Geschäfte mit Optionen und Futures
Spekulation auf die Spekulation

Derivate und Hedging: Eine „Innovation“ des Finanzwesens im Kreditüberbau einer kapitalistischen Geldwirtschaft.

Aus der Zeitschrift

Geschäfte mit Optionen und Futures
Spekulation auf die Spekulation

„Wieweit und wieweit nicht ist die Akkumulation des eigentlichen Geldkapitals Anzeichen von wirklicher Akkumulation?“ (Marx, Das Kapital, Bd.3, S. 493)

Nach der Baring-Pleite hagelt es von seiten der Öffentlichkeit moralische Verurteilungen – wie es sich gehört, wenn im Finanzwesen spekulative Engagements daneben gehen. Der Immobilienhai Schneider, der Chef der Metallgesellschaft und Nick Leeson – solange ihre Spekulationen aufgingen, waren sie gefeierte Finanzgenies, Vorbilder und Leistungsträger „unserer Wirtschaft“, die ihren Auftrag- und Kreditgebern schönste Gewinne einspielten. Geht ihre Spekulation daneben, sind sie Verbrecher, die sich am heiligsten Gut der Weltwirtschaft, der Solidität des spekulativen Finanzüberbaus, vergehen und uns alle schädigen. Nur dank der Pleiten rückt das Derivategeschäft überhaupt ins Blickfeld der Journaille; und diese hält sich moralisch an dessen Akteure: Unreife Twens mit Porsche und Segeljacht, mit Zocker-Mentalität und krimineller Energie jonglieren Milliarden nach einem Anlagesystem, das sie und ihr Computer selbst nicht mehr überblicken. Diesen nervenstarken und zugleich hektischen Neureichen fehlt jedes Gefühl dafür, wie schwer das Geld verdient werden muß, vom dem sie Milliarden in Sekunden gewinnen oder verlieren. Journalisten blamieren die „Jagd nach dem schnellen Geld“ an der ehrlichen Arbeit, als ob diese in unserer Wirtschaft sonst für irgendetwas der Maßstab wäre; sie führen Klage im Namen aller „Anständigen“, als ob die verspielten Milliarden diesen Anständigen gehört hätten. Jetzt wird das Geschäft mit Derivaten als Wette entlarvt und eine Soliditätsgrenze gezogen: Das endlich soll kein ehrliches und reelles Geschäft mehr sein – alle sonstigen Formen der Bereicherung in der Industrie- und Bankenwelt schon.

So sind sie, die Fachjournalisten: Bei den Derivaten fangen sie an, das Kreditsystem zu kritisieren; und auch die Kritik ist dann bei Lichte besehen keine. Die plötzlich hervorgetretenen Kritiker der Derivate richten ihr vernichtendes Urteil wirklich nur gegen die gescheiterten Derivatehändler, deren Pleiten sie auf den neuen Sektor des Finanzwesens aufmerksam gemacht haben, nicht gegen das Geschäft selbst. Im Namen der Allgemeinheit verlangen sie nur, daß der Laden mit den Derivaten klappt – was zugleich sehr wenig und sehr viel verlangt ist. Die Forderung, das unseriöse Geschäft mit Derivaten wegen der damit verbundenen Risiken für das Finanzsystem zu verbieten, ist jedenfalls noch nicht vernommen worden. Dieselben Presseorgane, die Nick Leeson verteufeln, halten daran fest, daß Derivate – verantwortungsbewußt eingesetzt – nicht nur nützlich, sondern für modernes Risikomanagement geradezu nötig sind.[1] An der Unterscheidung von Fluch und Segen der neuartigen Geschäfte machen sie sich einen Augenblick zu schaffen, um dann zu resignieren und zur Verantwortung der Verantwortlichen aufzurufen.

Derivate sind nach dem Unterricht, den der Zeitungsleser erteilt bekommt, also erstens nötig zur Begrenzung von Risiken, zweitens selbst ein riesiges Risiko, an das man drittens nicht rühren darf, um deren störanfälligen und diffizilen Aufbau nicht durcheinanderzubringen. Was sie also sind, die innovativen Geschäfte auf Termin, die die Finanzmärkte erobern und revolutionieren[2], und aus welchem Grund das Finanzwesen seine alte Welt des Kreditüberbaus um eine ganze neue Etage erweitert – das will erst noch geklärt sein.

Der Name „Derivate“ teilt mit, daß Gewinn und Verlust hier auf einer höheren Ebene gemacht werden, eben mit Geschäften, die aus anderen „abgeleitet“ sind, sich aus diesen ergeben und ihnen neue Gewinnchancen hinzuaddieren. Den schönen Namen und seine Auskunft über die Spirale des Kreditwesens, das immer neue Geschäfte auf alte draufsetzt, immer neues Kapital aus der Erwartung von Erträgen hochrechnet und auf dieses wieder neuen Kredit zieht und gibt – diesen Namen hätten die Börsianer freilich auch schon ihrer Plusmacherei im Wertpapier- und Aktienhandel geben können. Aber dann hätten sie eben keinen Namen für ihre neu erfundenen Geschäfte der zweiten Ableitung mehr freigehabt.

1.

Auch wenn die ironische Bildersprache der Banker von „innovativen Produkten“ spricht, die eine „financial industry“ herstellt, dürfte soviel klar sein, daß dieses Treiben mit der biederen Produktion gewinnbringender Ware durch die „ehrliche“ Ausbeutung von Lohnarbeitern nun wirklich nichts mehr zu tun hat. Die Emanzipation von der mit dem Schweiß anderer Leute verbundenen Form der Bereicherung unterscheidet die neuesten Finanzprodukte freilich nicht von anderen Abteilungen des Kredits. Im Finanzsektor kommt das Eigentliche des Kapitalismus, die Vergrößerung einer gegebenen Geldsumme ohne den Umweg über die Produktion von Ware und den Einsatz von Arbeit aus: Geld als Kredit entwickelt die interessante Eigenschaft, einen Abkömmling zu hecken. Wer Geld verleiht, d.h. Schuldtitel des Staates oder privater Emittenten kauft, kassiert Zins – vertragsgemäß. Um diesen Zuwachs wächst das Anrecht des Besitzers der Leihsumme auf Teile des materiellen Reichtums seiner Kreditnehmer. Der Kreditgeber, der auch Aktien kaufen und sich am Gewinn von Industrieunternehmen beteiligen kann, ohne selbst Unternehmer zu werden, macht sich die Reichtumsvermehrung, die andere betreiben, zunutze. Mit seinem Geld hält er den letzten Zweck aller ökonomischen Operationen und die allgemeine Macht über den materiellen Reichtum in Händen. Sein Geld brauchen andere; dafür, daß sie es nutzen, schulden sie ihm Tribut. Den zahlen sie, indem sie den Gewinn, den sie mithilfe dieses Geldes machen, zwischen sich und dem Gläubiger teilen – wenn sie Gewinn machen. Wenn nicht, müssen sie den Vermögensverlust, die Umverteilung ihres Geldes an den Kreditgeber hinnehmen.

2.

