Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Haufenweise Enthüllungen über das „Raubgold der Nazis“ – und ein paar unveröffentlichte Schlussfolgerungen

Was jetzt herauskommt: Die Nazis waren auf ihre Art unverwüstliche Marktwirtschaftler und wurden von den anderen Staaten bis in die Weltkriegs-Eskalation hinein als politisch normaler Staat behandelt. Was Patrioten dem entnehmen: Die Einzigartigkeit deutscher Kollektivschuld ist relativiert und dies begründet das Recht auf einen moralischen Lastenausgleich.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Haufenweise Enthüllungen über das „Raubgold der Nazis“ – und ein paar unveröffentlichte Schlußfolgerungen

Gute Deutsche haben es ja immer schon gewußt. Jetzt ist es endlich weltöffentlich aktenkundig, von internationalen Kommissionen zweifelsfrei ermittelt und festgestellt: „Die andern“, die neutralen und feindlichen Zeitgenossen des Dritten Reiches, waren „auch nicht besser“ – nämlich als Hitlers besiegte und anschließend auch noch moralisch so bitter gedemütigte Untertanen und Gefolgsleute samt Kindern und sonstigen Rechtsnachfolgern. Jetzt endlich, seit die USA angefangen haben, die Schweiz als geldgierigen Geschäftspartner der Nazis zu outen und dem Verbleib des hitlerdeutschen Staatsschatzes nachzuspüren, kommt alles heraus.

Was eigentlich?

In der Sache Folgendes: Der nationalsozialistische Staat hat sich mit allen Mitteln Gold verschafft – um es wieder auszugeben; für seinen Kriegsbedarf nämlich, den er aus eigener Produktion schlecht oder gar nicht zu decken vermochte, für den er am Weltmarkt aber interessierte Anbieter fand. An beflissenen kapitalistischen Dienstleistern für die nötigen Finanztransaktionen hat es auch nicht gefehlt. Und für die Erträge haben nicht bloß private Geschäftsbanken, sondern auch neutrale und Siegerstaaten am Ende schon wieder eine zweckdienliche Verwendung gehabt. Viel Lärm also – um reichlich banale „Enthüllungen“:

  • Die Nazis waren auf ihre Art unverwüstliche Marktwirtschaftler. Sie haben gewußt und sich danach gerichtet, daß in der modernen Staatenwelt ohne Geld gar nichts geht, mit Geld alles. Und während sie intern die Kreditwirtschaft enorm in Schwung gebracht haben, war ihnen – zu ihrer Zeit ganz sachgerecht – das Edelmetall als letztgültiges internationales Zahlungsmittel geläufig. Auch im Krieg sind sie von den Grundsätzen des ehrbaren Handels nicht abgerückt und haben für empfangene Ware bezahlt; folglich hat auch die Welt des ehrbaren Handels sie nicht im Stich gelassen.
  • Bei der Goldbeschaffung, immerhin, sollen sie verbotene Wege gegangen sein, „haufenweise Gold zusammengestohlen“ (Der Spiegel), „Raubzüge“ in die Tresore der Nationalbanken unterworfener Länder unternommen haben. Und in der Tat: Moderne Standortpolitiker in dem Sinn waren die Nazis nicht – das wäre auch etwas viel verlangt. Schließlich haben sie gegen die Niederlagen ihrer Nation in der ökonomischen Konkurrenz der Staaten anregiert. Die Mittel freilich, die sie eingesetzt haben, um die internationalen Bedingungen des Geschäftserfolgs und -mißerfolgs der Nationen im deutschen Sinn zurechtzurücken, sind der Staatenwelt so wenig fremd, daß es dafür sogar anerkannte völkerrechtliche Regelungen gibt: Sie haben ihr Volk mobilisiert und Krieg geführt. Dabei haben sie mit dem Recht des siegreichen Eroberers – das die schließlichen Sieger ihrerseits später genauso unbefangen angewandt haben – den Staatsschatz der Besiegten in ihre deutsche Nationalbank verbracht; mit dem marktwirtschaftlich völlig korrekten Ziel übrigens, dem Kredit der Nation eine solide Basis zu sichern und nach außen liquide zu bleiben. Dem abstrakten Reichtum der Nation, den sie mit ihrem Krieg heftig strapazierten, haben sie auf diesem Wege mit kriegerischer Gewalt zu seinem systemgemäßen Recht verholfen – ein Vorbild an kapitalistischer Prinzipientreue noch mitten im größten Gemetzel!
  • Um an noch mehr Gold und Geld heranzukommen, haben die Nazis Privatpersonen, vor allem Juden enteignet und noch die KZ-Opfer buchstäblich ausgeschlachtet. An den Enteignungen kann man sehen, daß eine auf Geldwirtschaft gebaute und bauende Staatsgewalt den Respekt vor dem Privateigentum allemal sehr relativ handhabt, wenn sie sich in der „Bringschuld“ sieht, die öffentlich-rechtlichen Grundlagen des marktwirtschaftlich produktiven Eigentums zu sichern oder überhaupt erst wieder im Sinne nationaler Konkurrenzerfolge herzustellen. Am Vorgehen speziell gegen jüdische Eigentümer läßt sich studieren, wie folgerichtig eine patriotische Empörung über das Kreditgewerbe – das geschäftliche Niederlagen, wo sie fällig sind, selbstverständlich auch unter einheimischen Kapitalisten, herbeizuführen pflegt und davon noch zu profitieren vermag – in eine moralische Abrechnung mit solchen Agenten dieses Gewerbes umschlägt, an denen ein politisch fabrizierter Volkszorn seinen Verdacht auf Verschwörung gegen die nationale Wohlfahrt austobt – und wie heftig eine zu allem entschlossene Staatsmacht ans Werk geht, wenn sie sich erst einmal den Tatbestand eines unrechtmäßig, weil auf Kosten des fleißigen Volkes erworbenen Vermögens sowie die dazugehörige „ausländische Mafia“ zurechtdefiniert hat. Die Zahngold-Beschaffung aus den Krematorien der KZs schließlich ist zweifellos eine Spitzenleistung eigener Art; in einer Disziplin, die wirklich nicht zu den normalen Sitten eines um Macht und Reichtum konkurrierenden bürgerlichen Staatswesens gehört – zu den außerordentlichen Mitteln nationaler Notstandsbewältigung aber allemal: Ein Staat, der um seiner Weltmacht willen einen Vernichtungskrieg gegen einen selbstdefinierten Erzfeind führt, gewinnt noch seinen Opfern marktwirtschaftlich nutzbare Erträge ab. Oder umgekehrt: Wo alles aufs Geld ankommt und sogar der Kampf der Nation um ihr existenzielles Recht auf Weltmacht von einem genügenden Staatsschatz abhängt, da ist auch Edelmetall aus Leichen ein systemgemäßer Beitrag.
  • Für seinen kriegswirtschaftlichen Geschäftsbedarf hat der nationalsozialistische Staat auch noch mitten im Weltkrieg in aller Welt Geschäftspartner gefunden. Im moralisierenden Rückblick ist deswegen von „zwielichtigen Geschäften mit den Nationalsozialisten“ (Neue Zürcher Zeitung, 6./7. 12. 97) die Rede, abgewickelt u.a. von „servicebeflissenen Schweizer Bankiers“ (Spiegel) und anderen „Devisenschiebern“. Solche Etikettierungen entstammen freilich nicht der banalen Sachlage, sondern allein dem Bedürfnis, an finanzkapitalistischen Geschäften moralische Unterscheidungen zu treffen, die deren sachzwanghafte Logik einfach nicht hergibt. Denn wenn es um Geldkapital geht, um Gold, Kredit und Devisen, dann ist die Abstraktion von den konkreten Umständen des Gelderwerbs wie von den konkreten Absichten des Geldbesitzers perfekt. Dann ist schon längst zwischen dem Geld als einem dinglichen Kommandomittel und der materiellen Existenz der dadurch kommandierten Menschheit geschieden; und zwar so gründlich, daß es fürs Bankgeschäft völlig unerheblich ist, ob und in welcher Weise bei der Beschaffung von Kreditsicherheiten