Leserbrief zum Artikel „Ich sag’ nur Köln!!“ in GegenStandpunkt 1-16

Nach der Analyse (?) bzw. Klarstellung ihrer Position im GegenStandpunkt, was empfiehlt die Redaktion den Frauen, den Opfern, im Umgang mit den aktuellen und künftigen Tätern?

Aus der Zeitschrift
Siehe auch
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Leserbrief zum Artikel „Ich sag’ nur Köln!!“ in GegenStandpunkt 1-16

Ich sag’ nur Köln und Berlin, und wie weiter – im Sommer, nicht nur in den Schwimmbädern?

Nach der Analyse (?) bzw. Klarstellung ihrer Position im GegenStandpunkt, was empfiehlt die Redaktion den Frauen, den Opfern, im Umgang mit den aktuellen und künftigen Tätern?

Auch eine möglicherweise plausible Erklärung kann die Tatsache der männlichen Gewalt – unabhängig von der Herkunft der Täter – nicht aus dieser kapitalistisch-imperialistischen Welt schaffen.

Wie sollten die – vor allem – weiblichen Opfer weiterhin damit umgehen bzw. dagegen gemeinsam handeln?

Sollten Frauen auf eine gewaltsame Gegen-Abrechnung verzichten? Da sie nun über den gesellschaftlichen Kontext informiert – wenn überhaupt – wurden?

Der Kapitalismus bietet den Frauen – vor allem den werktätigen Frauen und Männern – keine soziale, ökonomische und politische Gleichstellung. Es gibt aber einen Grad an begrenzter bürgerlicher Emanzipation, auch bei der materiellen und sozialen Teilhabe, auch an der materiellen Selbst-Ausbeutung und Selbst-Verwertung der Frau, – in den meisten europäischen Ländern, wie er für die große Mehrheit der Frauen (und Männer), auch in Folge der historischen Entwicklung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse, in der (neo-kolonialisierten) arabisch-afrikanischen und heute mehrheitlich religiös-islamischen Welt nicht existiert.

Die Frauen in Europa sollten auf ihre rudimentäre bürgerliche Emanzipation nicht verzichten!

Auch nicht bei allem Verständnis für die falsche Handlungsweise (und deren historische Quellen) der in ihrer großen Mehrheit ökonomisch und sozial, kulturell und traditionell, patriarchalisch und religiös, feudal-kapitalistisch unterdrückten männlichen Täter (aus der jeweiligen Klassengesellschaft).

Natürlich, die Autoren im GegenStandpunkt, Sie haben nicht die Absicht, auch nicht die Aufgabe im kapitalistischen Staat, die Polizei und/oder Justiz, den bürgerlichen Gewaltapparat zu ersetzen.

Vielleicht haben Sie aber praktikable Vorstellungen für den kapitalistischen Alltag, damit, – mit den voraussichtlich kommenden und vermehrten Angriffen (?) auf Frauen –, umzugehen?

Antwort der Redaktion

Die Zuschrift lässt sich auf das Thema des Aufsatzes nicht ein. In dem handeln wir nicht von den Ursachen und Hintergründen der Kölner Übergriffe, sondern von der verlogenen Verwendung, die diese im innenpolitischen Streit um die Flüchtlingspolitik gefunden haben. Wo das maghrebinisch-arabische Jungvolk erwähnt wird, das vorführt, welches Milieu lumpenproletarischer Strolche fest zum Kapitalismus Deutschlands, zu seinen dicken sozialen Rändern und zum Pluralismus der Parallelgesellschaften gehört, die sich diese Nation im Zuge ihres imperialistischen Ausgreifens aus aller Welt importiert, da geht es nicht um eine psychologische, kulturelle oder wie auch immer „marxistische“ Erklärung der Taten, sondern lediglich um eine Kennzeichnung der Ecke der Gesellschaft, aus der die Täter kommen. Die Erklärung liest der Autor der Zuschrift in den Artikel hinein, und lehnt ab, was er da hineinliest, wie er mit allerlei Floskeln zu erkennen gibt: Analyse (?), eine möglicherweise plausible Erklärung, über den gesellschaftlichen Kontext informiert – wenn überhaupt. Seine Zurückweisung der vermuteten Erklärung zu begründen, hält er allerdings nicht für nötig.

