und der Wissenschaft geboren. (Bush, a.a.O.)

c) Eine zusätzliche Gefahr sieht die Bush-Regierung darin, dass in dieser wichtigen Region lauter Staaten existieren, die eigene nationale Selbstbehauptungs- und Machtansprüche entwickeln. Anstatt sich nur „um ihr Volk zu kümmern“, suchen sie Einfluss auf ihre Nachbarn auszuüben oder arabische Interessen gegenüber Israel geltend zu machen. Sie verschaffen sich darüber hinaus auch noch Machtmittel, um ihre eigene Souveränität zu verteidigen und wollen sich möglichst wenig erpressbar machen. Wenn sie ihre Öl-Milliarden in amerikanische Waffen umsetzen, ist das nicht unbedingt schlecht, aber erstens müssen es amerikanische sein. Denn das hilft der US-Wirtschaft und stiftet gleichzeitig Abhängigkeit, von amerikanischen Militärberatern, amerikanischen Satellitendaten, Ersatzteilen, etc. Vor allem aber sollen die Gerätschaften nur zu dem Zweck angeschafft werden, die in den jeweiligen Ländern stationierten GIs, US-Munitionsdepots und Radaranlagen zu schützen. Die arabischen Staaten sollen sich damit begnügen, die Funktionen, die ihnen die USA zuweisen, zu erfüllen – als Rohstofflieferant, US-Base oder Tourismus-Attraktion. Wenn einzelne Länder, darüber hinaus Investitionsmöglichkeiten für US-Kapital bieten können und ganze Fabriken oder Infrastruktur in Amerika bestellen, ist das auch in Ordnung. Weitergehende Ambitionen sollen die Staaten jedoch fahren lassen. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat mit einfachen Worten sein Idealbild für die „Reform“ der dortigen Staatenwelt am Beispiel Irak entwickelt:

„Wenn wir unserer Verantwortung nachkommen, wenn wir diese Gefahr überwinden, können wir einer ganz anderen Zukunft entgegensehen. Das irakische Volk kann seine Gefangenschaft abschütteln. Es kann sich eines Tages bei einem demokratischen Afghanistan und einem demokratischen Palästina einreihen und in der ganzen moslemischen Welt Reformen anregen. Diese Nationen können durch ihr Beispiel zeigen, dass eine aufrichtige Regierung, die Achtung der Frau und die große islamische Tradition des Lernens im Nahen Osten und darüber hinaus triumphieren können.“ (12.9.)

Ausgerechnet das zerstörte Afghanistan, das über keinerlei Souveränität verfügt und dessen Regierung vom Geld, Schutz und Wohlwollen ausländischer Mächte abhängt, und ein Homeland-Projekt unter der Knute Israels, das sollen die politischen Gebilde sein, an denen sich die gesamte moslemische Welt ein Vorbild nehmen soll.

An diesem Ideal gemessen ist die vorhandene Staatenwelt natürlich ein Graus. Allen voran die „Schurkenstaaten“: Diese Staaten sind dazu entschlossen,

„Massenvernichtungswaffen und andere hoch entwickelte Militärtechnologie zu erlangen und sie als Drohung oder offensiv zur Durchsetzung der aggressiven Pläne ihrer Regime durchzusetzen.“ … „ihre Entschlossenheit, Zerstörungskräfte zu erlangen, über die bisher nur die stärksten Staaten der Welt verfügten, und die höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie Massenvernichtungswaffen gegen uns einsetzen werden, machen die heutige Sicherheitslage komplexer und gefährlicher.“ (Sicherheitspapier, Kap. V)

Die Schurkenstaaten führen sich glatt wie Staaten auf. Sie verfolgen einen eigenen Zweck, der nicht darin besteht, sich den USA und der Regionalmacht Israel unterzuordnen. Wenn sie sich deswegen die Feindschaft der USA einhandeln, kapitulieren sie nicht, sondern nehmen das als eine Herausforderung. Sie messen ihren Bedarf an Gewaltmitteln an dem Potential ihrer Feinde (Israel und die USA) und besorgen sich glatt das entsprechende Material.

Die offiziell titulierten „Schurkenstaaten“ – Irak, Iran, Syrien und Libyen – sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Auch andere Länder schaffen sich „entwickelte Militärtechnologie“ an. Der Jemen kauft sich z.B. Scud-Raketen in Nordkorea; Ägypten bekennt sich dazu, solange Israel nicht abrüste, Waffenprogramme höheren Kalibers zu verfolgen. In solchen Bestrebungen sehen die USA inzwischen eine Gefahr für sich. Anstatt sich auf das von den USA beanspruchte Gewaltmonopol zu verlassen, das schon dafür sorgen wird, dass kein Staat unberechtigter Weise von einem anderen überfallen wird, wollen diese zweit- bis drittklassigen Staaten selber für ihre Sicherheit sorgen. Sie beanspruchen für sich das Recht, selber souverän entscheiden zu können, wen sie sich als Freund oder Feind aussuchen. Sie wollen über hinreichend Machtmittel verfügen, um andere möglichst erpressen zu können und selber möglichst wenig erpressbar zu sein. Aus Sicht der USA sind sie deswegen ein Sicherheitsrisiko. Sie begehren auf gegen das Recht, das Amerika für sich reklamiert, die Region in seinem Sinne zu ordnen und den Staaten Lizenzen für die Ausübung ihrer Macht zu erteilen.

d) Eine letzte Gefahr sehen die USA in Staaten, die einfach zu schwach sind, die Ordnung im eigenen Lande herzustellen. Ein Fehler ist es aus Sicht der USA, wenn sie sich zur Kompensation ihrer Schwäche Unterstützung bei einer anderen Macht holen, die von den USA dafür gar nicht auserwählt wurde, wie im Falle Libanon. Ein solcher Staat überließe seine Sicherheitsfragen besser gleich den USA. Der Jemen bekommt diese Einsicht gerade mühsam beigebracht. Natürlich regeln CIA-Agenten vor Ort die Sicherheitsfrage auf andere Weise und in eine andere Richtung, als sich die jeweilige Nation das gemäß ihrer eigenen Interessen vorstellt. Dafür tragen die USA aber auch eine viel größere Verantwortung. Der Bestand eines Landes oder bloß der einer amtierenden Herrschaft kann nun mal wirklich nicht der Maßstab sein, an dem sich die Weltordnungsmacht orientieren muss.

II. Erste Wirkungen der amerikanischen Offensive

Den Regierungen in den arabischen Länder und im Iran ist schon länger klar, dass der Krieg gegen den Irak nur der Anfang einer US-Offensive im gesamten Nahen Osten ist, die kein Land verschont, die Schluss macht mit jeglicher Rücksichtnahme auf die Interessen der arabischen und muslimischen Nationen und mit dem Respekt vor deren Souveränität.

In ihrer „Erklärung von Beirut“ im März dieses Jahres hat die Arabische Liga darum einen verzweifelten Versuch gemacht, die USA umzustimmen. Alle arabischen Länder – einschließlich Irak, Syrien und Libyen – erklärten sich dazu bereit, ihre Feindschaft gegenüber Israel aufzugeben und sich prinzipiell der amerikanischen Vormacht in der Region unterzuordnen, wenn sich die USA im Gegenzug zur Berücksichtigung arabischer Interessen herbeilassen würden. Einerseits müsste Bush zeigen, dass er es mit seiner „Vision eines Staates Palästina“ ernst meine. Zweitens dürfe er keinen Krieg gegen ein arabisches Land führen, auch nicht gegen den Irak. Dafür erklärte sich die Arabische Liga bereit, Bagdad zu bewegen, sich mit Kuwait auszusöhnen, mit der UNO über die Wiederaufnahme der Waffeninspektionen zu verständigen und alle bisherigen UN-Resolutionen zu erfüllen. Von den USA müssten ihrerseits

„Iraks Unabhängigkeit, Souveränität, Sicherheit (security), territoriale Integrität und regionale Sicherheit (regional safety) anerkannt werden“. „Der Rat weist die Drohungen einer Aggression gegen verschiedene arabische Länder, insbesondere gegen den Irak zurück und wiederholt kategorisch seine Ablehnung eines Angriffs auf den Irak.“ (Abschluss-Kommuniqué, 28.3.)

Für den Erfolg dieses Versuchs, Bushs Nahost-Offensive zu bremsen, haben die Führer der arabischen Welt eine rege Diplomatie entfaltet, vor allem um Unterstützung bei den Russen, den Europäern und den Chinesen nachgesucht. Sie fanden dabei zunächst auch viel Sympathie, insbesondere für ihre Bereitschaft, Israel als Nachbarstaat zu akzeptieren. Putin, Chirac und Schröder zeigten darüber hinaus Verständnis für die Befürchtungen Mubaraks oder König Abdullahs, dass ein Irak-Krieg die Region ins Chaos stürzen würde. Aus eigenem nationalen Interesse wollen die mit den USA konkurrierenden Weltaufsichtsmächte nämlich eine Neuordnung im Nahen Osten verhindern, die ganz auf die strategischen Bedürfnisse Amerikas zugeschnitten ist. Deswegen sind sie aber noch lange nicht bereit, dagegen wirklich zu opponieren. Dafür sehen sie sich im Kräfteverhältnis zu den USA nicht in der Lage. Mehr als gelegentliche verbale Unterstützung des arabischen Standpunkts kommt deswegen auch nicht zustande.

