Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Waffen für Mekka

Die Ankündigung und dann der Abschluss der Vereinbarung über umfangreiche Waffenlieferungen der USA an „gemäßigte“ arabische Staaten im Golf und an Ägypten hat in der hiesigen Öffentlichkeit für ziemliche Aufregung gesorgt. Bis hinein in die Koalitionsregierung werden mehr oder weniger laute Bedenken geäußert: „Präsident Bush verfüge offenbar über die Gabe, in der Außenpolitik immer exakt den falschen Ansatz zu wählen, sagte der Generalsekretär Hubertus Heil am Montag in Berlin. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, sprach von einer Strategie mit hohem Risiko. Wer in einem Pulverfass wie dem Nahen Osten noch weitere explosive Gegenstände hinzufüge, mache die Region nicht sicherer, betonte der CDU-Politiker.“ (NZZ, 31.7.07)

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Waffen für Mekka

Die Ankündigung und dann der Abschluss der Vereinbarung über umfangreiche Waffenlieferungen der USA an „gemäßigte“ arabische Staaten im Golf und an Ägypten hat in der hiesigen Öffentlichkeit für ziemliche Aufregung gesorgt. Bis hinein in die Koalitionsregierung werden mehr oder weniger laute Bedenken geäußert:

„Präsident Bush verfüge offenbar über die Gabe, in der Aussenpolitik immer exakt den falschen Ansatz zu wählen, sagte der Generalsekretär Hubertus Heil am Montag in Berlin. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, sprach von einer Strategie mit hohem Risiko. Wer in einem Pulverfass wie dem Nahen Osten noch weitere explosive Gegenstände hinzufüge, mache die Region nicht sicherer, betonte der CDU-Politiker.“ (NZZ, 31.7.07)
„Zu Recht sehen die USA das Streben des Iran nach Atomwaffen als Problem für die gesamte Region an. Aber mit der Lieferung konventioneller Waffen kann dem nicht entgegengewirkt werden. Zweitens gibt es das Problem der massiven Unterstützung des Iran für Hisbollah und Hamas. Aber gegen Selbstmordattentäter in Israel können konventionelle Waffen in Saudi-Arabien doch gar nichts ausrichten ... Das dritte Problem, das die Amerikaner bedrückt, ist die ideologische Attraktivität des schiitischen Regimes von Mahmud Ahmadinedschad in der Region. Kann man die durch militärische Aufrüstung des wahhabitischen Saudi-Arabien unterminieren? Ich fürchte, nein.“ (Karsten Voigt, im Interview mit der Welt online, 2.8.07)

Dabei fällt auf, dass die Bedenkenträger die mittel- und nahöstlichen Aufrüstungspläne als Mittel für Zwecke verstanden haben wollen, von denen sie immer gleich wissen, dass diese mit den geplanten Waffenlieferungen nicht vorangebracht, vielleicht sogar beschädigt werden. Nur: Wenn sogar deutschen Journalisten und Politikern der zweiten Garnitur auffällt, dass Waffen für die saudische Marine im Persischen Golf weder Saudi-Arabien dazu befähigen, eine Atommacht Iran zu schlagen, noch palästinensische Selbstmordanschläge auf Tel Aviver oder Jerusalemer Einkaufsstraßen oder Pendlerbusse verhindern können, dann läge ja auch der Schluss nicht so fern, dass sie dafür dann wohl auch nicht vorgesehen sind. Aber sie wollen ja sowie nur in der Blamage der US-Politik die Lauterkeit und Berechtigung deutscher Außenpolitik herausstreichen und den Mangel deutschen Einflusses auf die Mitgestaltung des „Broader Middle East“ beklagen. Weil nach diesem Deal Deutschland und Europa noch weniger zu bestellen haben und Alternativen zur amerikanischen Antiterrorpolitik nicht ersichtlich sind und Opposition gegen sie schon gar nicht in Frage kommt, hält sich die verlogene deutsche Kritik im Namen von Frieden und Demokratie auch wieder in Grenzen. In diesem Sinne redet K. Voigt dann doch noch so eine Art Klartext:

„Ich sehe nicht ein, dass wir jeden Schwenk der US-Regierung nachvollziehen müssen ... die Regierung hält sich zu Recht öffentlich mit Kritik zurück. Wir sind kein militärischer Akteur in der Region. Die Entscheidung fällt ja letztlich auch ohne uns, im amerikanischen Kongress. Wir haben kein Interesse daran, dass diese Frage die Beziehungen zusätzlich belastet.“ (Welt online, 2.8.07)

Bleibt also zu klären, womit Saudi-Arabien die Gunst verdient hat, 20 Milliarden Dollar für amerikanische Rüstungsgüter hinblättern zu dürfen und was die Rechnungen der USA dabei sind.