Beim Kassieren von Zins und Dividende belassen es die Akteure des Kreditgeschäfts nicht. Sie machen ernst mit dem Recht und der Pflicht allen Geldes, Kapital zu sein und mehr zu werden – oder gar nichts zu sein. Deshalb betrachten sie ihr in Produktionsanlagen und Arbeit investiertes oder an Investoren verliehenes Kapital nicht als eine feste Summe, die je nach Geschäftsgang mehr oder weniger Gewinn abwirft. Sie „kapitalisieren“ die Erträge ihrer Schuldtitel und Aktien, d.h. sie rechnen die Größe der zinstragenden Stammsumme aus ihrer Ertragskraft spekulativ hoch. Der Wert der Stammsumme, deren Einsatz und Anwendung Ursache der Zuwächse ist, wird durch diese umgekehrte Optik zur abhängigen Größe der Zuwächse. Wieviel Geld einer mit seiner Geldanlage besitzt, wird erschlossen, indem ihr Ertrag als Zins auf ein Kapital betrachtet wird, dessen Größe sich per Vergleich mit dem aktuell durchschnittlichen Zins ergibt. Ändern sich die Erträge oder die allgemeinen Zinsen, dann wächst oder schrumpft die hochgerechnete Stammsumme, die diese Erträge abwirft: Die Aktie mit dem aufgedruckten Nennwert von 50 DM ist deshalb einmal 500 DM, ein anderes Mal 1000 DM, noch ein anderes Mal gar nichts mehr wert; dann nämlich, wenn keine Dividende zustandekommt und auch auf keine künftige mehr gesetzt wird. Wieviel Geld wirklich aufgewendet werden mußte, um die Gewinne der Aktiengesellschaft zu erwirtschaften, spielt bei der Kapitalisierung der Aktien keine Rolle. Die Summen, die sich der Besitzer von Aktien oder Renten durch Vergleich ihrer Erträge mit denen anderer Geldanlagen hochrechnet, bereiten ihm nicht nur eine theoretische Freude. Der Kurs seines Papieres ist der Kaufpreis für die Rendite, die er „besitzt“, und dieser wird ihm von anderen Anlegern in echtem Geld bezahlt. Der hochgerechnete Wert seines Papiers ist für ihn wirklicher Reichtum.

3.

Die „Kapitalisierung“ der Renditen und die deshalb veränderlichen Kurse von Aktien und Schuldtiteln bilden die Basis für ein zweites Geschäft, bei dem es auf Zins und Dividende nicht mehr als zu erzielenden Ertrag, sondern nur in ihrer Eigenschaft als Indikator der vermutlichen Kursentwicklung der Papiere ankommt. Wer – auf so genannten Sekundärmärkten – Aktien und Renten an- und verkauft, will nicht die vergleichsweise kleinen Zuwächse aus Zins- und Dividendenausschüttung kassieren, sondern an den großen Schwankungen der hochgerechneten Kurse dieser Papiere verdienen. Gewinn macht, wer zum günstigen Zeitpunkt „unterbewertete“ Papiere kauft, deren Kurse bis zum Wiederverkauf ordentlich steigen. Aus Papieren, deren Kurse fallen, muß man rechtzeitig ausgestiegen sein, um an ihrem Wertverlust nicht teilzuhaben. Wann Papiere steigen oder fallen, steht nicht fest, das Geschäft ist eines auf Zukunft und beruht auf der spekulativen Vorwegnahme zukünftiger Kursentwicklung. Für den Blick in die Zukunft werden alle Daten der Geschäftsentwicklung und des finanziellen Umfelds als Indikatoren herbeigezogen. Was aus ihnen zu schließen ist, steht aber eben nicht fest, und es gäbe keine Gewinnchance an den Aktien- und Bondmärkten, wenn es feststünde. Trends muß der Spekulant erahnen und initiieren, und dann muß er der erste sein, der das – noch – billige Papier kauft, oder das – noch – teure abstößt. Wer als letzter einem Trend folgt, kann es gleich bleiben lassen. Ein guter Geschäftsgang der Industrie – es gibt viel Profit an die Börsianer zu verteilen – oder der niedrige Vergleichszins – andere Anlage ist unattraktiv und Geld strömt an die Börse – und schließlich das auf beide Faktoren gegründete Vertrauen der ganzen Zunft in eine günstige Börsentendenz setzt alle Teilnehmer am Handel instand, zu verdienen. Mit ihren Gewinnen steigt ihre Fähigkeit, höhere Kurse auch zu bezahlen und sie damit weiter in die Höhe zu treiben. Wenn sich freilich ein Mißtrauen in die sich selbst antreibende Hausse einstellt und allgemein wird, führt es zum Crash, weil dann jeder zuerst verkauft haben muß, um vom Einbruch der Kurse, der dadurch herbeigeführt wird, nicht betroffen zu sein.

So werden Vermögenswerte zu spekulativen Größen. Die Vollendung des Weltmarkts zu einem internationalen Kreditsystem mit dauernder Vergleichung von Solidität und Rentabilität aller Geldanlagen und aller nationalen Gelder hat dazu geführt, daß nicht mehr nur Aktien und Rentenwerte, sondern schlichtweg alle Preise, mit denen das industrielle und kommerzielle Kapital hantiert, solche spekulativen Größen geworden sind. Dieser Sachverhalt ist nicht zu verwechseln mit dem Umstand, daß die erzielbaren Preise in der Marktwirtschaft stets eine unsichere Sache sind, insofern sich erst hinterher herausstellt, ob der Markt hergibt, was sich ein Anbieter davon erwartet und worauf er seine Kosten kalkuliert hat. Eine ganz andere Unsicherheit bezüglich der Kalkulierbarkeit der Kosten und Erlöse reißt ein, wenn das Kapital der Firmen nicht mehr aus Geld oder Einlagen bei Banken besteht, sondern aus Aktien und Schuldtiteln von schwankendem Wert; wenn der eigene Schuldendienst keine Größe mehr ist, auf die man sich für eine gewisse Frist verlassen kann, sondern eine, die kurzfristig steigt oder fällt; und wenn sich schließlich das Geld selbst, das Medium, in dem international Preise gezahlt und Gewinne verbucht werden, als nationaler Kredit entpuppt, dessen Wert von der wechselhaften Einschätzung des Publikums über die Fähigkeit seines nationalen Herausgebers abhängt, Werterhalt und Verwertung des in seinem nationalen Geld denominierten Reichtums zu garantieren. International tätige Firmen, und das sind praktisch alle, finden alles, was sie verkaufen, kaufen und zahlen, mit zwei Preisen ausgestattet: dem inländischen und der Modifikation dieses Preises, die sich aus der Umrechnung in Fremdwährung ergibt. Lohnende Ein- oder Verkaufspreise können sich schnell ins Gegenteil verkehren, wenn sich der Kurs der fremden Währung ändert, in die oder aus der umgewechselt werden muß.

Diese Unzuverlässigkeit der Preise beschert den Unternehmen neue Aufgaben bei der Bewältigung ihres Umschlags. Schließlich muß der Vorschuß für die Kosten nach Produktion und Verkauf mit einem Plus wiedererscheinen, damit das Kapital seinen Kreislauf von neuem beginnen kann. Starke Preiswechsel verunmöglichen eine zuverlässige Kalkulation und behindern so Investition und Wachstum. Das wirkliche Geschäft, das Überschüsse produziert und nicht nur spekulativ an Preiswechseln verdient, entwickelt angesichts dieser Gefährdung seines Umschlags das Bedürfnis nach Versicherung. Die kostet Geld. Dem „hochentwickelten“ Stand des Kreditwesens zahlt das industrielle Kapital einen extra Tribut und nimmt zur Versicherung gegen dessen Kapriolen Abzug vom industriellen Profit in Kauf.[3]

4.

