Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Was das tapfere Volk von Birma nach deutschen Pressemitteilungen dringend braucht:
Verschärfte Sanktionen, eine Safran-Revolution – oder einen Aufstand von außen?

Wenn es in Birma nach Auskunft der seriösen Presse um „viel“ geht, dann ist auch schnell klar, was das alles ihre Leser angeht: Schließlich sind sie Bürger eines Staates, der seinen Reichtum und seine Macht weltweit vermehrt und dafür nicht nur seine heimischen, sondern die Quellen des ganzen Globus benutzt. Das soll sie alle zu kleinen, national parteilichen „Geostrategen“ machen, die die entsprechenden weltumspannenden Kalkulationen nicht kalt lassen können. Schon gleich nicht, wenn da aufstrebende Länder im Spiel sind, die es in der Konkurrenz der Staatenwelt schon so weit gebracht haben, dass sie den etablierten Staaten die uneingeschränkte Verfügung über den Erdball streitig machen: Indien! China!!

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Was das tapfere Volk von Birma nach deutschen Pressemitteilungen dringend braucht:
Verschärfte Sanktionen, eine Safran-Revolution – oder einen Aufstand von außen

Worum es dort hinten geht, wenn Massen gegen die örtliche Herrschaft demonstrieren und das Militär zuschlägt, das weiß ein Leser sofort, wenn er, angeleitet von der Süddeutschen Zeitung, Erdkunde treibt und einfach einmal hinschaut, wo dieses sonst eher unauffällige Land mit den verschiedenen Namen eigentlich liegt:

„Es geht hier um viel. Schon ein schneller Blick auf die Landkarte klärt einiges. Wie ein Keil schiebt sich Birma zwischen Indien und China ... Birma liegt mittendrin in einem geostrategischen Spannungsfeld, vielleicht dem größten der nächsten Jahrzehnte. Und es hat Ressourcen, nach denen es viele gelüstet: Öl und Gas.“ (SZ, 28.9.07)

Wenn es dort nach Auskunft der seriösen Presse um viel geht, dann ist auch schnell klar, was das ihre Leser angeht: Schließlich sind sie Bürger eines Staates, der seinen Reichtum und seine Macht weltweit vermehrt und dafür nicht nur seine heimischen, sondern die Quellen des ganzen Globus benutzt. Das soll sie alle zu kleinen, national parteilichen Geostrategen machen, die die entsprechenden weltumspannenden Kalkulationen nicht kalt lassen können. Schon gleich nicht, wenn da aufstrebende Länder im Spiel sind, die es in der Konkurrenz der Staatenwelt schon so weit gebracht haben, dass sie den etablierten Staaten die uneingeschränkte Verfügung über den Erdball streitig machen: Indien! China!! Mittendrin zwischen deren gegensätzlichen Interessen liegt Birma, das auch noch über Ressourcen verfügt, auf die „viele“ scharf sind, die Öl und Gas für die kostengünstige Versorgung ihrer nationalen Wirtschaft brauchen können. Der angesprochene Leser als Bürger des freien Abendlandes ist da leider, ganz anders als der Chinese und der Inder, in Gestalt seiner vertretungsbefugten nationalen Instanzen gar nicht mittendrin und noch nicht einmal dabei, sondern einfach nur außen vor. Das regierende Militär in Birma hat nämlich das schöne und fruchtbare Land über die Jahrzehnte abgeschottet und heruntergewirtschaftet. (SZ, 25.9.)

Die Öffnung auch dieses schönen Landes zum Zwecke seiner Teilhabe am weltweiten Wirtschaftswachstum steht schon lange auf der Agenda der etablierten Weltwirtschaftsmächte. An entsprechenden Zurechtweisungen und damit verbundenem praktischem Druck fehlt es seit langem nicht:

„An Kritik aus dem Westen mangelte es nie, auch nicht an Wirtschaftssanktionen. Doch das Regime hat starke Alternativen zu Europa und den USA. Seit einigen Jahren buhlen zwei aufstrebende Großmächte um die Gunst der Generäle, ohne sich mit politischer Korrektheit aufzuhalten: China und Indien.“ (SZ, 25.9.)