Die USA: ein anspruchsvoller Seniorpartner

Der Überraschungsdeal der USA verdankt sich zunächst einmal einem entschiedenen Beharren auf strategischen Vorhaben in der Region: Die USA halten daran fest, aus dem Irak eine im Innern stabilisierte und von außen anerkannte Festung des Pro-Amerikanismus in der Region zu machen. Dass sie mit diesem Projekt so ihre Schwierigkeiten haben und sie bisher nichts anderes bewirkten als einen Bürgerkrieg, den keiner so nennen will und der alle Funktionen verhindert, die die USA für den Irak vorgesehen hatten, führen die amerikanischen Politiker in unterschiedlichen Mischungsvarianten auf einerseits mangelnde eigene Entschlossenheit, andererseits aber auf die Obstruktionspolitik „bestimmter Kräfte in der Region“ zurück, der endlich ein Ende bereitet gehört. Von allen Staaten in der Region erwarten sie ganz selbstverständlich, dass sie sich für die US-amerikanischen Anliegen im und mit dem Irak hergeben. Auf der von den USA initiierten Irak-Konferenz im ägyptischen Sharam ash-Sheich wird ihnen folgende Tagesordnung aufgemacht: Erstens: Die mit Petrodollars gesegneten Golfstaaten sollen auf ihre Forderungen in Milliardenhöhe gegenüber dem Irak im Prinzip vollständig verzichten.[1] Zweitens: Die sunnitisch beherrschten arabischen Staaten sollen endlich die schiitisch dominierte amerikanische Marionette al Maliki samt seiner Regierung anerkennen. Drittens: Sie sollen alles unternehmen, um die Infiltration des Irak mit sunnitischen Kämpfern und Selbstmordattentätern von ihrem Territorium aus bzw. über ihre Grenzen hinweg zu verhindern.

Das zweite wichtige Anliegen, das die USA im und um den Golf herum verfolgen, ist die forcierte Einschnürung des Iran. Mittels Wirtschaftssanktionen, militärischem Containment und einem anti-iranischen Kriegsbündnis soll die Bemühung dieser Nation, sich mit eigenen strategischen Energie-, Geld- und Machtquellen in der Region zur Vormacht aufzubauen, zunichte gemacht werden. Alle Staaten und insbesondere die arabischen haben sich dieser vorkriegsmäßigen Einhegungspolitik anzuschließen. Irans staatliche und nichtstaatliche Verbündete in der Region – Syrien, Hizbullah, Hamas – sind zu ächten und ihr Einfluss in der Region auszuschalten.

Mit der Lösung ihrer Drangsale behelligen die USA ihre nah- und mittelöstlichen Verbündeten. Dass die von sich aus andere Vorhaben verfolgen, kümmert die USA dabei wenig. Jede Abweichung nationaler Ambitionen von amerikanisch definierten Funktionen müssen sie sich von der Bush-Regierung als mangelnde Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit vorrechnen lassen. Das bekommt allen voran der traditionell wichtigste arabische Verbündete der USA, das Königreich Saudi-Arabien, zu spüren.

Saudi-Arabien: ein schwieriger Verbündeter

Seinen Dollarreichtum und sein Gewicht in der arabischen und islamischen Welt versucht Saudi-Arabien so einzusetzen, dass ihm die Rolle einer anerkannten regionalen und darüber hinaus islamischen Vormacht zuwächst, die sich damit auch größere Freiheiten im Umgang mit amerikanischen Vorgaben verschaffen und umgekehrt darauf bestehen kann, dass ihre eigenen nationalen Ambitionen nicht einfach übergangen werden können, sondern berücksichtigt werden müssen. Und weil nach 17 Jahren schöner neuer Welt die USA soweit sind, dass im Mittleren Osten sowieso keine andere auswärtige Macht außer ihnen bestimmend auftritt, gerät ganz folgerichtig das saudische Aufbruchsprogramm zu einem anti-amerikanischen Daueraffront auf vielen Schauplätzen:

  • Im Irak baut sich Saudi-Arabien in seiner Rolle als Mutterland des Islam, insbesondere in seiner orthodox-sunnitischen Variante, und unter Berufung auf stammesmäßige Verknüpfungen als Schutzpatron der Sunniten-Gemeinde des Irak auf, aus der sich früher die nationale Elite des Irak rekrutiert hat. Wenige Tage vor der amerikanisch initiierten Anrainer-Konferenz verurteilt König Abdullah auf dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga die US-Militärpräsenz im Irak als „illegale ausländische Besetzung“. Auf der Konferenz selber weigert sich der saudische Vertreter, mit der irakischen Delegation überhaupt auch nur zu sprechen. Stattdessen wird offiziell erklärt, die Maliki-Regierung vertrete nicht das Interesse des irakischen Volkes, sondern handle einseitig als Arm der Schiiten, unterstütze die Verfolgung der Sunniten und kooperiere mit Teheran. Auf einen Schuldenerlass lässt man sich nur nach viel Hickhack ein und behält sich dabei vor, die genaue Höhe der aufgelaufenen irakischen Schulden von eigenen Fachleuten noch prüfen zu lassen.
  • In der Palästinenserfrage vermittelt König Abdullah im März 2007 das Mekka-Abkommen zwischen den verfeindeten Fraktionen der Hamas und der von Abbas geführten Fatah, das die Grundlage für die Regierung der nationalen Einheit schafft. Damit unterminiert Saudi-Arabien die US-amerikanischen Bestrebungen, die von Iran unterstützte Hamas zu isolieren und durch die Aufrüstung und Unterstützung der Abbas-Mannschaft fertig zu machen.
  • Im Libanon versucht Saudi-Arabien zusammen mit der Arabischen Liga die Bildung einer Einheitsregierung zu vermitteln, um die Gegensätze zwischen den prowestlichen und antisyrischen Regierungsparteien einerseits und dem Hizbullah und der Mannschaft von General Aoun andererseits nicht zu einem Bürgerkrieg eskalieren zu lassen. Die von Saudi-Arabien ausgerufene Losung lautet explizit: Es muss durch versammelte arabische Anstrengung gelingen, die direkte Einmischung ausländischer (d.h. nicht-arabischer) Kräfte zurückzudrängen. Dazu müssen alle Kräfte im Libanon beitragen. Der von Washington geforderten Politik der einseitigen Verurteilung des Hizbullah entzieht sich Saudi-Arabien nach Kräften: „Wir stehen keiner Kraft im Libanon näher oder ferner als irgendeiner anderen.“
  • Auch zum „Kernpunkt“ des Nahost-Konflikts startet Saudi-Arabien eine eigene politische Initiative: Unter seiner Führung erneuert die Arabische Liga auf ihrem Gipfeltreffen im Frühjahr den schon vor Jahren lancierten „Saudi-Friedensplan“, der Israel die volle diplomatische Anerkennung durch die gesamte Arabische Liga für den Fall in Aussicht stellt, dass Israel seinerseits alle 1967 besetzten Gebiete (Gazastreifen, Westjordanland, Golan) räumt. Auch wenn der Vorschlag einige entscheidende Zugeständnisse enthält – so ist z. B. nicht mehr von einer „Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Häuser“, sondern von einer „gerechten Lösung der Flüchtlingsfrage“ die Rede –, in einem entscheidenden Punkt ist er ganz und gar nicht auf „der Höhe der Zeit“: er macht immer noch die Verbesserung der Beziehungen zu Israel von dessen Zugeständnissen an die arabische Seite abhängig. Wirkliche Friedfertigkeit verlangt andere Fortschritte: Die Wiedereinberufung der Arabischen Liga war ein guter erster Schritt. Jetzt sollten die arabischen Nationen auf dieser Initiative aufbauen – indem sie die Fiktion beenden, Israel existiere nicht, das Schüren von Gewalt in ihren offiziellen Medien unterbinden und Besucher auf Kabinettsebene nach Israel schicken. (Bush, Amerikadienst 16.7.) Die USA bestehen darauf, die Front Araber hie – Israel da aufzulösen und durch die neue Scheidelinie zwischen „extremistischen“ und „gemäßigten“ Kräften zu ersetzen.
  • Und auch die Iran-Politik Saudi-Arabiens lässt aus Sicht Washingtons zu wünschen übrig. Die „Lagebestimmung“, Iran mit seinen Nuklearambitionen zur Gefahr für die gesamte Golfnachbarschaft und die ganze Welt zu erklären, vor der die USA sie schützen müsse, lässt die saudische Führung so nicht gelten. Von Angriffskriegsszenarien, wie sie die Amerikaner zeichnen, distanziert sich die saudische Führung explizit;[2] die eindringlichen Aufrufe an den Iran zur Kooperation mit der „internationalen Staatengemeinschaft“ werden immer mit dem Zusatz versehen, andernfalls würde nur der Präsenz und Dominanz „auswärtiger Kräfte“ im Golf Vorschub geleistet. Auch die an den Iran gerichteten Aufrufe zum Verzicht auf ein militärisches Nuklearprogramm werden nicht ohne den Zusatz abgegeben, der Nahe und Mittlere Osten solle von allen Massenvernichtungswaffen einschließlich der Israels befreit werden. Im Rahmen der OPEC lässt sich Saudi-Arabien schon längst nicht mehr als Gegenspieler gegen den Iran in Beschlag nehmen; neben den offiziellen Dementis, an der Bildung einer Gas-OPEC mit Russland, Qatar, Iran interessiert zu sein, laufen parallel die Sondierungsgespräche. Wenn Saudi-Arabien auf die amerikanische Containment-Politik gegen den Iran eingeht, dann nur deshalb und soweit es den eigenen Ambitionen als Regionalmacht dient.