Die ursprüngliche Form einer solchen Versicherung besteht in der Vereinbarung von Zukunftsgeschäften: Zwei Handelspartner setzen schon heute Preis und Menge von Öl, Kupfer, Weizen oder Schweinehälften fest, die sie erst in z.B. einem Jahr austauschen wollen; nach dem Vorbild des Warenterminhandels kommen später die Finanztermingeschäfte mit Aktien, Kreditverträgen und Devisen hinzu. Eine Firma, deren Finanzreserven in Aktien und Wertpapieren angelegt sind, die vielleicht in einem Jahr flüssig gebraucht werden, sichert den Wert ihrer Reserven gegen Kursverluste, indem sie schon heute einen Käufer für ihre Papiere findet und mit ihm einen Preis vereinbart. Eine andere exportiert in den Dollarraum und erwartet bis zum Jahresende Dollareingänge; sie versichert sich gegen den schwankenden Wechselkurs, indem sie die Dollars, die sie noch gar nicht hat, schon heute auf Termin wieder verkauft und zwar zu einem Kurs, zu dem ihre Kosten jedenfalls noch einen Gewinn einspielen. Eine dritte will sich für die Fortschreibung ihrer Schulden den aktuellen Zins sichern, bzw. sich gegen Zinssteigerungen schützen und handelt aktuell einen zukünftigen Zins aus: Das sind Termingeschäfte, die die Bedingungen zukünftiger Transaktionen aktuell fixieren. Die betreffenden Akteure wollen ihr Kapital vor Verlust schützen und verzichten deshalb mit der vorfristigen Fixierung zukünftiger Transaktionen darauf, später eventuell durch billigeren Einkauf oder teureren Verkauf sogar mehr Ertrag einspielen zu können. Die Abschätzung, wie sehr sich die heutige Sicherung von Eigentum und Rendite im Verhältnis zum möglichen Eintreten noch größerer Verluste „lohnt“, macht schon auf Seiten des an Sicherheit seiner Einkünfte Interessierten das Spekulative dieser Kalkulation aus.

Zu deren Verwirklichung muß man einen „Marktteilnehmer“ finden, der bereit ist, den gewünschten Kontrakt zu vereinbaren. Dazu brauchen sich die Interessenten allerdings nicht davon abhängig zu machen, daß sich ein Geschäftspartner auftut, der wegen des Umschlags seines Kapitals das genau entgegengesetzte Kauf- oder Verkaufsinteresse auf Zukunft, also ebenfalls ein Absicherungsinteresse hat. Nicht nur spielen Banken und andere Kreditagenturen da gerne den Makler und führen die Marktteilnehmer gegen Gebühr zusammen. Für sie ist das Kurssicherungsinteresse der Produzenten und Händler eine eigene Geschäftssphäre, die Gewinn abwerfen soll, weswegen sie selbst als Nachfrager auf diesem Markt tätig werden. Sie treten den „Hedgern“, die das Kursrisiko loswerden oder begrenzen wollen, als „Trader“ gegenüber, die das Risiko zwecks Erzielung von Überschuß auf das dafür verauslagte Kapital kaufen. Ein Trader ist zu Terminkontrakten bereit, wenn der Preis für das Kaufobjekt so hoch angesetzt ist, daß seine Absicherungsleistung ihm Gewinn sichert, solange sich der Preis der „Ware“ innerhalb erwartbarer Schwankungsbreiten bewegt. Sein Risiko besteht darin, daß er eine Ware zum garantierten Preis zu einem Zukunftszeitpunkt verkauft, die er in der Regel noch gar nicht besitzt. Er muß darauf setzen können, daß er sie bis zu Erfüllungszeitpunkt billiger beschaffen kann, als er sie jetzt schon verkauft. Die Differenz zwischen Beschaffungspreis und Vertragspreis wandert in die Tasche des „Traders“.

Die bankenoffizielle Darstellung der „Derivate“ als Instrumente zur Absicherung von Finanzrisiken trifft die Sache also durchaus – jedenfalls, was das Interesse der einen Seite der am Handel mit Futures und Optionen Beteiligten betrifft. Die Versicherung des einen kommt nur zustande, weil die andere Seite das Risiko der Kursschwankung kauft. Sie kauft es nur, wenn es eine Gewinnchance ist; was es aber nur ist, wenn absehbar ein erklecklicher Teil des aufgrund von Preiswechseln zu erzielenden Gewinns in ihre Tasche statt in die des Versicherten wandert. Eben deshalb ist die Analogie dieser Transaktion mit einer „Versicherung“ ziemlich verlogen. Die Banken verdienen hier ja nicht wie Versicherungsgesellschaften an der Vergesellschaftung der Kosten von Schadensfällen, sondern machen mit einem Teil ihrer Vorschüsse die kontrahierten „Risikofälle“ selbst für sich zur Verdienstquelle. Deshalb haben solche Kontrakte nicht nur einen Preis und eine Grenze – gegen z.B. einen Dollarverfall, gegen den auch ein „Trader“ nicht setzen mag, sind Kontrakte nicht zu bekommen. Es ist auch klar, daß ihre Realisierung als Erträge der einen Seite nur bedeutet, daß diese für die andere entfallen.[4]

Nichts ist also alberner, als wenn die kritische Öffentlichkeit und ihre Experten anläßlich der Pleiten im Derivatehandel, von denen diejenige der Baring Bank nur die bisher letzte und spektakulärste ist, die neuen Geschäfte in ein wunderbares Einerseits-Andererseits auseinandernehmen: Eigentlich seien Derivate Instrumente zur Beherrschung und Begrenzung von Finanzrisiken, die die Märkte solider und liquider machen müßten; leider aber ließen sich diese wunderbaren Erfindungen auch zum Spekulieren benutzen, in welchem Fall sie dann hochgefährliche Eigenschaften entwickelten. Tatsächlich werden da die gegensätzlichen Leistungen, die der Kontrakt für beide Seiten erbringen soll, auseinanderdividiert und einander gegenübergestellt, als ob die eine ohne die andere zu haben wäre, als ob die eine der sachgerechte Ge-, die andere der Mißbrauch wäre. Wenn einer das Risiko von Preis- oder Kursänderungen verkauft und dafür eine Gewinnchance anbietet, dann trägt eben der andere das Risiko. Das ist damit nicht aus der Welt, sondern zur Anlageform geworden. Und daß heißt allemal, daß das, was einer daran gewinnt, ein anderer verliert.

Im Bedarf nach Absicherung gegen spekulative Preisrisiken, die das reguläre kapitalistische Geschäft gefährden, hat der gesamte neue Sektor des Finanzwesens seine Grundlage und Herkunft. Aber auch nur die!

5.

Ein spekulatives Geschäft macht bei Future-Kontrakten nicht nur der „Trader“, der dem absicherungswilligen Geschäftspartner einen festen Preis für zukünftige Transaktionen garantiert. Auch der Käufer des Kontrakts merkt spätestens, wenn er den Kontrakt in der Tasche hat, daß er mit ihm ein spekulatives Engagement eingegangen ist. Im Dienste seines Absicherungsinteresses hat auch er spekuliert; halt auf genau die umgekehrte Preisentwicklung wie sein Partner: Steigen die Preise für das Objekt (Waren, Währungen, Aktien etc.), für das man einen zukünftigen festen Einkaufspreis vereinbart hat, wird der Kontrakt immer besser – im umgekehrten Fall wird er schlechter. Weil der Wert des Kontrakts im verbürgten Recht liegt, die kontrahierte Sache zum Erfüllungszeitpunkt zum festgelegten Preis zu kaufen, kann man mit dem eben auch sehr viel mehr anstellen, als bloß auf diesen Zeitpunkt zu warten und das Kaufrecht dann einzulösen. Er ist nicht nur eine Versicherung, sondern selbst eine Geldquelle, wenn man ihn an einen anderen „Hedger“ teurer weiterverkauft, als man ihn bekommen hat.