Die einhellige Zustimmung zur Resolution 1441

a) Im Vorfeld der UN-Resolution haben Frankreich und Russland die „arabischen Freunde“ für sich funktionalisiert. Sie haben Amerika das Angebot unterbreitet, für den von ihnen vorgeschlagenen Kompromiss die Zustimmung der gesamten übrigen Staatenwelt zu verschaffen. Sie haben den syrischen Präsidenten Assad bekniet, der Resolution zuzustimmen, und Mubarak und Co gebeten, ihren ganzen Einfluss auf den Irak geltend zu machen, dass Saddam Hussein mit den UN-Waffeninspektoren kooperiert. Dies sei – so das Argument Chiracs und des russischen Außenministers – die einzige Chance, einen drohenden Krieg, mit allen negativen Folgen für die gesamte Region zu verhindern. Ob die arabischen Staatschefs an diese Chance glauben, einmal dahingestellt, die arabische Welt musste zur Kenntnis nehmen, dass sie sich völlig isolieren würde, wenn sie weiter einen Angriff auf den Irak kategorisch ablehnt.

b) Es hat sicherlich nicht an der Überzeugungskraft der Rede des amerikanischen UN-Botschafters gelegen,

„Nichts liegt ferner als die Behauptung des Regimes in Bagdad, die Vereinigten Staaten beabsichtigten, gegen die arabische Welt Krieg zu führen“ (Negroponte vor der UNO, 8.11.)[3],

wenn Damaskus seine Standardformel „ein Angriff auf den Irak sei gleichbedeutend mit einem Angriff auf die gesamte Arabische Nation“ aus dem Verkehr gezogen hat. Syrien und die anderen arabischen „Bruderstaaten“, die die Resolution im Nachhinein offiziell begrüßt haben, versuchen sich mit der Zustimmung zum Beschluss des Weltsicherheitsrats selbst wenigstens ein wenig aus der amerikanischen Schusslinie zu bringen. Ihnen ist klar, dass die USA den Irak als Fall nehmen, an dem sie ihre neuen Maßstäbe gegenüber der nahöstlichen Region durchexerzieren, um eine „Gesamtreform“ einzuleiten. Darum beeilen sie sich, klarzustellen, dass man sich mit ihnen über den Fall Irak durchaus einigen könnte. Sie unterschreiben bereitwillig, dass Massenvernichtungswaffen in der Hand Saddam Husseins ein Verbrechen sind, und stimmen der Entwaffnung des Irak durch die UNO zu. Damit wollen sie den Fall Irak von sich abtrennen: Weil Saddam Hussein ein Schurke ist, der seine Machtmittel gegen Kuwait eingesetzt hat, haben die USA zurecht das Bedürfnis nach seiner Entwaffnung. Wenn sie sich selber um ABC-Waffen und Trägerraketen bemühen, ist das jedoch – angesichts der Atom-Bedrohung durch Israel – ein legitimes Recht, das die Weltgemeinschaft ihnen zubilligen muss. Mit dieser Distanzierung vom Irak wollen sie vermeiden, sich offen gegen die USA und die anderen ständigen Sicherheitsratsmitglieder stellen zu müssen. Sie erklären sich bereit, mit der Bush-Regierung zu kooperieren, wenn diese sich an den „Rahmen des internationalen Rechts und der UN-Resolutionen“ hält. Dass sie mit dieser Tour die USA auch nur für einen Moment lang zufrieden stellen, glauben sie sicher selber nicht. Sie werden auch nicht erwarten, wenn das US-Programm erst mal in Gang gesetzt ist, künftig bei den anderen Großmächten mehr Rückhalt für ihre Interessen zu finden. Sie sehen schlicht keine andere Möglichkeit, aus ihrer Verlegenheit herauszukommen, als sich mit halbseidenen Vorbehalten dem Kriegsprogramm der USA unterzuordnen.[4]

Die Erhöhung des Drucks seitens der USA

Die amerikanische Regierung hat die Zustimmung Syriens und der arabischen Liga zur Resolution 1441 nicht sonderlich überrascht. Sie sieht darin lediglich eine Bestätigung der Richtigkeit ihres harten Kurses. Weil die Länder sich von der „Entschlossenheit Amerikas“ beeindruckt zeigen, bleiben die Kriegsdrohungen bestehen, werden die alten Vorwürfe ständig wiederholt und neue Verdächtigungen in die Welt gesetzt. Das längerfristige Ziel, die Region insgesamt in ihrem Sinne umzukrempeln, lassen die USA also nicht aus den Augen, zusätzlich soll der verstärkte Druck in der jetzigen Phase dafür sorgen, dass die Offensive gegen den Irak reibungslos über die Bühne geht. Erstens sind Störungen und unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden, zweitens die von Amerika geforderten Hilfsdienste und Kriegsbeiträge zu erbringen.

a) Von ihrer Feindschaft zum Iran nehmen die USA nichts zurück.[5] Dass in diesem Land ein Regimewechsel überfällig ist, ist so selbstverständlich, dass US-Verteidigungsminister Rumsfeld sich bemüßigt fühlt, zu erklären, warum die USA ihn jetzt noch nicht auf die Tagesordnung setzen:

„Ich halte den Iran für einen interessanten Flecken Erde, weil es dort eine sehr kleine Clique von Klerikern gibt, die das Land kontrollieren, gleichzeitig Frauen und junge Leute, die mit den Verhältnissen im Lande nicht übereinstimmen … Die jungen Leute und die Frauen und die Leute, die an die Freiheit glauben, werden die klerikale Regierung stürzen, sie (die Regierung) wird auf irgend eine Weise unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen.“ (RFE/RL-Report, 4.11.)

Dabei warten die USA natürlich nicht einfach ab und schauen zu, wie das System kollabiert,[6] sondern helfen durchaus ein bisschen nach. Vor einigen Monaten hat Bush offiziell beschlossen, nicht mehr auf die Reformkräfte um Präsident Chatami zu setzen, und dem iranischen Volk den Auftrag erteilt, das Regime zu stürzen. Die USA haben die eigenen Haushaltsmittel zur Förderung regimefeindlicher Propaganda und Subversion im Iran erhöht, die Wirtschaftssanktionen verlängert und alle unter der Clinton-Regierung eingeleiteten Versuche, die Beziehungen auf diplomatischem Wege zu verbessern, eingestellt. Die Russen werden bedrängt, den Kraftwerksbau in Busher und den Technologietransfer in den Iran zu stoppen, die Europäer angehalten, sich mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zurückzuhalten…

Dafür dass die USA es derzeit bei der friedlichen Bekämpfung des Mullah-Regimes belassen, erwarten sie in der jetzigen Phase ihres Antiterrorkriegs von Iran allerdings die ein oder andere „Gegenleistung“:

– Mangels eigener diplomatischen Beziehungen teilt Washington der iranischen Regierung über die Schweizer Botschaft mit, sie möge „auf die in Teheran beheimatete Exilgruppe der irakischen Schiiten einwirken und ihr die Ambitionen auf einen eigenen Staat im Südirak ausreden“ (NZZ, 21.11.). Teheran soll also gleich selbst dafür sorgen, dass es den Krieg gegen den Irak nicht dazu „missbraucht“, seinen Einfluss in der Region zu erhöhen.

  • Chatami soll sich schon jetzt mit dem Problem befassen, wie er im Kriegsfalle mit der zu erwartenden Welle von bis zu 700.000 Flüchtlingen aus dem Irak fertig wird.
  • Zufrieden nimmt die US-Regierung zur Kenntnis, dass die iranische Marine seit ein paar Wochen wieder ausgesprochen „professionell“ mit den US-Kräften bei der Aufbringung irakischer Ölschmuggler zusammenarbeitet. Auch wenn Teheran dadurch nur verhindern will, dass es „zu Zwischenfällen in seinen Hoheitsgewässern kommt“ (NYT, 29.10.).

Die iranische Regierung, die seit Monaten die Staatenwelt vor dem „Neokolonialismus“ der USA warnt und agitiert, man müsse alles tun, um einen noch stärkeren Zugriff der USA auf die gesamte Region zu verhindern, sieht sich schließlich doch genötigt, in der Irak-Frage offiziell den Standpunkt aktiver Neutralität zu beziehen. Verteidigungsminister Schamchani erläutert die praktischen Konsequenzen: In Grenznähe zum Irak werden erste Vorbereitungen für Flüchtlingslager getroffen. Im Falle eines Krieges wird der Iran weder seinen Luftraum noch seine Territorialgewässer den Amerikanern zur Verfügung stellen. Prophylaktisch fügt er jedoch hinzu, er werde „versehentliche Verletzungen des iranischen Luftraums durch die amerikanischen Flugzeuge so lange nicht als feindliche Akte werten, wie iranische Interessen nicht berührt würden.“ (FAZ, 21.11.) Iran bemüht sich also nach Kräften, den USA keinen Vorwand zu liefern, in den Krieg hineingezogen zu werden.

b) Syrien, das in der letzten Zeit seine ökonomischen und politischen Beziehungen zum Irak sehr verbessert hat, ist aus Sicht der USA in der jetzigen Phase ihrer Nahostoffensive in zweierlei Hinsicht ein Unsicherheitsfaktor. Erstens könnte Assad dem Irak helfen, indem er Saddam Husseins Ölschmuggel begünstigt und umgekehrt über sein Territorium Waffenimporte in den Irak zulässt. Zweitens könnte er für eine Ausweitung des Kriegs sorgen, wenn er den Hizbullah veranlasst, an der Nordgrenze zu Israel loszuschlagen, und Israel mit Angriffen auf den Libanon und Syrien reagiert. Die anderen arabischen Länder, die sich gerade unwillig mit einem Angriff auf den Irak abgefunden haben, würden damit vor eine neue Entscheidung gestellt.