Der Mangel, den er unseren Ausführungen vorhält, ist anderer Art und betrifft das Bemühen um Erklärung – ob richtig oder falsch – überhaupt: Auch eine möglicherweise plausible Erklärung kann die Tatsache der männlichen Gewalt ... nicht aus der Welt schaffen. Wer erwartet eigentlich, dass Theorien den Gegenstand beseitigen, den sie erklären? Der Autor lastet einer Erklärung den Fortbestand ihres Objekts als ein Defizit an, das jedenfalls den Erklärenden verpflichtet, nun aber auch Vorschläge dafür zu liefern, wie mit der Scheiße, die er kritisiert, besser umzugehen sei. In der festen Erwartung, die wir auch nicht enttäuschen wollen, dass wir in der Hinsicht nichts zu bieten haben, fordert er Ratschläge ein, wie Frauen, wenn sie sexuell belästigt werden, im kapitalistischen Alltag damit umgehen sollen. Dazu haben wir tatsächlich nichts beizutragen: Die Kritik von Gewaltverhältnissen ist keine Handreichung dafür, wie die Menschen mit diesen Verhältnissen besser zurechtkommen können; sie erklärt ja gerade, warum mit ihnen so schlecht zurechtzukommen ist. Aber um die Frage, wie sich belästigte oder bedrohte Frauen schützen, sich unangenehme Situationen ersparen und sich, wenn nötig, zur Wehr setzen können, geht es dem Autor gar nicht. So defensiv und wirklich praktisch meint er das Umgehen mit Übergriffen im Alltag nicht, das er für angemessen hält. Was ihm als gemeinsames Handeln der betroffenen Frauen vorschwebt, hat mit dem Bedürfnis nach Schutz wenig zu tun. Die gewaltsame Gegen-Abrechnung versteht man wohl richtig als Rache an den Machos für die Schmach, die sie durch Anmache und Begrapschen emanzipierten Frauen zufügen: Die sollen sich zusammentun und den Kerlen in die Eier treten.

Mit der Scheinfrage, wie wir uns den Umgang mit aktuellen und künftigen Tätern denn vorstellen, reklamiert der Autor ein Recht der angegriffenen Frauen auf Gegengewalt und klagt dafür Anerkennung ein: Wir sollen zugestehen, dass es in Ordnung geht, wenn die nun ihre Angreifer jagen. Da wird offenbar in der Tradition des alttestamentarischen „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gedacht: Weil Frauen in ihrem Recht auf Unversehrtheit und Respekt verletzt worden sind, erwächst ihnen ein Recht auf Vergeltung; weil sie Opfer von Gewalt geworden sind, steht es ihnen zu, umgekehrt gewalttätig zu werden und ihre Verletzer zu Opfern zu machen. Wozu? Für nichts weiter, als dass die beleidigten Frauen die Demütigung nicht auf sich sitzen lassen und ein Gleichgewicht der Verletzungen hergestellt wird. Diesen archaischen Gerechtigkeits-Standpunkt sollen wir wenigstens ideell unterstützen und den daraus folgenden kleinen Geschlechterkrieg als politische Tat anerkennen, die nach Köln richtig und fällig ist.

Tatsächlich ist die Anfrage ein Test auf uns: Der Autor der Zuschrift stößt auf einen Artikel zu den Ereignissen in Köln, der einfach etwas anderes behandelt als die Beleidigungen und Verletzungen, die Frauen dort zu Silvester widerfahren sind. Das hält er für unerhört: Wo Frauen angegriffen werden, hält er es – jedenfalls bei Leuten, die sich zur Linken rechnen – für geboten, die Übergriffe vom Standpunkt des verletzten Rechts der Frau aus zu beurteilen und von daher für ein Anrecht beleidigter Frauen auf Gegengewalt Partei zu ergreifen. Dagegen halten wir es erstens für verkehrt, sich in die Rolle eines ideellen Richters zu begeben, der als überparteiliche Instanz darüber rechtet und richtet, was sich gehört, sich in dieser eingebildeten Richterrolle dann parteilich auf den Standpunkt des verletzten Rechts eines Opfers zu stellen und von da aus über gerechte Vergeltung an den Übeltätern nachzudenken. Das läuft immer darauf hinaus, dass man sich realistisch – das machen die Kölner Staatsanwälte – oder idealisierend auf die Rechtsordnung beruft, die es gibt.