Das machen die Kontraktparteien deshalb auch und setzen damit das Absicherungsinteresse in dieser Geschäftssphäre zu dessen bloßer Grundlage herab. Entscheidend wird das Geldverdienen an der Spekulation selbst.[5] Von diesem Interesse aus unternommen wird der zeitversetzte Kauf und Verkauf des Vertragsobjekts zum „Basisgeschäft“: Dessen Kontraktpartner fingieren nur noch Kauf und Verkauf, räumen sich Lieferrechte und Pflichten ein, die aber keiner der Partner wirklich erfüllt, d.h. in natura, durch Lieferung der kontrahierten Mengen von Erdöl, Dollars, Aktien oder Schatzbriefen eingelöst haben will. Bei diesen Kontrakten geht es ausschließlich darum, an der Preisveränderung der kontrahierten Ware zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und dem der Erfüllung zu verdienen. Die Lieferpflicht wird abgeleistet durch die Auszahlung des Differenzbetrags zwischen dem vereinbarten und dem zum Erfüllungszeitpunkt aktuellen Kaufpreis oder durch Abschluß eines entgegengesetzten Kaufs- oder Verkaufskontrakts für denselben Zeitpunkt.[6] Damit verschaffen sich die Akteure neue Freiheiten zum Verdienen in dieser Sphäre: Inzwischen kursieren z.B. Ölkontrakte in einer Quantität, die das materiell vorhandene und verkaufbare Öl um ein Vielfaches übertreffen. Diese Abtrennung der Spekulation von ihrem Entstehungsgrund, die sich bei Kontrakten über handelbare Basisprodukte an deren Quantität zeigt, bestimmt bei anderen Kontrakten gleich den Gehalt der gehandelten „Materie“: Es sind „abstrakte Basisprodukte“, die niemals geliefert, weder ge- noch verkauft werden können. Wer eine Option auf den DAX, den Dow Jones, den Nikkei Index oder den BUND-FUTURE kauft, der will nichts anderes, als Geld an der Veränderung dieses Index verdienen.

Bezieht sich der ursprüngliche Terminhandel noch negativ, zum Zwecke der Vermeidung von Verlusten, auf die ihm zugrundeliegenden Preisveränderungen, so werden solche Preisveränderungen im Handel von Optionen endgültig und explizit zum positiven Mittel der Finanzwelt, wachsende Erträge an sich zu ziehen. Hier wird gar nicht erst die Fiktion aufgemacht, er habe seine Grundlage im Handel seiner „Basisprodukte“ auf Termin. Eine „Call-Option“ macht das Recht darauf, ein fingiertes „Basisprodukt“ zu einem zukünftigen Zeitpunkt zu kaufen, selbst zum Kaufgegenstand; im Fall der entgegengesetzten Put-Option bewertet ihr Preis das Recht zu dessen Verkauf. Der Verkäufer der Option bietet dieses Recht zu dem genannten Preis an, der Käufer kauft das Recht und übt es bis zum oder zum Erfüllungszeitpunkt aus, wenn es sich für ihn lohnt, d.h. wenn der aktuelle Preis des Basisprodukts im Fall der Kaufoption über, im Fall der Verkaufsoption unter dem Vertragspreis steht. Entwickelt sich der Kurs nicht in der spekulativ erwarteten Richtung, dann lohnt sich die Ausübung der Option nicht, ihr Besitzer läßt sie verfallen und sein Verlust beschränkt sich auf den schon gezahlten Kaufpreis der Option. Er kann auf sein eingesetztes „Kapital“ mehr als 100% Profit machen, und er kann es zu 100% verlieren. Die andere Seite, der „Stillhalter“, hat mit dem Verkauf der Option und dem Kassieren ihres Preises seinen Nutzen aus dem Geschäft schon realisiert; er muß nur „liefern“, wenn es verlangt wird. Sein möglicher Gewinn steht schon fest – die Optionsprämie –, sein Risiko ist unbegrenzt. Deshalb muß er bei der Clearingstelle der Börse eine Sicherheitseinlage von zunächst unbedeutender Höhe hinterlegen, um zu beweisen, daß er sich das Risiko dieses Geschäfts leisten kann: Ein schöner Beleg dafür, daß dies Geschäft jeden Schein, es diene der „Versicherung“, verloren hat. Die Börse tritt als Garant für die Erfüllung der eingegangenen Pflichten zwischen Käufer und Verkäufer der Scheine, sie zahlt den Gewinner aus und holt sich vom Stillhalter schon zu Anfang der Laufzeit der Option die Einlage. Während der Laufzeit werden Teile davon frei, wenn der Wert der Option sinkt; steigt ihr Wert jedoch, muß der Stillhalter nachschießen. Mit diesem „Instrument“ befreit sich die Spekulation auf Preisausschläge spekulativer Größen vom Gesichtspunkt der Risikobeschränkung, aus der sie entstanden ist.[7] Der Kauf oder Verkauf, zu dem die Option „berechtigt“, wird denn auch bei vielen Optionen schon gar nicht mehr in Aussicht gestellt, sondern nur die Auszahlung der Differenz zwischen dem vereinbarten „Basispreis“ und dem Preis des Objekts zum Erfüllungszeitpunkt.[8]

6.

Mit dieser „Innovation“ hat die Finanzsphäre sich zum Geldverdienen durch Spekulation in ganz neuer Art und neuem Umfang befreit. Die Rendite, der Gewinn pro eingesetztes Kapital, kann bei diesen Geschäften enorm ausfallen – konkurrenzlos hoch im Vergleich zu den Formen solider Zinsanlagen sowieso, aber auch zu allen anderen Formen der Spekulation; von industriellen Investitionen ganz zu schweigen. Weil das erworbene Recht, später das Basisgeschäft auszuführen, gar nicht mehr wörtlich gemeint ist, weil die Mrd. Dollar oder Mill. Tonnen Öl nie gekauft, sondern per Optionsgebühr „fiktiv bewegt“ werden, wird der Kapitalaufwand des Geschäfts kleiner und die bewegliche Größe daran größer. Bei Optionen wird nur das von beiden Vertragspartnern vermutete Kursänderungsrisiko beziffert und bezahlt; die Stammsumme, soweit sie gleichbleibt, kommt nie in Betracht. Die Begrenzung des Kontrakts auf die Wertveränderung entgrenzt die Spekulation, die andernfalls sowohl was die Größe des nötigen Kapitals, wie auch was die erzielbaren Renditen betrifft, schnell an gewisse Grenzen stoßen müßte: Ein Spekulant muß beispielsweise 1 Mill. DM aufwenden und in ca. 700.000 US-$ anlegen, um an einer erhofften Kurssteigerung des Dollar zur D-Mark von 8 Pfennig etwa 56.000 DM [700.000 x 0,08 DM] zu verdienen. Hätte der Anleger mit seiner Million DM stattdessen Optionsscheine auf den Dollar gekauft, sähe die Rechnung anders aus: Das Optionsrecht, einen Dollar nach einem Jahr zum heutigen Tageskurs zu kaufen oder zu verkaufen, kostet gegenwärtig circa 5 Pfennige; obige Million DM kauft also Optionen auf 20 Millionen Dollar. Bei der obigen Kursverbesserung, bei der der Dollar um nur 3 Pfennige mehr steigt als die Optionsgebühr gekostet hatte, würden 600000 DM [20 Mill. x 0,03 DM] in die Tasche des Dollarspekulanten wandern. Das sind 60% auf seinen Einsatz. Man kann sich also vorstellen, was passiert, wenn der Dollar wie im letzten halben Jahr 35 Pfennige auf die Mark verliert.