Kein Wunder also, dass die Drohungen und Erpressungen, die an das Nutzenkalkül der Herrscher appellieren, bislang nichts gefruchtet haben. Die zwei gewichtigen Konkurrenten vor Ort machen dicke Geschäfte mit dem Regime, benutzen das Land für sich und sorgen so dafür, dass die Generäle es sich weiter leisten können, die führenden Nationen des Welthandels mit ihrem freiheitlichen Geschäftssinn von der Benutzung des örtlichen Reichtums auszuschließen und sich von Sanktionen unbeeindruckt zu geben. Das gehört sich nicht, da ist sich die Presse einig mit den Herren der freien Welt. Auch dort geschäftlich und politisch eingemischt zu sein, steht dem Westen einfach zu. Die Hartnäckigkeit, mit der die Generäle mit ihrem Land eigene Ziele verfolgen, die nicht mit westlichen Vorstellungen von gutem Regieren zusammenfallen, widerspricht aber nicht einfach nur westlichen Interessen, sondern ist ein Verstoß gegen political correctness. Europa und die USA bestimmen selbstverständlich, worin die besteht, weshalb also ein Leser sich nicht die Mühe zu machen braucht, imperialistisches Interesse, internationale Rechtsansprüche und politische Moral zu unterscheiden, ganz so, wie es auch die berichtenden Journalisten halten. Letztere nehmen die Lage zum Anlass, im Namen der Werte aller zivilisierten Nationen, die selbstlos im Dienst der (Welt)Ordnung unterwegs sind und sich global mit der Durchsetzung von politisch korrektem Regieren aufhalten müssen, an jene anderen Staaten ein ernstes Wort zu richten, die sich in der Angelegenheit nicht so skrupulös benehmen, wie es sich gehört:

„Wer in Birma Geschäfte macht, der füllt die Kassen des Militärs und fördert mit seinen Devisen nicht nur ein brutales Regime, sondern unterstützt damit auch die systematische Verletzung von Menschenrechten.“ (SZ, 28.9.)

Wer in Birma hilft, das Militär an der Macht zu halten, der muss sich vorhalten lassen, das natürliche Recht der Birmanen auf Kontakte mit den Merkels, Bushs und Sarkozys dieser Welt und ihrer tüchtigen Unternehmerschaft zu verletzen. Unter den einschlägig bekannten, gewissenlosen Geschäftemachern fällt China besonders störend auf: Es nützt die Lage, in die die Sanktionen des Westens das Land gebracht haben, schamlos für sich aus und lässt sich die Hilfeleistung am Durchhaltewillen des Regimes mit besonderen Konditionen entgelten. Hier wird in einem Ausmaß geplündert und unterjocht, dass man sich fragt, wieso diese sonst so störrisch auf ihre nationale Eigenständigkeit und die korrupte Aneignung des nationalen Reichtums bedachten birmanischen Generäle sich das alles von den Chinesen gefallen lassen:

„Das Land wird von China extrem ausgebeutet, es ist quasi zu einer chinesischen Provinz verkommen.“ (faz.net.de, 27.9.)

Aber wie auch immer: Ein Regime, das gleich zwei Todsünden begeht, den Westen auszusperren und sich auch noch einem ungeliebten Konkurrenten an den Hals zu werfen, verdient keinerlei Achtung, sondern Ächtung. Und die herrschenden Militärs sind Staatskriminelle und irgendwie Verrückte, die nicht als Partner behandelt werden dürfen, sondern beseitigt gehören.