Die Überzeugungsstrategie der USA: Drohungen und Ausstattung mit Waffen für einen amerikanischen Krieg

Die USA beobachten die saudischen Emanzipationsversuche mit Missfallen. Sie halten die nach 9/11 entwickelten Einmischungstitel und Sanktionsmittel gegenüber Saudi-Arabien weiterhin als Drohung bereit. Gegen Beschwerden der saudischen Behörden, die schikanösen Visa-Praktiken aufzuheben, stellt man sich taub. Vor allem die auf Saudi-Arabiens Verfehlungen spezialisierten Kongressmitglieder erweitern einfallsreich das Sündenregister und mögliche Bestrafungsarsenal. Statistiken, denen zufolge ein Großteil der Selbstmordattentäter im Irak aus Saudi-Arabien kommt, wandern von Ausschuss zu Ausschuss; Zustände im Gastarbeitermilieu müssten eigentlich unter das Sanktionsregime US-amerikanischer Anti-Sklaverei-Gesetze fallen; und die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi bereist das Königreich und nörgelt in einem fort an der Unterdrückung der Frau und anderen wahhabitischen Unsitten herum. So geben die USA den saudischen Herrschern zu verstehen, dass sich die USA jederzeit zu einer härteren Gangart auch gegenüber dem „gemäßigten Regime“ genötigt sehen könnten.

Die diversen Vorstöße der saudischen Diplomatie werden – je nach Opportunität – ausgenutzt und umgelenkt oder schlicht konterkariert. Der amerikanische Botschafter im Libanon sorgt mit viel Überzeugungsarbeit bei Siniora und den Seinen in letzter Minute dafür, dass eine fast geglückte Vermittlung zwischen Mehrheitsparteien und Opposition platzt. Das Mekka-Abkommen wird von den USA schlichtweg abgelehnt – eine palästinensische Regierung mit Hamas-Beteiligung erhält von ihnen ein für alle Mal keine Lizenz zum Staatmachen etc.