Abschreckung ist also angesagt. Die US-Regierung setzt immer neue Vorwürfe und Verdächtigungen gegen Damaskus in die Welt und wird dabei nach Kräften von Israel unterstützt:

„Syrien (kaufe) unter Verletzung des UNO-Embargos seit einigen Monaten heimlich Waffen für den Irak in Osteuropa… Es handele sich u.a. um russische Kampfflugzeuge und Panzermotoren, Ersatzteile für russische MIG-21, -23, -25 und -29-Kampfflugzeuge, Radarsysteme und tschechische Flugabwehrkanonen … aus Russland, Weißrussland, der Ukraine, Bulgarien und Tschechien. An den Waffengeschäften beteiligt sei der Sohn des syrischen Verteidigungsministers … der auch in Ölkäufe aus dem Irak involviert sei. Der irakische Ölschmuggel nach Syrien belaufe sich auf 180.000 Fass pro Tag.“ (ÖMZ, 6/2002)

Die Führung in Damaskus soll zur Kenntnis nehmen, dass sie unter schärfster Beobachtung steht, dass ihr die ständigen Beteuerungen, sie halte sich an die Sanktionsbeschlüsse, nicht abgenommen werden. Ihr muss klar sein, dass sie bei der Aufdeckung von derartigen Verstößen völlig isoliert dasteht.

Verschärft hat sich auch der Ton gegenüber Syriens Unterstützung der palästinensischen Befreiungsgruppen, die zur „Ablehnungsfront“ gezählt werden. Der stellvertretenden US-Außenminister, Richard Armitage, lässt verlauten: „Hizbullah ist das A-Team der Terroristen, möglicherweise ist Al-Kaida derzeit das B-Team.“ (Daily Star Libanon, 2.10.) Gleichzeitig wird Syrien beschuldigt, an eben diese Terroristen Raketen zu liefern, mit denen sie israelische Städte treffen können. Nach dem Anschlag des Islamischen Dschihad Mitte November in Hebron fordert Powell per diplomatischer Note Damaskus auf, umgehend sämtliche Büros des Dschihad in Syrien zu schließen.

In öffentlichen Stellungnahmen weigert sich der syrische Präsident zwar, die Anweisung aus Washington zu befolgen,[7] verspricht der US-Regierung aber gleichzeitig, feindliche Aktivitäten des Dschihad gegen Israel von Syrien aus zu unterbinden. Auch den Hizbullah hält Assad fest an der Kandare. Trotz ständiger Provokationen seitens Israels herrscht an der libanesisch/israelischen Grenze relative Ruhe.

Damit das so bleibt, lässt die Bush-Regierung der Führung in Damaskus immer noch die Hoffnung, sie könne sich durch Wohlverhalten die direkte Feindschaft der USA ersparen. Darum hat Bush bisher im Kongress die Behandlung des „Syria Accountability Act“ abgelehnt. Seit Monaten liegt dieser Gesetzentwurf vor, der Syrien wegen Terroristenunterstützung und der „anhaltenden Besetzung des Libanon“ mit zusätzlichen US-Sanktionen (Boykott von „dual-use“-Gütern, Finanzmitteln und Wirtschaftsbeziehungen; drastische Reduzierung der diplomatischen Kontakte) überziehen will. Er habe – so Bush – keine sachlichen Einwände gegen das Gesetz, möchte aber keine Beschränkungen seines Handlungsspielraums im Umgang mit Syrien.

c) Langjährige Verbündete behandelt die Bush-Regierung auch nicht schonender. Vorbei sind die Zeiten, in denen der saudische Kronprinz Abdullah auf der Ranch des US-Präsidenten wegen seiner Friedensangebots an Israel hofiert wurde. Heutzutage wird der saudischen Führung übel angekreidet, dass sie bei jeder Gelegenheit verlangt, nicht nur der Irak, sondern auch Israel müsse die UN-Resolutionen erfüllen.

Washington lehnt es ab, weiterhin darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Saudis um ihren guten Ruf als Anwalt der arabischen Interessen und – noch schlimmer – als „Hüter der Heiligen Stätten“ besorgt sind. In der Verbindung mit dem Islam und seinen radikalen Verfechtern sieht die amerikanische Führung inzwischen die Gefahr, die vom saudischen Scheichtum für Amerika ausgeht. Regierung und Kongresstischen immer neue Beweise auf, die belegen sollen, dass selbst das Königshaus in die Finanzierung des Al-Kaida-Netzwerks involviert ist. Die mildtätigen Spenden, mit denen sie sich als Reiche die Gnade ihres Allerhöchsten erkaufen wollten, sind direkt oder indirekt in den Taschen von lauter Terroristen gelandet. Die Bush-Regierung besteht darauf, dass der Fluss der Geldströme völlig offen gelegt, das Finanzierungswesen der islamischen Vereine eingestellt wird, und schließt nicht einmal aus, dass amerikanische Gerichte für die Terrorschäden von Saudi-Arabien Hunderte Milliarden Dollar als Regress einfordern.

Die Saudis sind zwar seit Jahrzehnten eine sichere Bank in Bezug auf die Ölversorgung Amerikas und seiner Verbündeten. Nur berechtigt sie das zu nichts und schützt sie auch vor nichts. Im Gegenteil: Ein Berater des US Verteidigungsministeriums beschreibt in einem Vortrag Saudi-Arabien als „Brutstätte des Bösen“ und empfiehlt der US-Regierung, „die saudischen Ölfelder zu besetzen, ihr Finanzvermögen zu beschlagnahmen und das saudische Herrscherhaus zu stürzen“ (Al Ahram, 28.8.). Die US-Administration dementiert zwar, für diese Ideen verantwortlich zu sein, gleichzeitig steht aber in der Presse, dass Cheney und Rumsfeld mit diesen Vorschlägen sympathisieren.

Die USA sind bei der Verfolgung ihrer Interessen zwar immer noch von den guten Diensten ihrer Verbündeten abhängig, reagieren aber sehr empfindlich, wenn ein Land daraus Ansprüche ableiten will. So verübelt die Bush-Regierung Saudi-Arabien, dass sein Außenminister seit Monaten erklärt, die „Prince-Sultan-base“ werde für einen US-Angriff auf den Irak nicht zur Verfügung stehen. Saudis und Amerikaner haben gemeinsam diese riesige, mit bester Technik ausgestattete Kommandozentrale für Kriege in der ganzen Region gebaut. Sie hat sich auch u.a. bei der Überwachung der südlichen Flugverbotszone im Irak und bei den amerikanischen Afghanistan-Einsätzen bestens bewährt. Und nun erhebt plötzlich Saudi-Arabien den Anspruch auf Mitsprache bezüglich ihrer Nutzung. Das lässt sich die Bush-Regierung nicht bieten. Erstens beweist sie, dass sie auf Saudi-Arabien nicht angewiesen ist. Als Alternative haben die USA längst die kleinere, aber als Kommandozentrale ebenfalls taugliche „Al Udeid Base“ in Katar eingerichtet. Zweitens hält sie höchstens folgenden Kompromiss für akzeptabel: Wenn schon keine Kampfflugzeuge vom saudischen Flughafen in Richtung Irak starten dürfen, will sie wenigstens Prince-Sultan-base als Kommandozentrale nutzen und von dort aus Awacs- und Tankflugzeuge einsetzen.

d) Ägypten hat gut zwei Jahrzehnte lang bei den USA einen Bonus gehabt, weil es als erstes arabisches Land Frieden mit Israel geschlossen hat. Finanziell hat sich dieser Umstand in einer jährlichen US-Finanzhilfe von derzeit 2 Mrd. Dollar niedergeschlagen. Mubarak wurde als „Vermittler zwischen Israel und dem arabischen Lager“ geschätzt, auch wenn er nie arabische Interessen gegen Israel bei den USA durchsetzen konnte. Heutzutage steht Ägypten selber in der Schusslinie, weil seine Regierung nach wie vor an Arafat und der Fortführung des Oslo-Prozesses festhält, weil sie Scharon vorwirft, gar nicht an Frieden interessiert zu sein, und weil sie die Staatengemeinschaft auffordert, von Israel zu verlangen, dass es auf seine Atomwaffen verzichtet. Der Bush-Regierung passt der Anspruch Kairos, einflussreiche Regionalmacht sein zu wollen, endgültig nicht mehr in ihr strategisches Konzept. Deswegen soll sich Mubarak auch beim Sudan, wo er gemeinsam mit Ghaddafi zwischen Regierung und Rebellen vermittelt, heraushalten und die dortige Regelung ganz den Amerikanern überlassen. Im Fall Irak hätte Bush von seinem Verbündeten in Kairo erwartet, dass er sich der Koalition, die die USA gegen Saddam Hussein schmieden wollen, anschließt und nicht auf einer friedlichen Lösung des Irakkonflikts besteht und einzig die UNO als legitime Ordnungsinstanz anerkennen will.