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Das der Anschauung des Lesers zugänglich zu machen, dass die Generäle weg müssen, nicht weil das der Westen so beschlossen hat, sondern weil sie Unholde sind, dazu sehen sich die Berichterstatter gefordert. Die Schilderung der Eigenschaften der Machthaber selbst liest sich dann auch wie eine einzige Krankenakte über geistige und charakterliche Abirrungen. Und Journalisten entnehmen den genüsslich bis ins Detail ausgemalten Formen, wie das Regime mit Mensch und Material umgeht, ganz unparteilich genau das Unrecht, um dessen Bebilderung willen sie diese Gemeinheiten und Ekelhaftigkeiten vorstellig machen. Denn bei dem Urteil, ob ein Führer bei seinem Umgang mit denen, über die er Macht ausübt, die Herrschaft des Rechts wahrt oder Unrecht begeht, bewährt sich ein Verstand, dem parteiliche Betrachtung gewohnte Übung ist. Die Brutalität, mit der in manchen Ländern für Ruhe gesorgt wird, ist deswegen vor allem danach zu beurteilen, wer sie anwendet. Deshalb ist es demokratischen Politikern wie Journalisten so geläufig, dass manche ihrer politischen Freunde in den weniger entwickelten Gegenden der Welt ihre schweren Ämter nicht immer mit dem lokalen Grundgesetz unter dem Arm ausfüllen können. Sie sollten nur nach jedem Staatsstreich schnell wieder auf dem Weg zu den nächsten Wahlen sein, die gefälligst sie oder andere verlässliche Kräfte gewinnen sollten, damit auf keinen Fall antiwestliche Parteiungen die Oberhand gewinnen. Und jede Massenverhaftung, Folterarie oder ein lokales Massaker sollte schon in einem erkennbaren Funktionszusammenhang mit der Bekämpfung von Bestrebungen stehen, die man auch hierzulande nicht leiden kann. Ob also Machthaber wie die thailändischen Militärdiktatoren, der pakistanische Präsidentengeneral oder die saudische Prinzengarde ihre Gewalt in den Dienst der freiheitlichen Weltordnung stellen oder sie für nicht lizenzierte nationale Sonderwege nützen, danach entscheidet sich die Frage, ob es sich bei diesen Figuren um Schurken oder respektable Staatsmänner handelt und ob man ihre landesüblichen Regierungstechniken von Putsch bis Wahlfälschung anerkennen oder sie ihnen prinzipiell übel nehmen muss.

Im Fall der birmanischen Herrschaft ist eindeutig letzteres angesagt. Und Birmas Befreiung von der Zwangsherrschaft ist nicht nur weltpolitische Aufgabe der Ordnungsmächte, sondern das ureigenste Interesse der wackeren Leute in ihren langen Wickelröcken. Denn die dürsten danach, heim ins Reich der Freiheit geholt zu werden. Für diese Entdeckung bräuchte ein Leser, wäre er denn vor Ort – die Parteilichkeit schärft nicht nur den Verstand, sondern auch die Sinne –, einfach nur wachen Auges hinzuschauen:

„So wie Burma ist in der Tat kein anderes Land auf dieser Welt derart aus der Zeit gefallen und in einer rückständigen Armut befangen, die nur Naivlinge für eine Idylle halten können. Dass sie erzwungen ist um den Preis einer absurden Diktatur, erschließt sich jedem, der seine sieben Sinne beisammen hat.“

Dass immer und überall der Sturz der Diktatoren das Anliegen der tapferen Burmesen ist, sieht jeder, auch wenn er es nicht sieht: Sie lassen sich nämlich durch keinen noch so großen Zwang davon abhalten, jedem der wenigen zehntausend Touristen, die sich im Land verlieren, versteckte Zeichen (zu geben). Sei es in der Hauptstadt Rangun, auf einem Dorfmarkt, auf dem sagenhaften Tempelfeld von Bagan. (faz.net. de, 2.10.)

Kein Wunder. Ihre Armut unterscheidet sich zwar nicht von der ziemlich vieler Menschen auf dieser schönen Welt. Dem feinfühligen Unterscheidungsvermögen von Journalisten erschließt sich aber durchaus ein Unterschied, der ihre Armut erst richtig unerträglich macht: Sie ist erzwungen. Was man auch daran sieht, dass den Betroffenen nichts Vernünftiges dafür geboten wird. Wirtschaftswachstum zum Beispiel. Armut in Birma ist so gesehen ein einziger Aufruf zum Systemwechsel – und der ist die Sozialleistung für die Bevölkerung, derer sie am dringendsten bedarf.

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Das Dringen auf Öffnung ist also nicht nur ein Auftrag, der den Westen direkt aus dem Himmel der Menschenrechte ereilt. Sondern auch einer, der von den Menschen vor Ort erteilt wird. Auch die wollen, dass endlich dem Recht zum Durchbruch verholfen wird. Und jetzt nicht nur versteckt, sondern offen:

„Das erklärte Ziel der Mönche ist es ..., die ‚teuflischen militärischen Despoten‘ zu Fall zu bringen: ‚Sie lassen unser Volk verelenden‘, heißt es in einer Verlautbarung der All Burma Monks Alliance.“ (SZ, 24.9.)