Menschen zugrundegehen – andernfalls gäbe es schon längst keine kreditgewerblich betreute Marktwirtschaft mehr. Selbstverständlich ist auch der Gebrauch des Finanzkapitals nicht kriterienlos; dessen Gesichtspunkten haben die Nazis aber bestens genügt: Schweizer und andere Bankiers hatten es in Deutschland mit einem Staat zu tun, der sein Gold in der Funktion eines weltweit gültigen Zahlungsmittels verwandte und mit ihm alles einkaufen ging, was er an Waffen, strategischen Rohstoffen und anderem so brauchte; der in denselben Ländern, die er überfallen hatte, die er besetzt hielt und aus denen er gerade die Juden in die Vernichtungslager abtransportierte, einen ordentlichen Bankenverkehr einrichtete; der über den Stand seiner Schulden und über den der Devisen- und Goldbestände in dem zwischenstaatlichen Hin und Her exakt so penibel Buch führte, wie man es von einer seriösen staatlichen Bilanzführung nicht erst seit Maastricht verlangt; der das internationale Aktien- und Anleihengeschäft so richtig schön in Schwung brachte, sogar noch wertloses französisches Geld in handelbare Titel eintauschte, diese gegen gutes Schweizer Geld verkaufte und mit dem dann seine Geschäftspartner bediente… Ein solcher Staat war wahrlich nicht vom andern Stern – nicht bloß trotz, sondern durchaus mit all seinen politischen Absonderlichkeiten gab er ein höchst taugliches Mitglied ab im exklusiven Club nationaler Großkunden, die sich damals wie heute der Schweiz als überparteilicher Kreditagentur bedienten.
  • So ähnlich sahen es auch die demokratischen und sonstigen Mitglieder der zeitgenössischen Staatenfamilie, denen heute ihr Umgang mit dem „verbrecherischen Nazi-Regime“ zum Vorwurf gemacht wird. In Wahrheit haben sie mit dem nicht bloß geistig-moralisch gewendeten deutschen Staat genauso politisch kalkuliert wie der mit ihnen. Hitlers Offensive gegen „den Bolschewismus“ fand – mit 1 Ausnahme – weltweit soviel staatliche Zustimmung, daß ihm der Zusatz „jüdisch“ gerne nachgesehen wurde. Seinen imperialistischen Neubeginn konnten alle seine Kollegen sehr gut verstehen; nicht wenige sympathisierten damit, weil sie sich von einer Verschiebung der globalen Kräfteverhältnisse nationalen Gewinn versprachen. Selbst seine Gegner brachen den diplomatischen Verkehr und berechnenden außenpolitischen Umgang mit ihm erst ab, als ihre Kalkulationen mit ihm nicht mehr aufgingen und ein Kriegseintritt unabweisbar wurde – und benötigten dann um so mehr neutrale Staaten, die das unerläßliche Minimum an politischer Verständigung zwischen den kriegführenden Herrschaften vermittelten. Was speziell die Goldgeschäfte der Nazis betrifft, so mußten Regierungen in besetzten Staaten wie Frankreich, aber auch die der USA, der Schweiz und sogar – bis 1941 – Genosse Stalin weder ihrem eigenen hoheitlichen Rechtsbewußtsein noch dem Völkerrecht Gewalt antun, um in der Reichtumsbeschaffung des faschistischen Staates eher eine Form des Eintreibens von Steuern oder die Ableistung fälliger Tributpflichten an Deutschland zu sehen als ausgerechnet Raubzüge. Das hoheitliche Recht, das sich Nationen herausnehmen, aber auch gewähren, berechtigt nämlich durchaus zu allerlei. Übrigens auch zu manch grober Behandlung der eigenen Staatsbürger: Deren „Menschenrechte“ finden zwischenstaatlich als diplomatische „Waffe“ Verwendung und zur Illustrierung eines Feindbildes je nach außenpolitischer Konjunktur, also als Mittel fürs jeweilige imperialistische Interesse. Mit den Juden haben Deutschlands Nachbarn und Gegner da keine Ausnahme gemacht.
  • Und dann haben sie schließlich und endlich nach dem Krieg von allem, was an deutschen Goldbeständen noch übrig war, ungefähr denselben Gebrauch gemacht wie die Faschisten: Sie haben es sich angeeignet, ihren Kredit damit gestärkt, Spaniern, vielleicht auch noch Österreichern und Italienern damit zu einem neuen Staatsschatz und kapitalistischen Wiederbeginn verholfen – dies der letzte Akt im „Raubgold-Skandal“ und zugleich derjenige, der den guten Deutschen am besten gefällt. Dabei mag eigentlich niemand den Siegern nachträglich ihr Siegerrecht auf Verfügung über nazideutsches Staatseigentum absprechen. Nur hätten sie schon damals die Grenzen des guten Geschmacks nicht überschreiten sollen, auf die die politische Moral sich heute eingeschworen hat, kaum ist vom Dritten Reich und seinen Nazis die Rede: Goldbarren, auf denen deutlich sichtbar das Hakenkreuz prunkte, durften doch nicht einfach umgeschmolzen werden! Schlimmer noch: Anderes Gold, dessen Legierung sie auf seinen ursprünglichen Aufenthaltsort im Zahnbereich hätte aufmerksam machen können, haben die Alliierten auch nicht verschmäht – das ist vielleicht entsetzlich! Tips, was sie sonst damit hätten machen sollen, erfährt man von den deutschen Profis der „Aufarbeitung“ aller „Nazi-Verbrechen“ zwar auch nicht; gegen ein System, das von ein bißchen toter Materie die wirtschaftliche Existenz ganzer Gesellschaften abhängig macht, wollen sie ja nichts gesagt haben – eben deswegen aber um so mehr gegen die Peinlichkeit des darin eventuell eingeschmolzenen Zahngolds toter Juden…