Bush lässt Ägyptens Präsidenten deutlich spüren, wie enttäuscht er von Amerikas traditionell engstem Verbündeten in der arabischen Welt ist. Eine schon etwas länger zurückliegende Affäre – der Fall Prof. Ibrahims – wird plötzlich zum Skandal hinstilisiert, der einschneidende Konsequenzen nach sich ziehen soll. Vor ein paar Monaten verurteilte die ägyptische Justiz den Soziologen zu einer Gefängnisstrafe, weil er Fördergelder aus dem Ausland angenommen und in seinen damit finanzierten Veröffentlichungen die Machtausübung Mubaraks als undemokratisch gebrandmarkt hat; u.a. wirft er der Regierung Wahlbetrug vor. Aus amerikanischen Regierungskreisen verlautet nun, das Urteil verstoße gegen elementare Freiheitsrechte und sei deswegen nicht hinnehmbar. Die USA seien nicht länger bereit, ein „repressives Regime“ finanziell zu fördern. Es werde bereits über den Abbau der bisher gewohnten zivilen und militärischen US-Hilfe an Kairo nachgedacht. Kurz darauf ergibt sich ein weiterer Skandal: Trotz israelischer Proteste weigert sich die ägyptische Regierung, die Ausstrahlung einer Fernsehserie zu verbieten, die Jerusalem für antisemitische Hetze hält. Washington ist wiederum empört und erteilt hochoffiziell den Behörden in Kairo eine Rüge.

Die Vereinigten Staaten gehen davon aus, dass die „Abkühlung“ in den bilateralen Beziehungen für Kairo eine Lehre ist und Mubarak wenigstens zu seinen elementaren Bündnispflichten steht. Laut Zeitungsmeldungen hat Bush keinen Zweifel, dass der Suezkanal und der ägyptischen Luftraum den Amerikanern zur Verfügung stehen, wenn sie ihre Angriffe auf den Irak vorbereiten und durchführen. Dass Mubarak seine Volksmassen mit den nötigen Repressionsmaßnahmen in Schach hält, wenn sie Solidarität mit den palästinensischen oder irakischen Brüdern fordern, ist ohnehin unterstellt.

Die destruktiven Folgen des Mitmachens

a) Das Verhältnis Amerika – Jordanien ist, wie beide Seiten bekunden, nach wie vor „sehr gut“. Die US-Hilfe hat sich seit 1995 mehr als verzehnfacht und soll im nächsten Jahr 450 Mio. Dollar betragen. Amman hat in der letzten Zeit öfter Besuch aus Washington als jedes andere arabische Land. Dabei verdankt sich das herzliche Verhältnis nicht etwa dem Umstand, dass König Abdullah in der Palästinenser- oder der Irak-Frage eine andere Position hätte als Mubarak. Die Regierung in Amman betont darüber hinaus fast täglich, die US-Administration wisse sehr genau, dass Jordanien nicht erlauben werde, sein Territorium oder seinen Luftraum für einen Angriff auf den Irak zu benutzen. Der Grund für Amerika, den König zu hofieren, ist schlicht der, dass Washington diesem Land bereits einiges zumutet und noch viel mehr zumuten will. Jordanien sieht seinerseits keine Möglichkeit, dem zu entgehen; darum möchte es die Schäden so gering wie möglich halten.

Jordanien ist mit („natürlichem“) Reichtum nicht gerade gesegnet, gleichzeitig einer der Haupt-Leidtragenden der Konflikte im Nahen Osten. Zwischen zwei Krisengebieten ist es weder ein reizvolles Land für Investitionen noch für Touristen. Wegen des Irak-Boykotts kann Amman nicht einmal mehr an einem Gütertransfer verdienen. Dafür bevölkert den Landstrich östlich des Jordan jede Menge Flüchtlingselend aus Palästina und Irak. Seine Verschuldung beläuft sich mittlerweile auf 7,4 Mrd.$, und die Regierung steht in Dauerverhandlung mit den Gläubigern über Umschuldung bzw. Schuldenerlass. In dieser trostlosen Lage ist der Nachbarstaat im Osten nach wie vor die wichtigste ökonomische Stütze Jordaniens. Mit Sondergenehmigung der UNO erhält Amman von Bagdad jährlich eine Beihilfe in Form von Öl, zur Hälfte kostenlos, den Rest zu einem Präferenzpreis von 14 $/Fass. 2001 belief sich der Zuschuss auf einen Gesamtwert von 500 Mio. Dollar.[8] Für das Geld, das der Irak von Amman für den Teil des Öls, den er verkauft, erzielt, importiert er jordanische Ware im Rahmen des „Oil for food“-Programms, ist damit ein wichtiger Handelspartner. Im Kriegsfall bricht dieses Finanzierungs- und Geschäftswesen natürlich zusammen. Solange aber Frieden herrscht, kann und will sich Jordanien gar nicht leisten, auf diese Einnahmen zu verzichten. Also erklärt es, solange es geht, Bagdad habe von Jordanien nichts zu befürchten. Dafür hat sogar die Bush-Regierung Verständnis. Washington ist – erklärt der jordanische Außenminister – sich unserer Verletzlichkeit und heiklen Lage sehr bewusst und bittet uns deshalb nicht um Dinge, die außerhalb unserer Möglichkeiten liegen. (Muascher, Jordan Times, 11.10.)

Andererseits kann Bush auf Jordanien nicht übermäßig Rücksicht nehmen, auch wenn die Regierung in Amman noch so klagt:

„Wir haben bereits einen Krieg auf der West-Bank und wir brauchen nicht auch noch einen Krieg im Osten. Es ist leicht für Außenstehende das Problem von außen zu lösen. Sie leben nicht hier.“ (a.a.O.)

Dem Königtum bleibt keine andere Wahl, als sich auf einen Flüchtlingsstrom aus dem Osten einzustellen – im letzten Golfkrieg waren es 1,5 Millionen. Diesmal hofft Abdullah, die Flüchtlinge außerhalb seines Territoriums zu halten und deren Versorgung vor der Grenze organisieren zu können.

Was die Westfront betrifft, sind die Drohungen Israels nicht zu überhören. In der Presse erklärt die jordanische Regierung einigermaßen verzweifelt, es sei nicht auszuschließen, dass Israel in einem Irak-Krieg die Chance sieht, sein Palästinenser-Problem endgültig zu lösen, und die Bewohner der Westbank nach Jordanien vertreibt. Laut Muascher sei bisher kein „israelischer Offizieller“ bereit gewesen, „zu bestätigen, dass das nicht der israelischen Linie entspräche.“ (a.a.O.) Die Regierung in Amman kann also nur beten, dass die USA das nicht zulassen.

Inzwischen ist klar geworden, dass das Königreich nicht nur ökonomisch äußerst bedroht ist und fürchten muss, von auswärtigen Völkerschaften überrannt zu werden, es hat längst wegen der Kriege in seiner Nachbarschaft ein Problem innerhalb der eigenen Grenzen.[9] Nach dem Mord an einem amerikanischen Diplomaten in Amman am 28. Oktober haben die Sicherheitskräfte ein Exempel statuieren wollen, um nach außen und innen ein Zeichen zu setzen: Islamistische Kräfte und Sympathisanten Saddam Husseins haben in Jordanien keine Chance, sich störend bemerkbar zu machen. Die Folge: Schon bevor der Irak-Krieg losgegangen ist, hat Jordanien in einer seiner größten Städte einen Aufstand, mit dem es bisher noch nicht fertig geworden ist.[10] Die USA haben inzwischen allen Amerikanern empfohlen, wegen der zunehmenden Unsicherheit Jordanien zu verlassen, und ihr Botschaftspersonal in Amman auf eine Notmannschaft reduziert.

b) In zwei Ländern, in denen der Aufmarsch gegen den Irak und die Kriegsvorbereitungen längst in vollem Gange sind, mögen deren Regierungen auch offiziell immer noch erklären, ihre Einrichtungen stünden nur im Falle eines UN-Mandats zur Verfügung, hat die Anwesenheit der US-Armee das normale Leben ein wenig durcheinander gebracht.

In Kuwait, wo die US-Armee 10.000 Soldaten stationiert hat und wo seit Wochen Infanterie-Kräfte in der Wüste für ihren Einsatz trainieren, kommt es Anfang November mehrmals zu Zwischenfällen, bei denen kuwaitische Fundamentalisten aus dem Hinterhalt auf amerikanische Soldaten schießen. Um weitere Tote und Verletzte zu vermeiden, sieht sich das Scheichtum genötigt, große Teile seines Territoriums im Norden und im Westen des Landes praktisch an die Amerikaner abzutreten. Die Regierung erklärt diese Landstriche zur Sperrzone und verbietet ab sofort den eigenen Landsleuten den Zutritt.