Auf dieser Basis macht der amerikanische Pate seinem in die Schranken gewiesenen Schützling ein Angebot, das dieser nicht ablehnen kann. Mit der Eskalation der Feindschaft gegen den Iran, die erkennbar auf die kriegerische Lösung dieses größten Problems der amerikanischen Politik im Mittleren Osten gerichtet ist, produziert Amerika bei der saudischen Herrschaft ein Schutzbedürfnis, das nur es selbst befriedigen kann. Die Saudis mögen diplomatisch noch sehr darauf bestehen, dass sie mit Teheran keine Probleme haben, die nicht auf dem Verhandlungswege lösbar wären, und sie mögen sich vom Iran auch nicht unmittelbar militärisch bedroht sehen. Es hilft ihnen nichts: Sie müssen einsehen, wie sehr sie, ihre Öl- und Gasquellen, -raffinerien und Transportrouten im Fall eines amerikanischen Angriffs ins Visier der iranischen Streitkräfte geraten. Also sind sie genötigt, sich dagegen zu wappnen. Auf diese Weise zwingen die USA ihnen und auch den anderen Ölmonarchien am Golf auf, sich im eigenen Interesse zur Defensivabteilung der amerikanischen Kriegsplanung für den nächsten Golfkrieg zu machen. Dafür werden sie ausgerüstet und entsprechend sieht der „Deal“ dann auch aus.

Erstens handelt es sich bei dieser Militär-„Hilfe“ – das wird im Vergleich mit den Rüstungszusagen für Israel [3] gern übersehen – um ein Geschenk, das die Saudis sich selbst machen müssen: Sie bekommen die Erlaubnis, für diesen Betrag bei amerikanischen Rüstungsfirmen Waffen kaufen zu dürfen. Durch die möglichst exklusive Ausstattung der saudischen Streitkräfte mit amerikanischen Gewaltmitteln vertieft und verbessert sich im übrigen – so die Intention des großzügigen Gebers – automatisch das krisenerprobte ‚special relationship‘.

Zweitens sind die Waffen ihrer Qualität nach auf genau die Dienste zugeschnitten, die die US-Militärplanung für Saudi-Arabien vorgesehen hat. „Smart bombs“ erfordern den Einsatz von Satelliten, die nur die USA haben. Außerdem bestehen die amerikanischen Strategen – israelische Einwendungen berücksichtigend – auf diversen Auflagen, vor allem die Reichweite und Stationierung der Waffen betreffend.[4]

Drittens versichert der amerikanische Verteidigungsminister explizit – und bekräftigt das durch ein entsprechendes Abkommen –, dass die militärstrategische Überlegenheit Israels über alle seine Nachbarn durch die Aufrüstung der Golfstaaten nicht gefährdet wird. Aber auch innerhalb der arabischen Staatenkonkurrenz vermögen die USA keinen Vorteil in einer Beförderung saudischer Überlegenheit zu erkennen. Daher beziehen sie die anderen Golfstaaten in ihren Rüstungsdeal mit ein und schließen ein gesondertes Militärhilfeabkommen mit Ägypten, ihrem anderen großen arabischen „Partner“.

Erste Wirkungen und Reaktionen

Diese Doppelstrategie zur Einhegung und Neuausrichtung ihres großen Verbündeten zeitigt erste Resultate:

  • Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten unterschreiben gegenüber den USA ihr eigenes Schutzbedürfnis – im Hinblick auf etwaige Bedrohungen durch „fremde Mächte“ (Namen werden nicht genannt).
  • Die lange Zeit abgelehnte Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem neuen irakischen Regime erhält Anfang August mit der Verkündung des Rüstungsabkommens neuen Schwung. Die Saudis schicken eine Vorausabteilung nach Bagdad zur Sondierung der Wiedereröffnung ihrer Botschaft.
  • Auch die von den USA geplante Nahost-Konferenz im Herbst halten die Saudis inzwischen für eine überlegenswerte Angelegenheit und kündigen ihre Teilnahme an. Damit würden erstmals seit den Madrider Verhandlungen wieder Vertreter Saudi-Arabiens mit Israel an einem Tisch sitzen. Und das, obwohl die USA alle arabischen Forderungen, die Konferenz betreffend, zurückweisen, auf ihrer eigenen Linie beharren und das „extremistische“ Syrien gar nicht erst einladen wollen.
  • Bei der Ächtung Syriens macht Saudi-Arabien inzwischen Fortschritte: In der libanesischen Regierungskrise fordern sie von der pro-syrischen Opposition mehr Flexibilität und warnen sie, weiter das Hariri-Tribunal zu boykottieren und sich somit zum Handlanger persisch-schiitischer Interessen zu machen.