Das passt. Denn die kämpfen für die Werte, die ihnen die Auswärtigen Ämter der freien Welt schon lange bringen wollen:

„Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, man beobachte die Lage mit großer Aufmerksamkeit und empfinde ‚Sympathie‘ für die friedlichen Demonstranten. Die amerikanische Außenministerin Rice sagte: ‚Das birmanische Volk verdient Besseres. Es verdient das Recht, in Freiheit zu leben, so wie jeder das tut‘.“ (www.faz.net.de, 27.09.)

Dementsprechend ist die Berichterstattung über die Ereignisse: Die Demonstranten verdienen Sympathie. Keine durchgeknallten Chaoten, die nicht wissen, was für sie das Beste ist, sondern ernsthafte junge Menschen, die das Gute für die ihnen von Buddha Anvertrauten wollen, für die sie stellvertretend die Betstätten verlassen haben und auf die Straße gegangen sind. „Unsere“ Gefühle gehören ihnen, nicht weil sie nützliche Idioten westlicher Interessen sind, sondern weil sie das für die Menschen da hinten wollen, was diese als gutes Volk einfach verdient haben: Freiheit und wirtschaftliche Entwicklung und was Menschen sonst noch so an Rechten zusteht.

„Sie marschieren still in ihren safranroten Roben, die Hände zum Gebet gefaltet, ... junge buddhistische Mönche mit ernster entschlossener Miene“ (SZ, 22./23.09.)

Ihre Safran-Revolution gehört zu den Revolutionen, für die „wir“ ein Herz haben, wie für die orangefarbige der Brüder und Schwestern in der Ukraine, die Rosen-Revolution in Georgien, oder die famose Zedern-Revolution im Libanon. In all diesen Fällen stehen revolutionäre Umtriebe, die in der Heimat der sympathisierenden Berichterstatter polizeilich so streng verboten sind wie in den anderen Staatswesen der Welt, für ein anerkennenswertes Engagement für Recht und Ordnung, auch wenn und gerade weil die friedlichen Putschisten mit ihren Protestmärschen das öffentliche Leben lahm legen, die Leute auffordern, ihren Herren den staatsbürgerlichen Gehorsam zu verweigern, und so einem uneinsichtigen Regime das Lebenslicht ausblasen wollen.

Hier schreitet die religiöse Elite der Nation, ausführlich dargestellt in westlichem Bild und Funk, zu einem fundamentalistischen Protest, weil sie durch die Verarmung der Bevölkerung religiöse Werte verletzt sieht. Denn wenn diese Geistlichen sich beschweren, dann darüber, dass die Menschen sich selber kaum ernähren können, geschweige denn, etwas abgeben. (SZ, ebd.) Die Mönche sind der Auffassung, dass die Not inzwischen so groß ist, dass die Menschen nicht einmal mehr in der Lage sind, ihre fromme Gesinnung zu praktizieren. Das ist der Fall, in dem auch für einen birmanischen Seel-Sorger die kritische Grenze erreicht ist, bei der die Armut der ihnen anvertrauten Schäflein von Genügsamkeit und Bescheidenheit in Elend um- und die Uhr dreizehn schlägt. Das finden die demokratischen Chronisten auch und wollen in Birma im Aufruhr der Mönche nicht Fanatiker des Seelenheils entdeckt haben, sondern, in scharfem Kontrast zum Feindbild der Juntageneräle, das Freundbild der safranfarbigen Edeldemokraten hochleben lassen, die, egal, was in ihren buddhistischen Köpfen wirklich vorgeht, für „uns“ jedenfalls gegen den Zwang und für den Wunsch des Volkes nach Freiheit und Demokratie aufstehen.