Diese „Hebelwirkung“ ist das begeistert ergriffene Verfahren, minimale Kursdifferenzen zu großen Gewinnen – und Verlusten – hochzuprojizieren. Die Kursausschläge an den normalen Börsen mögen gerade wenig Gelegenheiten zum spekulativen Verdienen eröffnen; in der Sphäre der Derivate lassen sich zugleich mithilfe moderner Elektronik immer kleinere Differenzen von Zeit und Raum zum Geldverdienen an möglichen Preisausschlägen ausnutzen. Wenn bei dieser neuen Methode der Geldvermehrung mit im Verhältnis zum vorgestellten „Basisgeschäft“ wenig Kapitaleinsatz große Beträge bewegt werden und viel gewonnen werden kann, dann ist das für alle Beteiligten erst recht ein Grund, hier große Summen zum Einsatz zu bringen. Also fließen die Milliarden eben in den Markt für Optionen anstatt in den zugrundeliegenden „Kassamarkt“ für Aktien und Schuldtitel; im Terminhandel ist inzwischen viel mehr Geld engagiert als im ganzen sonstigen Bank- und Kreditwesen.[9]

7.

Wegen der Gewinnchancen, die locken, besteht das eigentliche Geschäft in dieser Sphäre schon wieder nicht im Kauf einer Option und im passiven Warten auf den Erfüllungszeitpunkt, um sie dann entweder verfallen zu lassen oder einzulösen und die Differenz von vereinbartem Basispreis und aktuellem Kurs zu kassieren. Weil dieses Recht zur Auszahlung existiert, werden Optionen selbst Objekt einer Spekulation: Sie werden auf Börsen, die extra für den Handel mit Optionen eingerichtet wurden, wie anderswo Aktien und andere Wertpapiere, die das Recht auf einen Zuwachs verbriefen, ge- und verkauft; und das zu Kursen, in denen die Chance zum Kassieren der Differenz immer neu bewertet d.h. er-spekuliert wird. In diese Bewertung geht die Nähe zum Verfallsdatum ebenso ein wie die bisherige und die spekulativ erwartete Kursbewegung des Basisprodukts. Je größer die aktuelle Preisabweichung (in die richtige Richtung) zum Kontraktpreis, desto mehr „Kapital“ hält der Besitzer einer Put- oder Call-Option in Händen. Beim Handel geht es um das Erzielen eines guten Verkaufspreises der Option, die man hält, und gar nicht mehr um die endliche Begleichung der Differenz – ihre erwartete Größe ist nur mehr der Index für den Handelskurs des Scheins. Die Aufgabe des Spekulanten besteht darin, den rechten Zeitpunkt für den Verkauf seiner Option abzupassen. D.h. einerseits, lange genug zu warten, bis die Bewegung des Basispreises und der Spekulationswille der anderen Börsianer den Preis für seine Option weit genug vom ursprünglichen Ausgangskurs entfernt haben. Andererseits aber auch frühzeitig genug zu verkaufen, denn je näher das Verfallsdatum der Option rückt, desto geringer ihr verbliebenes spekulatives Potential:

„Der Käufer einer Option muß sich von Anfang an darüber klar sein, daß der Börsenpreis am Ende der Laufzeit auf Null zurückgeht. Die Option muß daher rechtzeitig verkauft werden, da dann in der Regel auch die Ausübung der Option (Kauf des betreffenden Wertpapiers zum Basispreis) nicht mehr lohnend ist.“ [10]

Rechtzeitig – das heißt eben genau dann, wenn sich der aktuelle Kurs des Basisprodukts am weitesten von der Summe aus Basispreis plus Optionsgebühr entfernt. Kein Wunder, daß hier „fixe Jungs“ mit „goldenen Händchen“ ihre Sternstunden ebenso erleben dürfen wie ihren Untergang.

8.

Wer aus seinem Urteil über Stand und Entwicklung von Basisgeschäften eine Geldanlage macht, bedient sich dafür aus dem verfügbaren Kredit einer Firma oder Bank. Er strapaziert deren Vermögen, indem er Teile davon als „Einsatzsumme“ für Verdienste an Derivaten benutzt; und er greift das Vermögen seiner Geschäftspartner an, indem er mit seinem Einsatz darum kämpft, sich einen möglichst großen Brocken von deren Geld anzueignen. Das ganze Geschäft dreht sich überhaupt bloß darum, fremdes Eigentum auf die eigenen Konten zu lenken. Weder wird hier dadurch verdient, daß man sich mit Vorschuß von Kredit in den Sphären von Produktion und Handel engagiert und sich damit ein Anrecht auf einen Teil der Überschüsse sichert, die mithilfe des Kredits produziert werden; noch trägt das Finanzkapital durch spekulatives Kaufen und Verkaufen von Anteilsscheinen zum allgemeinen Wachsen der Erträge der Geschäftswelt bei. Die Spekulanten konkurrieren hier nicht um größtmögliche Teilhabe an einer allseitigen Vermehrung von Gewinn oder um die relative Verminderung von Verlusten. Ihre Konkurrenz dreht sich ausschließlich darum, sich wechselseitig möglichst große Geldsummen abzujagen – wo auch immer diejenigen, die solche Gewinne als Verluste zu verbuchen haben, sich diese im Zweifelsfall besorgen können oder müssen. Von wegen also, hier würden „Risiken“ versichert, die im „normalen“ Geschäft entstehen: Die eigene, luftige Welt, die das Finanzkapital sich im Derivatehandel geschaffen hat, greift im Gegenteil die „Basis“, über die sie sich erhebt, den verfügbaren Geldreichtum, in neuer Weise an.

Dieser Sachverhalt zeigt sich gerade in dem Umstand, der dem Derivatehandel das schöne Lob eingehandelt hat, „konjunkturunabhängig“ zu sein: An ihm läßt sich verdienen, egal, ob die Kurse steigen oder fallen. In der Tat ist das der praktische Nutzen, den die Akteure prima facie von dieser Veranstaltung haben. Ob es dem Rest der Wirtschaft gut oder schlecht geht, ob das Geschäft an der Börse gerade boomt oder baisst, ob der Dollar hoch oder runter geht, immer kann man Optionen auf Kursentwicklungen abschließen und damit richtig liegen oder verkehrt. Dieser Sachverhalt belegt allerdings gerade das Zweifelhafte an dieser Geschäftspraxis. Daß sich das Finanzgeschäft in solchem Umfang unabhängig davon bereichern kann, ob das, woraus es sich bereichert, überhaupt mehr oder sogar weniger wird, offenbart die schmarotzerhafte Stellung, die es hier zu seiner Grundlage einnimmt.