In Katar unternehmen Mitte Oktober hochrangige Armeeoffiziere, hauptsächlich pakistanischer und jemenitischer Abstammung, einen Putschversuch gegen Scheich Khalifa al-Thani. Die Regierung in Doha ist selbst nicht in der Lage, die Rebellen auszuschalten. Das übernehmen die dort stationierten US-Soldaten. Sie patrouillieren in den Straßen der Hauptstadt und besetzen alle strategisch wichtigen Punkte. In den Hintergrundsberichten der Presse[11] ist von Spannungen innerhalb des Herrscherhauses über den gegenwärtigen politischen Kurs des Landes. Während die westliche Welt begeistert ist, dass in Katar die Frauen sich nicht verschleiern müssen, offen Alkohol verkauft wird, die Regierung Pressefreiheit gewährt, eine Verfassung beschließt, die die Einrichtung eines Parlaments vorsieht, und zu Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen hat, sehen einige Mitglieder der herrschenden Schicht darin eine Loslösung von der islamischen und arabischen Tradition, die ihnen zu weit geht. Für diesen Standpunkt erhalten sie auch viel Sympathie aus dem benachbarten Ausland. Das versucht den „schlechten Einfluss“, der von Katar ausgeht, ein wenig einzudämmen. Wegen der Hetze des TV-Senders „al-Jazeera“ gegen die traditionellen Regime in der Region kommt es in den letzten Wochen in mehreren Ländern zur Schließung von dessen Büros, und die diplomatischen Affronts gegen Katar seitens der „Arabischen Bruderländer“ häufen sich.

c) Im Jemen ist es um die innere Sicherheit nach wie vor am schlechtesten bestellt. Darin sehen die Amerikaner eine unzumutbare Beeinträchtigung der Entfaltungsmöglichkeiten ihrer Gewaltmaschinerie in der Golfregion. Der Anschlag auf den französischen Tanker „Limburg“ vor Jemens Küste, angeblich ein Versorgungsschiff für die „5. Flotte“ der USA, beweist, dass die Regierung in Sanaa ihre Bevölkerung nicht gescheit im Griff hat und ihr Territorium und die eigenen Hoheitsgewässer nicht hinreichend kontrollieren kann.

Dabei hat die Bush-Administration dem Jemen bereits 100 Mio. Dollar für die Terroristenverfolgung, zur Ausbildung geeigneten Personals und für Computerausrüstung zukommen lassen. Sie will ihn jetzt zusätzlich mit Patrouillen-Booten ausstatten, damit die jemenitische Marine die 125 km lange Küste sichert. General Franks, der Leiter der US-Operationen in Afghanistan, ist damit beauftragt, mit Präsident Saleh persönlich die militärische Zusammenarbeit abzusprechen.

Es fehlt auch nicht am guten Willen und Einsatz der jemenitischen Regierung. Vierhundert von den USA trainierte Spezialkräfte durchsuchen regelmäßig die Nordost-Provinz nach Flüchtlingen und Sprengstoff. Sie haben in taktischer Hinsicht viel dazu gelernt. Im letzten Dezember kamen noch 18 jemenitische Soldaten bei einer Razzia in einem Stammesgebiet um, und die Suche nach versteckten Terroristen musste ergebnislos abgebrochen werden. Jetzt jagen US- und einheimische Sicherheitsfachleute gemeinsam in der jemenitisch-saudischen Wüste Al-Kaida-Anhänger, während vierzig Jugendliche, Angehörige der dortigen Stämme, in Gefängnissen in Sanaa als Geiseln festgehalten werden.[12] So lernen die einheimischen Verfolgungsbehörden, wie rechtsstaatliche Prinzipien mit landesüblichen Traditionen in Einklang gebracht werden, auch wenn dadurch nicht unbedingt die Stabilität im Inneren dieses Staates befördert wird.

Die USA verstehen ihr Hilfsangebot an Saleh selbstverständlich so, dass sie bei der Terroristenjagd das Kommando führen und die jemenitischen Sicherheitsleute den Amerikanern – so gut sie können – zur Hand gehen. Als ungebührlich empfinden sie es hingegen, wenn die einheimischen Verfolgungsbehörden, nach ihren Kriterien entscheiden wollen, wer wie lange in Haft genommen wird und welche taktischen Rücksichten bei der Verfolgungsarbeit auf mögliche Unruhen genommen werden sollen. Exemplarisch führt die CIA Anfang November vor, dass sie im Jemen in Sicherheitsfragen das Sagen hat und über die entsprechenden Mittel verfügt, diesen Anspruch auch durchzusetzen. Von einem unbemannten Flugzeug, einer „Predator“-Drohne, aus wird eine Rakete abgeschossen, die sechs mutmassliche Al-Kaida-Mitglieder in ihrem Auto tötet. Aus „inoffiziellen Kreisen in Washington“ verlautet, der amerikanische Geheimdienst habe den Angriff ausgeführt, um ein gesuchtes Al Kaida-Mitglied, das möglicherweise in den Anschlag auf die USS-Cole (Okt. 2000) verwickelt gewesen ist (Die Welt, 5.11.), zu liquidieren. – Die Botschaft dieser Aktion ist natürlich nicht auf den Jemen beschränkt: Amerika ist bereit und in der Lage, jederzeit und überall zuzuschlagen und seine Feinde zu erledigen.

III. Die Rolle Israels

Partner im Antiterrorkrieg

a) Für die Bush-Administration ist der Staat Israel der einzige Lichtblick im ganzen Nahen Osten: Die „einzige Demokratie“; ein Land, in dem die gleichen Werte hochgehalten werden wie in den Vereinigten Staaten; eine bunte Gesellschaft, in der fromme Jeschiva-Schüler neben elegant gekleideten Yuppies herumlaufen, die „Love-Parade“ genauso etabliert ist wie das Leben in Wehrdörfern und in der jeder Siedler seine eigene Waffe zu Hause hat. Hier ist Platz für Privatinitiative, hier gibt es eine Börse; Pressefreiheit herrscht und die Frauen sind, wenn sie mögen, emanzipiert; ihnen stehen militärische Dienstgrade genauso offen wie politische Ämter. Wenn US-Bürger nach Tel Aviv, Haifa oder Jerusalem fahren, können sie sich wohl fühlen, wie in einem 51. Bundesstaat. Das Wichtigste aber ist, Israels Regierungen sind von je her ohne Einschränkungen pro-amerikanisch. Die „Heimstatt der Juden“ ist – neben Großbritannien – der zuverlässigste Verbündete, den die USA weltweit haben. Diese Nation „kann die Freundschaft der USA niemals verlieren“, hat Bush seinerzeit zu Außenminister Peres gesagt, und gegen üble Nachrede nimmt der Präsident der Vereinigten Staaten Ministerpräsident Scharon jederzeit in Schutz: Er hat sein uneingeschränktes Vertrauen als „Mann des Friedens“, auch und gerade dann, wenn seine Truppen höchst kriegerisch unterwegs sind.

b) Den amerikanischen Präsidenten wundert nicht, dass „das Böse“ sich gerade Israel als „Opfer seines Hasses“ auserwählt hat. Bushs feste Überzeugung ist: Weil dieses Land so ein vorbildliches Gemeinwesen ist, in dem die Menschen auf dem richtigen Wege sind, wird es angefeindet.[13] Darum ist es völlig falsch, wenn in der arabisch-islamischen Welt behauptet wird, der Antizionismus sei eine Reaktion auf den „Staatsterror“ Israels. Solche Behauptungen zeugen nur vom schlechten und gefährlichen Charakter dessen, der sie in die Welt setzt.[14] In Wirklichkeit hat Israel, so Bush, alles getan, um mit den Palästinensern und der arabischen Welt Frieden zu schließen. Arafat ist aber in Camp David nicht bereit gewesen, seine Zustimmung zum Friedensvertrag zu geben, stattdessen hat er die „zweite Intifada“ ausgerufen. Damit ist die Schuldfrage geklärt; die USA stellen sich uneingeschränkt hinter Israel. Feindschaft gegen dieses Land ist endgültig verboten, ist zugleich Auflehnung gegen die Ordnung, die die USA in der Region wollen, also Antiamerikanismus. Der Terror, der Israel zu schaffen macht, ist derselbe, gegen den Amerika zu Felde zieht, und umgekehrt richtet sich der Kampf Israels gegen Terroristen, die letztlich Amerika und all das hassen, wofür es steht und eintritt. Und Arafat hat wegen seiner damaligen Weigerung, sich dem Friedensdiktat Baraks zu beugen, das von Clinton abgesegnet war, sein Recht verwirkt, das palästinensische Volk zu führen. Aus Sicht Washingtons ist und bleibt er für immer „vom Terror belastet“.[15]

c) Vorbei sind damit die Zeiten, in denen US-Präsidenten sich dafür hergegeben haben, zwischen Israel und der palästinensisch/arabischen Seite zu vermitteln, und versuchten, die Völker dadurch auszusöhnen, dass sie einen Kompromiss zwischen ihren jeweiligen nationalen Interessen gesucht haben.[16] Jetzt steht etwas anderes auf der Tagesordnung: Ausmerzung des Antiamerikanismus, einschließlich seiner Unterspielart des Antizionismus. Unabdingbar ist dafür auch eine Strukturveränderung im arabischen Lager, der Umbau der politischen Systeme. Dabei hält Washington einen Regimewechsel im Westjordanland und dem Gazastreifen für vordringlich, damit der „Hauptvorwand“ für den unter Arabern verbreiteten Antiamerikanismus wegfällt: das Leid der Palästinenser. Noch kochen die „korrupten“ arabischen Regime ihr Süppchen auf dem Elend des palästinensischen Volkes. Sie fordern Fortschritte im Friedensprozess, um ihren Einfluss in der Region auszubauen. Sie hetzen ihre Massen gegen Israel auf und machen die USA schlecht, um sich an der Macht zu halten. Washington hat klare Vorstellungen für eine Lösung der Probleme in den besetzten Gebieten: Im Idealfall müsste sich ein palästinensischer (oder sonstiger arabischer) Führer finden, der keinerlei nationale Ambitionen hat, sondern sich nur dafür hergibt, als oberster Sozialarbeiter oder Streetworker im Range eines Präsidenten auf die palästinensischen Massen aufzupassen.[17] Der Bush-Administration ist klar, dass die Realisierung dieses Ideals schwierig ist. Es setzt voraus, dass der antizionistische Wille der Palästinenser gebrochen wird und die Leute reif werden für die Demokratie, wie sie im US-Strategie-Papier steht. Dafür muss die israelische Armee noch eine Weile ihr Bestes geben. Den Segen aus Washington hat sie.