Doch nicht nur die sympathischen Stellvertreter Buddhas auf Erden stehen dafür, dass die westlichen Freiheitswerte in Birma eigentlich fest verankert sind und nur durch die unnatürliche Herrschaft der Generäle an ihrer Entfaltung gehindert werden. Gewähr dafür bietet auch die eigentliche und legitime Herrscherin Birmas, die dort seit langem auf ihre Stunde wartet. Die Mönche marschieren nicht nur gegen die Generäle, sondern zugleich für die Siegerin der letzten Wahlen von 1990, die Führerin der demokratischen Opposition, die von den Generälen unter Verschluss gehalten wird. Seit 1988 steht Aung San Suu Kyi an der Spitze der Demokratiebewegung. Die Parlamentswahlen 1990 endeten für sie „mit einem triumphalen Wahlsieg. Die Generäle ignorierten das Ergebnis jedoch.“ Demgegenüber bestand die Wahlsiegerin eisern darauf, dass es ihr zustehe, Gewalt über Land und Leute auszuüben. So eine Hingabe an diese edle Aufgabe kann ihr nicht hoch genug angerechnet werden: Für dieses Land Birma ist ihr offenbar kein Opfer zu groß. Tapfer erträgt sie ihren jahrelangen Arrest, weil sie einfach nicht regieren darf in Birma. Dafür wurde die Ikone des westlichen – also allgemein menschlichen – Freiheitsdrangs bereits vor Jahren mit dem Höchstpreis für überzeugende Verwendbarkeit im Dienste der Ideale kapitalistischer Geschäftsfreiheit und gutbürgerlicher Herrschaftsformen geehrt: Die Welt hat sie dafür, wenn sie schon sonst nichts tun konnte, mit dem Friedensnobelpreis belohnt. (SZ, 25.9.) Was, nebenbei bemerkt, eine allzu bescheidene Auskunft darüber ist, was die Welt so alles tun kann. Zu einigen Sanktionen für Frau Suu Kyi und gegen das Land, das man sie partout nicht regieren lässt, hat es dann doch noch gereicht. Dass sie den Preis verdient hat, als Pfahl im Fleisch der Diktatoren und als Figur, die dem Anspruch des Westens auf Birma gegen die Herrschaft der Despoten vor Ort Gesicht und Gestalt gibt, steht außer Zweifel. Da trifft es sich gut, wenn die ideelle Filialleiterin des Westens vor Ort – ungeachtet dessen, was sie selbst für Vorstellungen über eine neue Staatsräson Birmas haben mag – auch die verehrungswürdige Lady für die freiheitsliebenden Betbrüder im Lande ist.

Die Mönche als frei interpretierter Ausdruck des volkstümlichen Wunsches nach einer besseren Obrigkeit und eine märtyrerhafte Herrscherin im Wartestand – eine bessere Legitimation für den Beschluss des Westens, dass das Regime überfällig ist, kann es eigentlich nicht geben. In dem Sinne wird der Aufstand der Mönche ausgemalt als Speerspitze einer Zivilgesellschaft mit dem unbändigen Begehren, endlich demokratisch beherrscht zu werden. Ein ideales Szenario, das Hoffnungen weckt.

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Nach tagelangen landesweiten Protesten spitzt sich der Ausnahmezustand zu:

„Dämmert die Macht der Junta? Verliert sie tatsächlich die Kontrolle über die Massen? ... Mehr als 400 000 Geistliche zählt der buddhistische Klerus Birmas. Etwa gleich viele Soldaten hat die Armee. Es sind dies die beiden einzigen stabilen Institutionen im Land. Ein Showdown zwischen der militärischen und der religiösen Macht auf den Straßen Ranguns – das hätte noch vor kurzem niemand für möglich gehalten.“ (SZ, 25.9.)

Der Wunsch des Westens, die Junta klein zu kriegen, könnte angesichts des High Noon in Rangun also ganz unerwartet in Erfüllung gehen. Es gilt, die Erfolgsaussichten abzuwägen: Gleiche Zahl von Geistlichen und Soldaten, andererseits Ungleichheit der Mittel, aber wenn das Volk mitmachen würde... Sehen die Generäle ein, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als zu verhandeln? (SZ, 24.9.) Erfreuliche Aussichten auf einen Regimewechsel in Birma. Da war es umso ernüchternder, als die Bilder der Gewalt auf den Straßen Ranguns vom Scheitern des Aufstandes kündeten. Die Generäle haben einen Volksaufstand in wenigen Tagen niedergeschlagen, und es ist ihnen sogar gelungen, dies auf eine für ihre Verhältnisse geradezu sanfte Art zu tun. (SZ, 2./3.10.) Das darf aber niemanden darüber hinwegtäuschen, dass die Herrscher weiter auf der Abschussliste stehen.

„Auch wenn die Mönche aus Ranguns Straßen verschwunden sind und das Blut vom Regen fortgewaschen wurde: Die Revolution in Birma ist nicht vorüber – sie hat gerade erst begonnen ... Denn auf die Unruhen im Land muss jetzt der Aufstand von außen erfolgen. Jetzt müssen die Nachbarn und die Ordnungsmächte der Welt eingreifen.“ (SZ, 6./7.10.)