Die Gewinne, die Banken und Firmen hier einstreichen, sind genauso gute Geschäftsmittel wie die aus jedem anderen Geschäft. Sie vermehren damit ihr Kapital und schaffen sich Freiheiten zur neuerlichen Geschäftsausweitung. Daß sie dabei bloß Geld kassieren, das ihre Geschäftspartner und Konkurrenten verloren haben, kann ihnen, so gesehen, egal sein. Parallel zur Kunde über platzendes Derivate- und anderes Kreditgeschäft vernimmt man denn auch immer öfter, daß Firmen und Banken einen wachsenden Teil ihrer Einnahmen aus dieser Sphäre beziehen. Für sie ist diese neue Sphäre ein Segen und Glücksfall; sie beweist ihnen, daß das Kreditgeschäft weiterhin eine lohnende Sache ist, wenn man es richtig angeht. So bekommt das Ganze glatt den Anschein, als würden sich hier nur „Glück“ und „Pech“ in einem ganz normalen Kreditgewerbe so oder so verteilen.

Diese Interpretation der Sachlage ist allerdings ein wenig unglaubwürdig. Im Derivatehandel soll der Geschäftswelt endlich gelungen sein, was sonst immer früher oder später an seine Schranken stößt: Einfach immer weiter Geld aus nichts zu machen, indem man sich in wachsendem Umfang Zettel hin- und herschiebt? Daß die Beteiligten das so machen, ist unübersehbar. Daß diese Methode, Ertrag zu erzielen, deshalb für den Fortgang des kapitalistischen Geschäftslebens insgesamt nicht nur egal, sondern sogar so etwas wie ein rettender Glücksfall wäre, stimmt deshalb noch lange nicht. An dieser Praxis wird vielmehr offenbar, daß das Kapital, das als Finanzkapital tätig wird, die Gewinnträchtigkeit des sonstigen kapitalistischen Geschäftslebens für seine Bedienung daran als ungenügend beurteilt. Eine Geschäftswelt, die immer mehr ihres verfügbaren Geldes in den Derivatehandel lenkt, verfügt – das ist das eine – über ein wachsendes Kreditvolumen, das sie anlegen kann. Das andere ist, daß sie dies Volumen aber auch anlegen muß; Kapital ist eben nur welches, wenn es sich vermehrt. Lohnend vermehren lassen sich die wachsenden Kreditmassen aber in anderen Sphären des Geschäfts gar nicht so ohne weiteres; das zeigen Bilanzen, die rückläufige oder stagnierende Erträge auf der einen Seite, wachsende Einkünfte aus dem Spekulationsgeschäft auf der anderen Seite vorweisen. Anlage in anderen Abteilungen bringt entweder nicht die Erträge, zu denen Banken und Firmen sie als lohnend erachten würden; oder aber, was dasselbe ist, sie selbst empfinden die Ausweitung anderer Geschäfte als zu riskant.

Das Resultat dieser Praxis des Finanzkapitals, sich „aus eigener Kraft“ immer mehr Gelegenheiten zum Geldverdienen zu schaffen, ist die von Marx so genannte „Plethora von Geldkapital“. Weil sich die Masse anlagesuchenden Geldes in den herkömmlichen Sphären gar nicht einfach immer weiter vermehren läßt, verlegt sich das Kreditgewerbe als Mittel seines Wachstums in wachsendem Umfang darauf, sich aus sich heraus immer weiter aufzublähen, um sich Einkünfte im wechselseitigen Sich-Abjagen von Geld zu sichern. Die Kontraktion des Kredits, die es in den anderen Geschäftssphären zu spüren bekommt, „kompensiert“ es dadurch, daß es sich das bloße, unmittelbare Attrahieren von Gewinn zum Ziel setzt – mit dem paradoxen Resultat, daß das Kapital, das hier agiert, sich eine ganz echte Verzinsung berechnet, als hätte es sich tatsächlich in irgendeiner Weise an einem Wachstum beteiligt. Was es tatsächlich „leistet“, ist, die anderen Sphären von Geschäft und Kredit auszusaugen. Kapital, das im Derivatehandel fungiert, fungiert ja nicht nur nicht in den anderen Sphären, trägt nicht nur nichts bei zur Bedienung anderswo aufkommenden Kreditbedarfs. Als Ertrag beansprucht es ja gerade anderswo erzielte Einkünfte; verlangt also, daß die anderen Sphären, in denen es sich – wegen mangelnden Lohnens! – nicht engagieren will oder kann, mit ihrem Lohnen, ihren Erträgen für die im Derivateüberbau wachsend anfallenden Zahlungsverpflichtungen geradezustehen haben. So schafft es sich in der Tat „Geld aus Nichts“; mit absehbaren Folgen.[11]

Ausgerechnet zu der Sphäre, in der Gelderwerb unmittelbar mit der Enteignung anderer zusammenfällt, ist dem volkswirtschaftlichen Sachverstand die beruhigende Meldung eingefallen, hier handele es sich um ein „Nullsummenspiel“:

„Gesamtwirtschaftlich gesehen sind Derivate ein globales Nullsummenspiel. Jedem Verlust aus einem Terminkontrakt steht ein gleichhoher Gewinn gegenüber. Freilich verteilen sich die Gewinne und Verluste auf vielen Schultern. Als unstrittig gilt heute, daß durch Derivate keine neuen Risiken entstehen. Vielmehr werden die in allen Finanzgeschäften enthaltenen Gefahren wie Wechselkursschwankungen oder Zinsänderungen lediglich umverteilt.“ (FAZ, 5.4.1995)

„Gesamtwirtschaftlich“ soll also die Pleite der Baring-Bank nichts ausmachen, weil deren Gläubiger genausoviel verdienen, wie die Bank an der Fehlspekulation ihres Cheftraders verliert – eine ebenso alberne wie realitätsferne Betrachtung des Sachverhalts. Daß bei solchen Geschäften nichts wächst, worauf es beim kapitalistischen Handeln und Wandeln „eigentlich“ ankommt, läßt sich eben schlecht wegargumentieren. Also stellt man sich mal kurz den Kapitalismus als eine globale Geldumverteilungsveranstaltung vor und beruhigt sich: Wenn Geld, das an einer Stelle weg ist, an anderer Stelle weiterhin da ist, dann ist doch kein Schaden eingetreten. Offenbar haben sich der „Finanzplatz London“ und die Bank of England ganz überflüssigerweise aufgeregt – sie hätten sich eben sagen sollen, daß das Baring-Geld jetzt in besten, nämlich Gewinnerhänden ist (man möchte fast fragen, ob der Verfasser das auch so sieht, wenn ihm sein Portemonnaie geklaut wird: „Kaufkraft“ jetzt beim Dieb, alles in Ordnung!). Der ganzen geistigen Verrenkung ist nichts anderes anzumerken als der feste Wille zur Verharmlosung der „Gefahren“, die beim Blick in die Zeitung das blindeste Auge schlagen. Man muß die „Gewinne und Verluste“ eben nur auf viele „Schultern“ verteilen, sprich, es beim Derivathandeln nicht übertreiben – dann kann dem höheren Wesen, das wir verehren, namens Finanzsystem auch nichts passieren.