Die Aussicht auf Groß-Israel

a) Ministerpräsident Scharon kann eine stolze Bilanz seiner noch nicht zweijährigen Amtszeit aufstellen: Er hat alle Waffenstillstands- und Friedenspläne (von Mitchell, Tenet, Mubarak, Abdullah, Fischer, Powell/Peres etc.) erfolgreich abgeschmettert. Er hat die zahlreichen Attentate der Palästinenser dazu genutzt, die Bush-Regierung zu überreden, Israel die Lizenz zum israelischen Antiterrorkrieg zu geben und Arafat kalt zu stellen – gegen den Widerstand der Araber, Russen, Chinesen und Europäer, anfangs sogar der Amerikaner selbst. Seiner Armee hat er ständig neue Übergänge bei ihren Einsätzen gestattet, über die sich inzwischen niemand mehr aufregt, der auf der Welt etwas zu sagen hat oder haben möchte. Israels Streitkräfte haben inzwischen mit Ausnahme von Jericho das gesamte Westjordanland und den Gazastreifen mehr oder weniger wieder besetzt. In der Siedlungsfrage hat Scharon von allen israelischen Ministerpräsidenten einen einsamen Rekord aufgestellt; inzwischen leben 220.000 Israeli in 150 Siedlungsgebieten, und die Siedler dürfen nach Kräften immer weitere „Außenposten“ gründen und Palästinenser vertreiben.

Damit hat die Jerusalemer Regierung praktisch klargestellt, was für sie die Teilnahme Israels am globalen Antiterrorkampf bedeutet: nicht irgendeine arbeitsteilige, lokal begrenzte Bekämpfung einer „Spielart des Terrorismus/Antiamerikanismus“, sondern die Durchsetzung ihres eigenen völkisch-nationalen Programms. Ihr geht es um die sukzessive Realisierung des zionistischen Projekts eines Großisrael, eines Territoriums, das „Judäa, Samaria und Teile Galiläas“, den Gazastreifen und den Golan einschließt und ausschließlich im Besitz des jüdischen Volkes ist. Wie weit Israel sich in diesem Programm schon vorgearbeitet hat, zeigt der „auf hohem Niveau“ geführte Streit zwischen „Gemäßigten“ in der Likud-Regierungspartei und den ganz Rechten. Der Bau eines elektronisch gesicherten Absperrungswalls zur Einpferchung der Palästinenser weit jenseits der „Grünen Linie“, kritisieren die „Hardliner“, sei reine Geldverschwendung. Lieber solle man gleich die Aussiedlung dieser ganzen „Terroristen-Brut“ in arabische Nachbarländer in Angriff nehmen; schließlich gehöre sie völkisch gesehen sowieso dort hin.

b) Ariel Scharon hat praktisch durch die Aktionen seiner Armee längst erreicht, dass der ihm immer schon verhasste „Oslo-Prozess“ endgültig gestorben ist und damit auch das Recht der übrigen Weltordnungsmächte, sich immerzu in den nahöstlichen „Friedensprozess“ einzumischen. Nun nimmt der Führer Israels auch den diplomatischen Überbau ins Visier und will sich die ausländischen Nörgler endgültig vom Halse schaffen. Bei den USA läuft er damit offen Türen ein. Für die Bush-Mannschaft war es immer schon eine lästige Hinterlassenschaft der Vorgänger-Regierung, dass Russen, Europäer und UNO für sich in Anspruch nehmen konnten, in die Regelung der Palästinenserfrage einbezogen zu werden. Powell hat in den letzten Monaten „diese Unsitte“ erfolgreich auf den Formalismus von Treffen des sog. Vermittler-„Quartetts“ reduziert. Letztes Überbleibsel dieses diplomatischen Zirkus ist der „Fahrplan für den Frieden“, der bis 2005 die Errichtung eines Palästinenserstaates festschreibt. Dabei sollen drei auf einander aufbauende Phasen durchschritten werden, vom Waffenstillstand angefangen bis zur Implementierung der „Endstatus-Regelung“. Allen Beteiligten ist klar, dass Israel auch diesen Prozess wie jeden derartigen vorher boykottieren wird. Wie immer ist nämlich Ausgangspunkt die vollständige Einstellung der Terrorakte seitens der Palästinenser, ein Zustand, der nicht zu erreichen ist, zumal wenn Israel sich immer neue Provokationen einfallen lässt. Aber um die Umsetzung dieses „Fahrplans“ im Sinne eines ernst zu nehmenden Programms geht es den übrigen Beteiligten auch längst nicht mehr, sondern um einen Rest von Anerkennung ihrer Mitsprache. Die Russen haben deswegen schon den originellen Vorschlag gemacht, nach dem Treffen des Quartetts am 20.12. den „Fahrplan“ in Form einer Sicherheitsrats-Resolution zu verabschieden; was die USA umgehend zurückgewiesen haben. Scharon hat nämlich einen besseren Draht nach Washington. Ihm wird genehmigt, dass Israel seine Stellungnahme zum „Fahrplan“ erst nach den Wahlen am 28. Januar abgeben muss. Weil die israelische Stellungnahme aber Voraussetzung für die endgültige Formulierung des Plans sein soll, ist das Treffen am 20. Dezember eine Farce geworden, es gibt nichts zu beschließen. Und im Frühjahr ist wahrscheinlich ja dann ohnehin Krieg im Irak…[18]

c) Wenn Israel kurz vor dem bevorstehenden dritten Golfkrieg sein Verhältnis zu den USA und seine Stellung innerhalb der Region mit seiner Situation beim letzten Irak-Krieg vergleicht, fällt die Bilanz äußerst positiv aus. 1991 fühlte sich der Hauptverbündete der USA in der Region schwer gedemütigt, weil er von Washington zum Stillhalten verdammt war, obwohl sein Territorium von Saddam Hussein unter schweren Beschuss genommen wurde. Weil die USA die arabischen Staaten in ihre Anti-Irak-Front einbinden wollten, versetzten sie Israel in den Status einer Nation, die mit ihren Nachbarn gleichgestellt ist und zu diesen zumindest eine friedliche Koexistenz zu pflegen hat. Scharon rechnet es sich als sein hohes Verdienst an, diesmal frühzeitig in Washington dafür gesorgt zu haben, dass Israel im Falle eines irakischen Angriffs nicht stillhalten muss, bei einem Angriff mit ABC-Waffen sogar die atomare Option hat. Über einen sonstigen Einsatz der israelischen Militärmacht herrscht offiziell Stillschweigen. Vor einigen Wochen konnte man in den Zeitungen aber von Einsätzen israelischer Spezialagenten lesen, die im Westen des Irak sondieren, wie es mit Saddams Fähigkeiten steht, Israel ernstlich zu bedrohen.

Bei der Kampagne, die die USA mit ihrer Offensive gegen die gesamte arabische Welt eröffnen, mischt Jerusalem nach Kräften mit. Der israelische Geheimdienst, Mossad, beschuldigt Ägypten, Syrien, Libyen etc. – als Sprachrohr dient ihm u.a. „Die Welt“ –, an Atomwaffenprogrammen zu arbeiten und bereits im Besitz anderer Massenvernichtungswaffen sowie von Trägerraketen zu sein. Scharon ermuntert seinen Freund Bush, nach dem Irak sich dringend den Iran vorzunehmen. Wenn sonst schon keine Nation über das Vorgehen der USA beim globalen Antiterrorkrieg mitentscheiden darf, Israel, als Haupt-Mit-Betroffener, traut sich das schon zu. Jerusalem bastelt seit Monaten an Gelegenheiten und Szenarien, im Zuge eines Angriffs auf den Irak selber Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen, etwa gegen den Hizbullah und seine staatlichen Unterstützer, Libanon und Syrien, oder die Gunst der Stunde zu nutzen und die Palästinenser los zu werden.