Ein wenig aufgewärmt mögen die vorher abgekühlten Beziehungen zwischen den USA und dem saudischen Königreich wieder sein, erledigt ist keiner ihrer Streitpunkte. Denn die gegensätzlichen Interessen sind ja nicht aus der Welt, die die Freundschaft dieser beiden Staaten so sehr belasten. Das Ärgernis der Abhängigkeit Saudi-Arabiens von den USA wird durch den Waffen-Deal verstärkt – und unübersehbar ist, wie sehr die Kriegslage in der Region und die Dienstverpflichtung durch die USA die eigenen nationalen Ambitionen beschränkt bzw. zunichte macht. Sich bedingungslos in die US-Kriegs-Politik einreihen zu lassen, kommt nicht in Frage. Zumindest eine gewisse diplomatische Distanz zu den US-Vorhaben muss spürbar bleiben: Abgesehen vom gemeinsamen Communiqué der Außenminister der arabischen Staaten und der USA ist der Waffen-Deal den Saudis keine Regierungsstellungnahme wert; allzu offensichtlich ist nach saudischer Einschätzung der ungleich verteilte Nutzen dieses Geschäfts. Sie wollen sich auch nicht zum Parteigänger der Aufrüstung der Region durch Amerika machen und sich als potenzielles Opfer iranischer Bedrohung darstellen; deshalb überlassen sie es dem ägyptischen Außenminister, sich über die aufgeregte iranische Tonlage überrascht zu geben und die Vorwürfe der Kriegstreiberei zurückzuweisen.

Durch derartige Distanzierungen sieht sich die Bush-Regierung nur wieder in ihrem Urteil bestätigt, wie wenig Verlass ist auf die Bündnistreue ihres „wichtigsten Partners in der Region“. Auch von einem prachtvollen Diner vor einem Haifisch-Aquarium lassen sich Rice und Gates, aber auch die anderen US-Politiker nicht blenden. Gleich nach Abschluss des Abkommens lanciert der amerikanische UN-Botschafter Khalilzad eine Anschuldigung der härteren Art: Saudi-Arabien sei einer der Hauptgründe für die fortgesetzt ungute Lage im Irak; und das politische Establishment in Washington diskutiert, ob Waffengeschäfte mit dem Wahhabitenstaat überhaupt tragbar seien, weil man das Gerät dann gleich der al Kaida in die Hand drücken könne...

Die Weltmacht ist sich jedenfalls sicher, dass auch die jüngsten Erfolge bei der Zurichtung ihres großen arabischen Verbündeten auf die anstehenden Kriegs- und Quasikriegsaufgaben kein bisschen Kontrolle und Erpressung überflüssig machen.

[1] Ein Großteil der Forderungen stammt übrigens noch aus der Zeit des ersten Golfkrieges in den 80er Jahren, als der Irak sich bei den Golfstaaten verschuldete, um sich mit amerikanischen, sowjetischen, französischen und britischen Waffen für den Krieg gegen den Iran einzudecken.

[2] Der Prinz antwortete auf die Frage, wie er im Falle eines Kriegs die Möglichkeit iranischer Angriffe auf die Golfstaaten beurteile: ‚Von so einem Vorhaben habe ich nichts gehört ... aber es ist unangemessen.‘ (AN, 1.4.)

[3] Die 30 Mrd.-Dollar-Zusage an Israel ist erstens eine finanzielle Zuwendung, von denen die Israelis zweitens im Unterschied zu allen anderen Empfängern von US-Militärhilfe ca. 25 % für Investitionen in die eigene nationale Rüstungsindustrie und -forschung verwenden dürfen.

[4] Laut New York Times und Washington Post soll die vorgeschlagene Lieferung hochentwickelter Waffen für Saudi-Arabien schließlich insgesamt 20 Mrd. $ betragen. Wie gemeldet gehören Luft-Luft-Raketen, JDAM (Joint Direct Attack Munition = Nachrüstung von ungelenkten Fliegerbomben zu smart bombs), die Nachrüstung von Kampfflugzeugen und Kampfschiffe dazu. Israel und seine Anhänger im Kongress haben dagegen Bedenken angemeldet... Neben der Aufstockung der Militärhilfe für Israel bittet das Pentagon die Saudis Beschränkungen zu akzeptieren bezüglich der Reichweite, des Formats und der Dislozierung der Satelliten-gelenkten Waffen, einschließlich der Verpflichtung, die Waffen nicht auf Luftwaffenstützpunkten in der Nähe des israelischen Gebiets zu lagern, sagten die Regierungsvertreter. (Haaretz, 29.7.)