Was kommt also heraus, wenn ein gutes halbes Jahrhundert „danach“ die Geschäftsbeziehungen des nationalsozialistischen Deutschland zum Rest der Welt und deren Erbmasse „schonungslos“ ans Licht gezerrt werden? In der Sache ein paar zugespitzte Klarstellungen über die Prinzipien des zwischenstaatlichen Geschäfts, für die man durchaus nicht 50 Jahre in die Vergangenheit zurück gehen muß: zum Beispiel über die bedingungslose Tauglichkeit des Geldes als Herrschaftsmittel, sogar im und für den Krieg; oder über die politische Optik staatlicher Souveräne, die nichts dabei finden, auch im faschistischen – oder umgekehrt im verachteten demokratischen – Gegenspieler in erster Linie den mehr oder weniger hinderlichen, aber auch ausnutzbaren Konkurrenten zu sehen…

Nichts davon interessiert freilich die guten Deutschen, die an den Nachforschungen, „das Raubgold der Nazis“ betreffend, so dringlich Anteil nehmen. Wenn die engagierten Expertenkommissionen einen banalen Beleg nach dem andern dafür zutage fördern, wie marktwirtschaftlich normal das Dritte Reich sich aufgeführt hat und wie unbefangen es von den anderen Staaten bis in die letzte Weltkriegs-Eskalation hinein als politisch normales Mitglied genommen und behandelt worden ist, dann unterbleibt jeder Schluß auf Staat und Kapital und darauf, was für diese Instanzen alles normal ist. Stattdessen kommt eine gar nicht klammheimliche Freude auf unter deutschen Menschen, die sich jahrzehntelang den Tort angetan haben, Politik und Geld grundsätzlich als die segensreichsten Errungenschaften der Weltgeschichte anzubeten, ihren Staat jedoch, was jene „unseligen 12 Jahre“ betrifft, und dessen Geschäftsgebaren für ein „unfaßbares“ Übel und insofern eine „unbegreifliche“ Ausnahme zu erklären. Denn wenn die nach geltender Geschichtsmoral anständig gebliebenen Nationen einstmals selber die Nazi-Herrschaft für ziemlich kommod oder jedenfalls voll geschäftsfähig gehalten haben, dann kann der nationale „Ausrutscher“, dessen Verwerflichkeit nun einmal nicht zu leugnen ist, nicht mehr gar so abartig sein. Und wenn Neutrale und Gegner von einst gar das Nazi-Gold ohne weiteres als ehrenwertes Zahlungsmittel akzeptiert und selber weiter verwendet haben, dann wird die erfreute Kundgabe fällig, daß in Sachen Judenmord keineswegs die Deutschen allein die Täter waren:

„Der Judenmord (…) stellt sich auch als eine globale moralische Herausforderung dar – nicht nur die Deutschen haben geschwiegen, nichts wissen wollen, weggeguckt, manchmal profitiert und am liebsten alles verdrängt.“ (Der Spiegel 50/97)

So relativiert sich denn doch ganz gewaltig die moralische Ausnahmestellung, unter der deutsche Patrioten mit Blick auf die völkermordenden Aktivitäten ihres geliebten Heimatstaates immer gelitten haben. Und nicht nur das. Deutschlands Patrioten haben gelitten – zwar nie unter dem flächendeckenden Judenmord, für den die Nation sich hergegeben hat, geschweige denn unter den raumgreifenden imperialistischen Großtaten, die noch viel mehr Zeitgenossen das Leben gekostet haben; dafür um so mehr unter dem Verdikt moralischer Abnormität. Damit haben sie aber eine sittliche Leistung vollbracht, die sie nun, wo sich abzeichnet, wie relativ normal und volksüblich ihre moralische Abnormität wohl doch bloß gewesen ist, zu einer gewissen Anspruchshaltung berechtigt. Jetzt haben sich nämlich erst einmal alle andern für Deutschlands Nazis zu schämen – nämlich alle, deren frühere Regierungen und Bankiers diplomatische und Geschäftsbeziehungen mit dem damaligen „Reich des Bösen“ unterhalten haben. Die andern haben mit ganz viel eigener „Vergangenheitsbewältigung“ moralisch aufzuholen, was die Deutschen ihnen in Sachen Scham & Reue 50 Jahre lang vorgemacht und folglich voraus haben. Und wer hätte ein größeres Recht darauf, diesen moralischen Lastenausgleich einzufordern und zu überwachen, als die altgedienten Experten der moralischen „Wiedergutmachung“!

Die haben deswegen auch ein scharfes Auge auf die aktuelle materielle Seite der „Nazigold-Affäre“. Ein Teil der einst staatlich angeeigneten und in die weltweite Goldzirkulation eingebrachten privaten Reichtümer steht nämlich zur Übereignung an private Anspruchssteller an; und damit stehen alle guten Menschen vor einer Frage, die sie eigentlich überhaupt nichts angeht: Wie verteilt man 5,5 Tonnen Nazigold? (SZ, 1.12.97) Die Antwort fällt ein bißchen kompliziert und dennoch unmißverständlich aus:

„Die Seite der jüdischen Opfer pochte auf Wiedergutmachung in einem Tonfall, daß sich Rabbi Hillel aus Boston schon um die Würde des Andenkens an den Holocaust sorgte.“ (Der Spiegel 50/97)

So richtig mit Würde wird dieses Andenken doch nur von den Wahrern der nationalen Tradition gepflegt, der die jüdischen Nazi-Opfer ihr Schicksal zu verdanken haben. Schließlich hat man sich hierzulande eigens darauf verlegt, an den Faschismus ausschließlich in Form dieser Opfer und an diese ausschließlich in der würdevoll-religiösen Verbrämung eines Holocaust zu denken. Die moralischen Rechtsnachfolger des mörderischen Großunternehmens„Drittes Reich“ haben sich so die Rolle des berufenen Grabwächters ihrer „unbegreiflichen“ Opfer angeeignet. Als solche sind sie einem formvollendeten „Andenken“ verpflichtet. Erstens dazu, ganz viele andere zu kongenialer „Vergangenheitsbewältigung“ anzuhalten. Und zweitens dazu, das „Raubgold der Nazis“ vor der – typisch jüdischen? – Habsucht der übriggebliebenen wirklichen Opfer und gewisser real existierender Nachfahren zu schützen. Schön, daß es noch einen Juden in Boston gibt, der das auch so sieht.