Die absehbaren Nebenwirkungen

a) Im Hinblick auf diese hoch gesteckten Ziele muss Scharon jedoch eine bittere Erfahrung machen. Wenn die USA den Kampf Israels gegen den Terrorismus als Teil ihres globalen Kriegs bezeichnen, dann ist das zwar eine pauschale Ermächtigung, deren Reichweite die israelische Regierung weitgehend selbst festlegt: Sie tritt ihrerseits genauso auf wie der US-Präsident, droht den Feinden ihres Staates mit totaler Vernichtung, schwört den Mördern von Israelis, wo immer auf der Welt sie sich verstecken, ewige Rache, kündigt den Schurkenstaaten, die Israels Sicherheit bedrohen, die Entwaffnung durch israelische Kampfjets an und beschuldigt nach dem amerikanischen Vorbild, – „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“ – alle Welt des Antisemitismus, soweit sie es an entschiedener Parteinahme für die „Heimstatt der Juden“ fehlen lässt. Die Gleichung geht dann aber doch nicht voll im Sinne Israels auf: Vorläufig zumindest bleibt es dem Staat verwehrt, sein nationales Projekt in der Art, wie die Scharon-Regierung es betreibt, zu Ende zu führen – also vor allem die Widerspenstigkeit der palästinensischen Bewohner des letztlich insgesamt beanspruchten „Heiligen Landes“ so oder so aus der Welt zu schaffen, außerdem dem letzten feindlichen Nachbarn Syrien Israels Abschreckungsmacht unwidersprechlich vor Augen zu führen und überhaupt in der arabischen Welt für bedingungslosen Respekt vor der überlegenen Gewalt des eigenen Militärs zu sorgen. So hat das Kabinett in Jerusalem bereits zweimal Arafats Einkesselung in der Mukataa in Ramallah beschlossen und kurz davor gestanden, ihn außer Landes zu schaffen oder sonst wie los zu werden. Jedes Mal hat Washington interveniert; und für die Pläne eines Transfers der palästinensischen Bevölkerung ins arabische Ausland hat die Regierung noch lange nicht die amerikanische Lizenz. Ähnlich steht es an dem anderen Brennpunkt im Norden: Israel sieht im Streit um das Wasser des Wazzani-Flusses eine Gelegenheit, den Regierungen in Beirut und Damaskus die fällige Lektion über die Machtverhältnisse zu erteilen; Washington verbietet eine militärisch Eskalation und zieht die Entscheidung des Streits an sich. Zur Warnung vor allzu viel Eigenmächtigkeit hat die Bush-Regierung auch schon einige Sicherheitsrats-Resolutionen gegen Israel – nach einer Entschärfung durch den UN-Botschafter Negroponte – durchgehen lassen. Die Gegner Israels merken das natürlich und agieren entsprechend: Weder Assad & Co noch die Palästinenserführung lassen sich in dem Maße einschüchtern und erpressen, wie Scharon es eigentlich will. Die Rolle seiner Armee im bevorstehenden Krieg gegen den Irak wird gerade ausgehandelt – und das nach amerikanischen Vorgaben.

b) Israel wird – so sehen es die dortigen Nationalisten – ständig daran gehindert, seine nationalen Projekte zu Ende zu führen. Das finden sie nicht nur ärgerlich, wenn sie Maß an ihrem Endziel nehmen, sondern auch deswegen, weil die Verzögerung immer neue nationale Anstrengungen und Opfer fordert und das Land zunehmend mehr Schaden nimmt.

– Seit Ausbruch der Al-Aksa-Intifada (September 2000) hat die Armee fast 1700 Palästinenser getötet und Tausende unter Terrorismus-Verdacht festgenommen, die Anschläge nehmen aber zu und nicht ab. Im eigenen Land ist sich kein Israeli seines Lebens sicher, beim Urlaub im Ausland inzwischen auch nicht mehr. Die israelische Schadensbilanz beträgt immerhin über 660 Tote und Tausende Verletzte. Verteidigungsminister Schaul Mofaz verkündet zwar stolz, die Armee operiere „in ganz Judäa und Samaria“ und unterläge keinen Beschränkungen, was die Tiefe und Länge ihrer Aktionen im Autonomiegebiet angehe (Die Welt 23.11.), am gleichen Tag steht aber auch in „Haaretz“: Inoffiziell heißt es, alle Armee-Einheiten sind im Einsatz und mehr Masse sei nicht aufzubieten.

  • Der Krieg im Westjordanland und im Gaza-Streifen, der immerhin schon 26 Monate dauert, hat Israel ökonomisch immens geschädigt. Die Regierung gibt immer mehr Milliarden für Verteidigungszwecke und Sicherheitsmaßnahmen wie z. B. den Bau des Absperrungswalls gegen die Palästinenser aus, gleichzeitig sinkt das Wirtschaftswachstum – nicht nur wegen der allgemeinen Krise, sondern auch weil immer weniger ausländische wie einheimische Kapitalisten und Immobilien-Spekulanten bereit sind, ihr Geld in einem Land zu investieren, das auf absehbare Zeit Notstandsgebiet bzw. Kriegsschauplatz bleiben wird. Die ehemals für die Volkswirtschaft nicht ganz unbedeutende Einkommensquelle Tourismus ist völlig zusammengebrochen. Die Zahl der Arbeitslosen nimmt kontinuierlich zu, die Quote steht im diesem Jahr bei 10,4 Prozent, im Jahr 2000 lag sie noch bei 8,8 Prozent. Hinzu kommen langwierige Streiks, mit denen die Gewerkschaft auf die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten reagiert. Hinzu kommt die Unfähigkeit der Regierung, einen ökonomisch für dringend notwendig erachteten „Sparhaushalt“ zu beschließen, weil politische Mehrheiten nur über finanzielle Zugeständnisse zustande kommen, die gegenüber den Interessen der speziellen Klientel der unterschiedlichen Parteien, der Religiösen, der Siedler, der Einwanderer, der Kinderreichen etc., gemacht werden.
  • Angesichts des Dauer-Terrors im eigenen Land, der Drohung irakischer Angriffe und der permanenten Beanspruchung der wehrfähigen Bevölkerung macht sich die Regierung inzwischen Sorge um die Moral ihrer Landeskinder. Sie braucht zwar weder zu befürchten, dass die früher einmal sehr starke Friedensbewegung wieder machtvoll auflebt, noch dass die Siedler entnervt ihre Vorposten verlassen. Sie beunruhigt aber, wenn angesehene ehemalige Offiziere öffentlich die Besatzungspolitik als „Sackgasse“ kritisieren und mehrere hundert Soldaten sich weigern, in den besetzten Gebieten Dienst zu tun, und lieber in den Knast wandern als die Intifada niederschlagen. Sie beunruhigt ebenfalls, dass die Militanz der Siedler zunimmt und die Übergriffe gegen Palästinenser immer häufiger Formen annehmen, die selbst die israelischen Ordnungskräfte nicht mehr durchgehen lassen wollen. Alarmiert ist Jerusalem vor allem durch den merklichen Rückgang der Zahl der Einwanderer, zumal die Behörden gleichzeitig einen Anstieg der Auswandererzahlen registrieren müssen. Die schwindende Bereitschaft der Juden, in ihrer angestammten Heimstatt leben zu wollen, geht endgültig an die Substanz Israels, das im Zuwachs des jüdischen Volkes ein notwendige Bedingung sieht, sich gegen die arabische Bevölkerung in der Region durchzusetzen.

c) Dennoch sieht die amtierende israelische Führung zur jetzigen Politik keine Alternative, und sie weiß auch, wie sie mit ihren Schwierigkeiten fertig wird; denn Washington lässt seinen treuen Verbündeten nicht im Stich. Im Hinblick auf die gestiegenen Verteidigungskosten findet Scharon wie immer ein offenes Ohr bei Präsident Bush. Die jährliche Militärhilfe ist für das Jahr 2004 noch einmal um 60 Mio. Dollar gegenüber 2003 gesteigert worden und beläuft sich auf 2,16 Mrd. Dollar. Mit diesen Zuschüssen käme Israel freilich höchstens über die Runden, wenn Frieden herrschte. Den laufenden Krieg gegen die Palästinenser und die Vorbereitungen auf den Irakkrieg kann die Regierung damit nicht finanzieren. Scharons Bürochef Weisglass wird also bei Condoleezza Rice vorstellig und erbettelt eine zusätzlich Zahlung von 4 Mrd. Dollar Militärhilfe. Damit ist Israel wieder in der Lage, sich den benötigten Nachschub an Waffen und Munition in den USA einzukaufen. Weil Israel aber auch mit den derzeitigen Einbussen seiner Ökonomie nicht mehr alleine fertig wird, gewährt die Bush-Regierung Jerusalem zusätzlich 10 Mrd. Dollar als Kreditbürgschaft zur Stützung der notleidenden Wirtschaft (Haaretz 25.11.). Die USA stehen also fest zu ihrem Kampfgefährten, wenn er an seinem Frontabschnitt im Krieg gegen den globalen Terrorismus in Bedrängnis gerät. Dafür hat Washington immer ein paar Dollar übrig und auch ein paar lobende Worte, für die Standhaftigkeit, die Tapferkeit und den Opfermut des jüdischen Volkes.

[1] Ganz neu ist dieser Standpunkt nicht: Auch jetzt schon verhängen die USA Boykotts oder setzen den Verlauf von Pipelines nach ihren strategischen Interessen durch. Nur ist das ihnen noch viel zu wenig.