Beim Derivatehandel handelt es sich eben nicht um die Lösung einer „globalen“ Rechenaufgabe. Wie jeder Kredit ist ein Derivat eine Form der Übertragung von Eigentum; und das muß es schließlich, wenn die Sache ernst wird, irgendwo geben. Quelle und Basis für Geldaneignung durch Derivate bleibt – da beißt die Maus keinen Faden ab – die Gesamtmasse an Kapital, das der spekulierenden Bank zur Verfügung steht. Diese Masse ist damit aber auch die Haftungssumme für Verluste. Natürlich kann eine Bank ins Blaue hinein und ohne Rücksicht auf ihre Reserven immer mehr Kredit in dieser Sphäre fungieren lassen; wie man hört, soll das ja auch immer häufiger vorkommen. Dann steht sie aber auch, wenn das Geschäft schief geht, mit diesen Reserven für die Bedienung der Kontrakte ein. Dann zeigt sich die andere Seite dessen, daß die Bank mit ihrer freien Schöpfung von Geld lauter Ansprüche auf Verdienst in die Welt setzt. Diese Ansprüche sind zugleich ebensoviel Eigentumstitel ihrer Wettgegner, die eingelöst sein wollen; Die Ausrede, es sei nicht so gemeint gewesen, gilt nicht, und diese Schulden sind auch keine Ehrenschulden. Weil an den Reserven der Bank alles Geschäft hängt, das sie kreditiert hat, platzt da noch so einiges andere an Geschäften und Vermögen mit; so daß am Ende sogar auch die Bilanzen der Nation von ihrer Pleite betroffen sein können. Daß die Bedienung im eingetretenen Schadensfall durch neue Vorschüsse von Kredit seitens anderer Banken oder des Staates fingiert werden kann, macht die Sache deshalb auch nicht besser: Dann haben eben die den Schaden.

9.

Daß der Handel mit Derivaten ganze Konzerne und Banken ruinieren kann, ist von der Fachwelt mit einiger Aufregung registriert worden. Eine Kritik des Geschäftszweigs und seiner eigentümlichen Handelsobjekte ist nicht herausgekommen – die Suche nach Schuldigen und die Warnung vor Fahrlässigkeit, die schließlich in allen Kreditgeschäften eine Risikoquelle darstellt, sind an die Stelle des zeitweiligen Verdachts getreten, mit der Abteilung sei grundsätzlich etwas nicht in Ordnung. Und es wäre auch ungerecht, dem Derivatehandel die Krisen des kapitalistischen Geschäftsgangs in die Schuhe zu schieben. Diese Schönheit des Kapitalismus hat ihren guten Grund woanders, und die traditionellen Formen der Spekulation waren und sind für den praktischen Beweis, daß zuviel Kredit unterwegs ist, allemal genauso geeignet.

Dennoch ist es kein Zufall, daß die Meldung bezüglich überschüssigen Geldkapitals, das mit Erträgen nicht mehr rechnen kann, heute aus der Ecke der Derivate an den Rest der Märkte ergeht. Mit dieser Art der Spekulation stellen sich Geldbesitzer bzw. Verwalter von Finanzkapital neben die Geschäfte, die sie ansonsten betreiben. Sie verwandeln ihre Erwartungen hinsichtlich des allgemeinen Gangs der Geschäfte in eine Anlageform, mit der sie sich weder an Angebot noch an Nachfrage der „Basisgeschäfte“ beteiligen; sie investieren in eine vorgestellte Beteiligung, vergleichen diese mit den Ergebnissen des wirklichen Geschäftsverlaufs, um für die eingetretene Differenz Gewinne einzustreichen. Im Setzen auf diese Differenz spekulieren sie ebenso auf wie gegen den Gang der Geschäfte; in ihrer Absage an die Risiken, die mit der „normalen“ Spekulation verbunden sind, gestehen sie einerseits ihre Not ein. Sie verfügen über eine stets wachsende Masse von Kredit, für den sie eine rentable Anlage suchen – und sie bezweifeln, daß diese Plethora von Geldkapital im überkommenen Angebot der Eigentumstitel gewinnbringend verstaut werden kann. Aus dieser Not ist die Tugend des Derivatehandels geworden, durch den die Geldhändler aller Herren Länder Überschüsse erwirtschaften, die sich unabhängig davon einstellen, ob in den übrigen Geschäftssphären etwas wächst.

Diese kompensatorische Dauerveranstaltung hat sich das Finanzkapital organisiert und von seinen Dolmetschern das Kompliment eingeheimst, um „Sicherheitsstiftung“ bemüht zu sein. Der banalen Tatsache, daß Gewinne ohne Wachstum nur dadurch zu machen sind, daß sie mit den Verlusten anderer, der „Wettpartner“, finanziert werden, wurde mit dem beschwichtigenden Gerede vom „Nullsummenspiel“ Rechnung getragen. So daß bei solch gediegener Ignoranz wieder einmal die Praxis für die Aufklärung zuständig ist.

Die ansehnlichen Summen, die im Derivatehandel investiert sind, und die nicht minder ansehnlichen Erträge, die bisweilen negativ ausfallen, stammen eben aus dem Vermögen der Konzerne und Bankhäuser, das sie aus ihren sonstigen Geschäften erwirtschaften. Dieses Vermögen wird benutzt und beansprucht, um Einsätze zu tätigen und die Gewinne aus Derivaten zu finanzieren. Insofern ist es mit der Trennung von den gewöhnlichen Geschäften und mit der Sicherheit der Anlagen doch nicht so weit her. Die wechselseitige Enteignung, die da Gewinne und Verluste so schön zur Nullsumme ausgleicht, ist – weil eben eine Spekulation mit dem anderweitig ergatterten Geld – ein Angriff auf Besitz und Kreditwürdigkeit der Verlierer. Und die ganze Innovation besteht darin, daß die Zerstörung von Kredit, die Bezweiflung der Geschäftsfähigkeit von Finanzkapitalisten – mit deren Solidität manches andere Geschäft steht und fällt – heute per Umweg über das Schicksal von Derivaten vollzogen wird.

[1] „Da der Umgang mit Derivaten auch erhebliche Gefahren birgt, könnte der Schluß gezogen werden, Derivate seien ein Fluch. Rasch könnte daraus eine Forderung abgeleitet werden, den Handel in Derivaten zu verbieten oder Sand in diesen Handel zu streuen. Das wäre jedoch nicht sinnvoll … Derivate erfüllen eine sehr wichtige Funktion, nämlich die Verteilung von Risiken zu verbessern. In einer Welt, in der die Märkte sich immer schneller ändern und das Wissen sich immer schneller umschlägt, sind die Risiken hoch und erfordern bessere Techniken zu ihrer Beherrschung. Derivate leisten dazu einen wichtigen Beitrag.“ FAZ, 22.4.1995.

[2] FAZ 5.4.1995.

[3] Das Hedgingmotiv hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen, da die Schwankungen von Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen größer geworden sind. FAZ 22.4.1995.