Die öffentlichen Beobachter der birmanischen Szene haben der Lage, bei allem Hin und Her zwischen Hoffen und Bangen, offenbar eine eindeutige Botschaft abgelauscht: Einen Aufruf zur Intervention von außen im Namen der unterdrückten Massen. Zu einer Intervention, die an Stelle der Massen, weil die ihn gegen die Übermacht der Armee nicht hinkriegen, deren Aufstand machen soll, eben den fälligen Aufstand von außen! So kann man auch ausdrücken, dass man die Unruhen in dem armen Land für ein ausgesprochen gefundenes Fressen vom Standpunkt westlicher Ordnungsbedürfnisse hält, wozu also der Aufruhr unter deren Gesichtspunkten gut ist: Als Berechtigungstitel für den machtvollen Eingriff interessierter imperialistischer Mächte, deren Zuschlagen vom Kosovo über Afghanistan bis Birma sich unter Zustimmung und Mithilfe der Öffentlichkeit gerne auch einmal mit dem Ethos des Aufstandes von unten schmückt, wenn das zu haben ist. Früher hatte man sich noch gedacht, bei Aufständen stünden Leute für ihre Interessen gegen ihre Obrigkeit auf. Heute lernt man, dass der moderne Imperialismus, wenn er ihm missliebige Herrschaften wegputzt, es sich schuldig ist, das stellvertretend für mindestens eine unterdrückte Völkerschaft zu erledigen. Das sieht sehr gut aus, verschafft der Einmischung von außen unter dem Banner der Revolte erhöhte Sympathiewerte und macht die Aufständischen im Lande gleich zur fünften Kolonne einer allfälligen Intervention. So leisten die Unterdrückten durch ihr Aufbegehren einen Beitrag zur Lösung unserer Probleme mit der Regierung des Landes, und es kommt wieder einmal zusammen, was zusammen gehört: journalistisches Mitgefühl mit den Geknechteten dieser Erde und imperialistisches Interesse.

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Im weiteren Fortgang zeigt sich leider: Die tapferen Birmanen sind fürs erste unterlegen und die internationalen Mächte der Freiheit haben den Aufruf der Öffentlichkeit zum Aufstand von außen nicht erhört. Derzeit wird nicht einmal im Westen ernsthaft erwogen, militärisch in Burma einzugreifen. (www.faz.net.de vom 01.10.)

Nachdem also aus dem großen Aufräumen im Land der Pagoden erst einmal nichts wird, die Zeit der Feindbildpflege und der Kriegshetze also zunächst vorbei ist, schreitet die Presse fort zu dem, was aktuell in der Sache ansteht: Zur kritischen Politikberatung. Die dazu Berufenen sollten die Ereignisse als Ansporn begreifen, den eingeschlagenen Weg von Druck und Erpressung fortzusetzen, es dabei allerdings besser zu machen als zuvor:

„Isoliert wird Birma vom Westen, vor allem von den USA. Sie wollen mit Sanktionen das Land von seinen Lebensadern abschneiden und hoffen so auf den inneren Kollaps. Diese Strategie ist falsch. Sanktionen bleiben nutzlos, wenn es sich nur um westliche Sanktionen handelt.“

Die Freunde des birmanischen Volkes nehmen sich in aller Gemütsruhe die Freiheit abzuwägen, wie man denn nun endlich seine Versorgung nachhaltig abwürgen könnte, wie das Land denn nun am wirkungsvollsten fertig zu machen und endgültig in den Kollaps zu treiben wäre. Den USA können die Weltdiplomaten in den Redaktionsstuben den Vorwurf nicht ersparen, dass, so wie sie es anpacken, der Nutzen der Sanktionen ausbleibt. Und von den Kommandohöhen ihrer Schreibtische haben sie auch bereits entdeckt, dass die Niederwerfung der birmanischen Regierung von den USA einfach diplomatisch nicht großräumig genug angelegt ist, wenn sie schon nicht militärisch eingreifen wollen: Sie müssen dringend den Chinesen beibiegen, dass die mit den USA zu einer gemeinsamen Politik finden müssen. Und:

„Der richtige Ort dafür ist der UN-Sicherheitsrat, der im Fall Birma das erste konstruktive Zusammenspiel zwischen China und den USA erleben muss.“

Ja wenn er’s denn erleben muss, der UN-Sicherheitsrat. Hoffentlich liest der auch Zeitung.