[2] „The National Security Strategy of the United States of America“, September 2002; Übersetzung: Amerika Dienst

[3] Die USA wollen eine Hegemonie über die arabische Welt errichten. Als Auftakt wollen sie den Irak beherrschen. Wenn sie Bagdad unter militärischer Kontrolle haben, werden sie gegen Damaskus und Teheran losschlagen. Sie werden diese Länder zerstückeln und dann auch Saudi-Arabien ernste Schwierigkeiten bereiten. Sie werden versuchen, kleine staatliche Einheiten zu schaffen, die von amerikanischen Marionetten regiert werden. Kein Land wird dann noch größer und stärker sein als Israel. Auf diese Weise gerät das arabische Öl unter amerikanische Kontrolle. Dies alles dient israelischen Interessen. Das Ziel besteht darin, Israel zur regionalen Großmacht werden zu lassen. Das Problem des Irak besteht darin, dass er sich diesen Verschwörungen widersetzt. Und die anderen verstehen nicht, dass wir es sind, die sie verteidigen. (Saddam Hussein in einem Interview mit der ägyptischen Wochenzeitung „Al Usbua“, nach Die Welt, 9.11.)

[4] Ihren Völkern gegenüber verkaufen die arabischen Regierungen ihr Nachgeben als Erfolg. Der syrische Außenminister Al-Scharaa: Die Resolution hat einen unmittelbaren Schlag gegen den Irak gestoppt, aber nur einen unmittelbaren. Amerika kann den Irak jetzt nicht unter der Schirmherrschaft der UNO angreifen, auch wenn die USA natürlich den Irak einseitig – außerhalb internationalen Rechts – angreifen können. Wenn das geschieht, wird die Welt nicht zu den Amerikanern halten. Die USA bekommen es dann aber mit all diesen Demonstranten von Los Angeles bis in den Fernen Osten und in den arabischen Ländern zu tun. (NYT, 11.11.) Die Gefahr ist also nicht gebannt, die USA laufen aber Gefahr, sich weltweit zu isolieren.

[5] Das von den USA aufgestellte Sündenregister des Iran, der zur „Achse des Bösen“ zählt, ist lang – hier Auszüge: Islamistisches Regime; unterdrückt die Redefreiheit und die Frauen; unterstützt Islamisten auswärts, mischt sich in Afghanistan ein; liefert Al-Kaida-Leute nicht den USA aus; versorgt den Hizbullah mit Waffen; hilft Saddam Hussein öfters beim Öl-Schmuggel; bastelt mit Unterstützung Russlands an einen Atomprogramm; besitzt Raketen mit viel zu großer Reichweite; erkennt Israels Existenzrecht nicht an und bezeichnet die USA als „den Großen Satan“.

[6] Genüsslich beobachtet die amerikanische Presse – FAZ und NZZ schließen sich an – die derzeit laufenden Studentenproteste anlässlich des Todesurteils gegen einen frommen Professor, der der Blasphemie beschuldigt wird, weil er die Unfehlbarkeit der Geistlichkeit in Frage gestellt hat. Die Kommentare schwanken zwischen Hoffen, dass es endlich zum ersehnten Aufstand kommt und Bangen, dass die „gemäßigte Regierung“ es doch wieder schafft, die rebellische Jugend zu vereinnahmen.

[7] … die USA trügen die letzte Verantwortung für das Blutvergiessen, weil sie die Israeli bei der Besetzung unterstützten und ihnen die Missachtung von bisher 28 Uno-Resolutionen ermöglichten, welche alle ein Ende der Besetzung und den Abbau der jüdischen Siedlungen verlangten. Das Ministerium bekräftigte die syrische Verfügung, dass die Palästinenser in Damaskus sich auf Informationstätigkeit zu beschränken hätten. Die Geheimdienste haben zweifellos die Mittel, das durchzusetzen. (NZZ, 21.11.)

[8] Zahlen aus Jordan Times, 11.10.

[9] Eine Art Staats-Notstand gibt es in Jordanien schon seit Monaten. König Abdullah hat bereits zweimal die Parlamentswahlen verschoben, weil er befürchtet, dass nur die falschen, die radikalen politischen Kräfte Aufwind erhalten würden. Im April dieses Jahres ist es wegen des rabiaten Vorgehens der israelischen Armee im Westjordanland zu antiisraelischen und antiamerikanischen Ausschreitungen gekommen, die von der Armee und den Polizeikräften brutal niedergeschlagen wurden.

[10] In der Stadt Maan, 215 km südlich von Amman, geschieht ein in dieser Region nicht allzu ungewöhnlicher Vorfall. Ein radikaler Muslim wird bei einer Verkehrskontrolle festgenommen und anschließend von Stammes- und Gesinnungsgenossen wieder befreit. Normalerweise – so die jordanischen Zeitungen – kommt es bei derartigen Zwischenfällen zu Verhandlungen zwischen den Beteiligten unter Vermittlung politischer Autoritäten, bei denen sich eine Lösung findet. In diesem Fall lehnen die Sicherheitskräfte jedoch jegliche Vermittlung ab und veranstalten in der Stadt eine Razzia, die eindeutig Maß am israelischen „Antiterrorkampf“ im Westjordanland nimmt. Von Hubschraubern aus werden die Häuser verdächtiger Personen beschossen, Panzer besetzen die Stadt, die Sicherheitskräfte zünden Häuser von Islamisten an, eine sechstägige Ausgangssperre wird über die Stadt verhängt. Es gibt an die zehn Tote und zig Verletzte, über 130 Personen werden verhaftet, 120 davon wegen Terrorismus angeklagt. Die gesamte Bevölkerung muss ihre Waffen abliefern – einschließlich der Jagdgewehre –; die Lizenzen, die die meisten für ihre Waffen haben, werden für ungültig und die ganze Stadt wird zur waffenfreien Zone erklärt. Eine befriedende Wirkung geht von dieser Aktion nicht aus, die Abschreckung hält nicht lange. Auch 14 Tage nach Beginn der Aktion brechen aus nichtigen Anlässen immer wieder Schießereien aus, verhängt die Armee, die weiter Stellungen in der Stadt besetzt hält, erneut Ausgangssperren und nimmt zusätzliche Verhaftungen vor.

[11] Arabic News, 16.10.

[12] vgl. NZZ, 10.11.

[13] Der Hass einiger weniger macht die Hoffnungen vieler zunichte. Extremistische und terroristische Kräfte versuchen, Fortschritt und Frieden zu zerstören, indem sie Unschuldige töten. Dies wirft einen dunklen Schatten auf die gesamte Region. (Bush, Programmatische Rede zum Nahostkonflikt, 24.6.02, Übersetzung AD)

[14] Das ist genau das Gleiche wie beim Antiamerikanismus. Den gibt es ja bekanntlich auch nicht wegen der Politik Amerikas, sondern deswegen, weil es böse Menschen gibt, die fanatisch menschenverachtenden Ideen anhängen.

[15] Ich kann die große Wut und den Schmerz des israelischen Volks verstehen. Sie haben zu lange mit Angst und Begräbnissen gelebt, mussten Märkte und den öffentlichen Nahverkehr meiden und waren gezwungen, bewaffnete Wachleute in Kindergärten zu postieren. Die palästinensische Autonomiebehörde hat das von Ihnen unterbreitete Angebot abgelehnt und mit den Terroristen Handel getrieben. Sie (die Israelis) haben das Recht auf ein normales Leben, sie haben das Recht auf Sicherheit; und ich bin der festen Überzeugung, dass sie einen reformierten, verantwortungsbewussten palästinensischen Partner zur Erlangung dieser Sicherheit benötigen. (Bush, a.a.O.)

[16] Natürlich immer nach Maßgabe der strategischen Bedürfnisse Amerikas, wonach das Kräfteverhältnis zwischen Israel und den arabischen Ländern eindeutig zugunsten des jüdischen Staates ausfallen musste.

[17] Ich kann die große Wut und die Verzweiflung des palästinensischen Volks verstehen. Jahrzehntelang wurden sie im Nahostkonflikt wie ein Faustpfand behandelt. Ihre Interessen wurden einem umfassenden Friedensabkommen unterworfen, das nie zu kommen scheint, während sich ihre Lebensumstände jedes Jahr verschlechtern. Sie verdienen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Sie verdienen eine offene Gesellschaft und eine prosperierende Wirtschaft. Sie verdienen ein Leben voller Hoffnung für Ihre Kinder… Wenn die Freiheit auf dem steinigen Boden des Westjordanlands und im Gazastreifen gedeihen kann, wird sie Millionen von Männern und Frauen auf der ganzen Welt inspirieren, die der Armut und Unterdrückung ebenso müde sind und denen die Vorteile der demokratischen Regierung ebenso zustehen. (a.a.O.)

[18] Scharon hat sich inzwischen offensichtlich richtig vorgenommen, die Möchtegern-Mitaufsichtsmächte zu demütigen. Deutschland, das sich weigert, am Irak-Krieg teilzunehmen, behelligt er mit seinem Antrag auf Militärhilfe. Jetzt müssen Schröder und Fischer per Lieferung ihrer Patriot-Systeme doch einen Beitrag zum Krieg leisten, weil sie es sich kaum leisten können – angesichts des moralischen Totschlägers, es gehe um den „Schutz jüdischer Menschen“; Deutschlands historische Verantwortung … –, Nein zu sagen. Dass der Antrag auf Überlassung von Truppentransportern innerhalb der deutschen Regierung Unfrieden stiftet, war abzusehen und beabsichtigt.