[4] Im Frühjahr 1995 wird der Verfall des Dollarkurses als die entscheidende Gefährdung der Geschäfte der deutschen Exporteure, ja der deutschen Konjunktur insgesamt betrachtet. Die Verdienste der Firmen hängen für 1995 von schon im letzten Jahr abgeschlossenen Kurssicherungsgeschäften ab; sie wird der Wertverfall des Dollar erst 1996 voll treffen: 633 Millionen DM Buchgewinn hat sich der Daimler-Konzern 1994 aus Währungsveränderungen zugute schreiben können. Zum größten Teil ist dieser bei der Tochtergesellschaft Daimler-Benz-Aerospace angefallen. Entstanden ist der Buchgewinn aus der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Absicherungskurs von 1,75 DM für den Dollar und dem tatsächlichen Kurs von 1,55 DM am Jahresende… Für 1995 hat die DASA ungefähr zwei Milliarden DM Umsatz beim Airbus zu Kursen von 1,65 DM und mehr kursgesichert. Wenn der Vorstandsvorsitzende dennoch nicht ruhig schläft, dann deswegen, weil nun die negativen Wirkungen des Währungsverfalls immer stärker hervortreten. Ein Großteil des Geschäfts ist nicht kursgesichert. Neue Absicherungen auf dem bisherigen Kursniveau oder etwas darunter sind kaum mehr möglich oder teuer. Kurssicherungen können das unternehmerische Risiko aus dem Währungsverfall begrenzen. Doch das Netz hält nur für eine begrenzte Zeit. ‚Wir betreiben grundsätzlich Kurssicherungsgeschäfte‘ heißt es bei Siemens in München. Die fälligen Versicherungsprämien seien zwar nicht billig. Doch schütze dies vor unangenehmen Überraschungen. … Stärker als vom Kursverfall des Dollar spüren die meisten deutschen Unternehmen die kräftige Aufwertung der D-Mark gegenüber europäischen Währungen. Doch auch innerhalb Europas fühlt sich Siemens zumindest kurzfristig gut versichert. Die negativen Auswirkungen der starken D-Mark dürften erst 1996 voll zum Tragen kommen, heißt es. Denn dann werden die auf dem heutigen Niveau abgeschlossenen Geschäfte die Ergebnisse belasten. FAZ, 20.4.1995 Was natürlich nicht heißt, daß sie nicht schon andere „Ergebnisse“ belasten: Bis dorthin haben eben die letztjährigen Verkäufer der Kurssicherungsgeschäfte den Schaden zu tragen.

[5] An den danebengegangenen Devisentermingeschäften von VW bis zur Pleite der Metallgesellschaft bei ihren Öl-Termingeschäften zeigt sich, daß alle international tätigen deutschen Großkonzerne den Übergang von der „defensiven“ Kurssicherung zum eigenständigen Spekulationsgeschäft gemacht haben, bei dem ein Teil des Geschäftskapitals explizit für Vermehrung durch diese Sorte Operationen bereitgestellt wird. Das große Volumen eigener Absicherungsbedürfnisse dient als besonders günstige Ausgangsbasis zum Einstieg in die Spekulation: Wer Kurssicherung betreibt, muß die vereinbarten Quanta Fremdwährung ja nicht gleich kaufen, er verschafft sich erst einmal Freiheiten, um dann, je nachdem, wie sich der eigene Bedarf nach Fremdwährung und deren Kurse entwickeln, mit den Kontrakten zu handeln und sich erst später oder gar nicht im vorgesehenen Umfang mit Währungen einzudecken. Umgekehrt lassen Daimler-Benz und andere Konzerne bewußt ca. ein Drittel ihrer Exportgeschäfte ungesichert: Der ungesicherte Teil würde bewußt als Risiko eingegangen, denn dahinter würden immerhin auch Chancen stehen. (ebd.)

[6] Von der Möglichkeit, sich praktisch jederzeit der effektiven Erfüllung eines Warentermingeschäfts durch Abschluß von Gegengeschäften entziehen zu können, wird umfangreich Gebrauch gemacht. Im Gesamtdurchschnitt schätzt man den Anteil der effektiv erfüllten Geschäfte, gemessen am Gesamtumsatz, auf ca. 1 bis 3%. Obst/Hintner, Geld-, Banken- und Börsenwesen, 38. Auflage, Stuttgart 1991, S. 1132.

[7] Das tut der Funktion der Risikobegrenzung keinen Abbruch dort, wo sie für diesen Zweck verwendet wird. Wenn ein Aktienbesitzer sein Portfolio gegen einen zukünftigen Einbruch der Aktienkurse sichern will und dafür eine Verkaufsoption über seine Aktien zum Tageskurs kauft, dann wird er, falls der befürchtete Kursverfall eintritt, eine teurer werdende Option in Händen halten und durch ihre schließliche Erfüllung die Verluste an seinem Aktienbesitz begrenzen oder ausgleichen. Falls der Kursverfall nicht eintritt, wird seine Option wertlos, aber er braucht die Kompensation für Verluste im Aktiengeschäft ja auch nicht. Die Versicherung hat ihn dann eben den Optionspreis gekostet.

[8] „In der Aufteilung des Optionsgeschäfts in ein Vorgeschäft und ein Wertpapiergeschäft besteht der Hauptunterschied zum alten Termingeschäft. … Entsprechend der Verselbständigung des Vorgeschäfts kann der Anleger das Optionsrecht selbst auch im Markt veräußern.“ Obst/Hintner, Geld-, Banken- und Börsenwesen, 38. Auflage, Stuttgart 1991, S.490. Das geht dann so: Die Emittentin gewährt hiermit dem Inhaber von je 10 Nikkei 225 Index Call bzw. Put Optionsscheinen … das Recht, nach wirksamer Ausübung des Optionsrechts einen Geldbetrag in DM zu verlangen, der der in DM umgerechneten Differenz japanischer Yen entspricht, um die der Abrechnungskurs den Basiskurs gegebenenfalls überschreitet (Call) bzw. unterschreitet (Put). Annonce der Société Générale in der FAZ vom 6.4.1995.

[9] Das Gesamtvolumen solcher Geschäfte schätzen Experten weltweit auf unvorstellbare 50 Billionen Dollar, 8 Billionen Mark davon entfallen allein auf derivative Geschäfte der deutschen Kreditwirtschaft. Damit übersteigt der Derivatehandel auch in Deutschland das Volumen herkömmlicher Bankgeschäfte. Der Boom hat seinen Grund nicht nur im gestiegenen Absicherungsbedürfnis weltweit operierender Finanzmanager. Für die Banken sind die Futures zugleich ein glänzendes Geschäft. Finanztest 2/95, S.42.

[10] Obst/Hintner, l.c., S.493. Praktische Ratgeber auf dem Feld der Optionsscheinspekulation konstruieren für das „Rennen gegen die Zeit“ gleich eine Konstante „Theta“, die den täglichen Zeitwertverlust eines Scheins mißt und raten dringend zum rechtzeitigen Verkauf: Insbesondere dann gilt diese Regel, wenn der Schein nur noch eine kurze Restlaufzeit hat. Warrants leiden nämlich in diesem Fall an einem rapiden Zeitwertverfall. Calls können in diesem Fall nur dann noch guten Gewissens gehalten werden, wenn man von einer massiven Aufwärtsbewegung (des Basisprodukts) ausgeht. Optionsschein-Magazin 4/95.

[11] In ihrer üblichen Borniertheit reflektieren die Aufseher des Finanzgewerbes die negativen Wirkungen dieses bemerkten Umstands als Problem mangelnder Kontrolle: Im übrigen bereiten die großen Volumina der bilanzunwirksamen Geschäfte eine gewisse Sorge. … Ein wesentlicher Grund für die Volumenausdehnung der Geschäfte dürfte auch darin liegen, daß zur Schließung von Positionen aus solchen Kontrakten … wiederum neue und zwar gegenläufige Kontrakte abgeschlossen werden müssen. Je nach Handelsaktivität der Institute können sich damit außergewöhnlich große Bruttobeträge aufbauen. Diese stehen dann in keinem direkten Verhältnis zu den realwirtschaftlichen Größenordnungen und können kaum mehr mit traditionellen gesamtwirtschaftlichen Kriterien bewertet werden. Vielfach wird deshalb die Messung derivativer Geschäfte mit dem Betrag des Basisgeschäfts von Marktteilnehmern kritisiert und vorgeschlagen, lediglich die Wiederbeschaffungskosten, gegebenenfalls sogar pro Kontraktpartner saldiert oder auf die globale Nettoposition bezogen, zugrunde zu legen. Deutsche Bundesbank Monatsbericht Oktober 1993, S. 60f.