Zweitens gilt die Parteinahme gar nicht den wirklich betroffenen Frauen, sondern richtet sich auf ein vorgestelltes ideelles Opfer – das Kollektivsubjekt „Frau“ – das sich aus Individuen mit ganz verschiedenen Lebens- und Klassenlagen zusammensetzt, so dass eine gemeinsame Verletzung, ein gemeinsamer Feind und ein gemeinsames Interesse rein ideologische Konstrukte sind. Den Fehler des parteilichen Denkens, das der Leserbriefschreiber einklagt, führt er selbst vor, wenn er die kriminellen Übergriffe teils zum Indiz der heutigen gesellschaftlichen Rolle der Frau, teils zur Bedrohung dieser Rolle aufwertet. Daran ist gut zu sehen, wie verkehrt es ist, die ökonomische und politische Ordnung vom Standpunkt „der Frau“ aus zu beurteilen, danach nämlich, ob „Frau“ als gleichwertiges Rechtssubjekt respektiert und als vollwertiges Konkurrenzsubjekt ernst genommen wird. Am System der kapitalistischen Ausbeutung und des kapitalistischen Reichtums findet er manches, vor allem aber eines kritikwürdig: Es gewährt den Frauen keine echte Gleichstellung. Als ob die ein vernünftiges Ziel wäre, wenn die Rollen der Männer auf Seiten der werktätigen wie der herrschenden Klasse jeweils selbst ganz beschissene Rollen sind. Möchte man denn nichts, als da mitspielen? Und was fehlt eigentlich? Gleichstellung in dieser Gesellschaft heißt gleiche Teilnahme an der Konkurrenz – mit ungleichen Resultaten; beides genießen die Frauen heute: Der Bedarf des Kapitals zuerst nach besonders billigen, später überhaupt nach zusätzlichen Arbeitskräften hat ihnen längst die zweifelhafte Befreiung aus der Bindung an Heim und Herd und die Rolle von gleichgestellten Rechtssubjekten, nämlich selbständigen Erwerbspersonen eingetragen. Die Rolle haben sie nun zusätzlich zu der gar nicht verschwundenen als Hausfrau und Mutter auszufüllen. So hat die Einbeziehung in die kapitalistische Arbeitswelt für die Frauen einiges verändert; ob die Doppelbelastung das Leben für die Mehrheit unter ihnen leichter und schöner gemacht hat, ist allerdings sehr die Frage. Eine Frage, die den Autor der Zuschrift definitiv nicht interessiert.

Seine kritischen Einlassungen zum Kapitalismus sind nur der Vorlauf zu einer Immerhin-Theorie des Schlechten: Im Vergleich zu früher und anderswo, in diesem Fall zu den muslimischen Ländern, mutiert der Kapitalismus mit seiner geschlechterübergreifenden Lohnarbeit für die meisten und seinen reservierten Aufsichtsratsposten für einige wenige Frauen zur positiven Bedingung: Er beschert ihnen eine rudimentäre Emanzipation – immerhin. Alle Kritik des Wirtschaftssystems tritt zurück hinter dieses Immerhin, das der Autor zum verteidigenswerten Gut erhebt und allen Ernstes von ein paar tausend maghrebinischen Rowdies bedroht sieht. Er bläst die Kölner Übergriffe zur epochalen Alternative auf – kapitalistische Moderne oder patriarchalische Unterdrückung –, angesichts der ausgerechnet Linke für den Kapitalismus zu optieren hätten. Keine Angst, möchte man ihm zurufen: Die Integration in die kapitalistische Konkurrenz kann die böse Minderheit unter den Zuwanderern den europäischen Frauen nicht mehr wegnehmen.

Über diese Minderheit hat der Autor dann auch eine Theorie parat, die ganz seinem Schema gerechter Gewalt gehorcht: ...bei allem Verständnis für die falsche Handlungsweise (und deren historische Quellen) der in ihrer großen Mehrheit ökonomisch und sozial, kulturell und traditionell, patriarchalisch und religiös, feudal-kapitalistisch unterdrückten männlichen Täter (aus der jeweiligen Klassengesellschaft). Er erklärt sich die Motive des merkwürdigen Vergnügens auf der Kölner Domplatte gar nicht, sondern erklärt die „falsche Handlungsweise“ als gesellschaftlich verursacht – was schon die halbe Entschuldigung ist: Das Handeln dieser Typen habe historische Quellen, sie seien selbst Opfer von Unterdrückung – egal welcher, die Angebotsliste ist ja lang. Als solchen kann er auch ihnen ein Recht auf Verständnis nicht absprechen. So hat er dann zwei Opfergruppen und zwischen ihren Rechten abzuwägen: Natürlich sind europäische Frauen an der Unterdrückung der männlichen Täter nicht schuld und deshalb die falsche Adresse für deren aggressives Sich-schadlos-Halten. Mit dem Verweis auf historische Quellen billigt er ihnen andererseits eine unglückliche Prägung durch vormoderne kulturelle, traditionelle, patriarchalische und religiöse Verhältnisse zu, die der zurückgebliebenen Entwicklung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse in ihrer Heimat geschuldet seien. Historisches Herkommen, Erziehung, Kultur sind aber kein Gefängnis, aus dem der darin Aufgewachsene nicht ausbrechen kann. Auch muslimischen Machos hat Allah einen Verstand gegeben, der sie befähigt, sich über traditionelle Geschlechterrollen zu erheben. Leider gebrauchen sie ihn offensichtlich für etwas anderes: für entschlossene Anpassung nämlich an die kapitalistische Konkurrenzgesellschaft, in der sie so viel mehr dürfen als in der alten Heimat und ein Recht auf „pursuit of happiness“ haben. So viel haben diese Randgruppen-Existenzen mit Abschiebeperspektive von der vorbildlichen kapitalistischen Moderne nämlich schon verstanden, dass man sich hier rücksichtslos durchsetzen und sich, wo es geht, nehmen muss, was man haben will. Gewiss, die reguläre ökonomische Konkurrenz ist ihnen verschlossen, aber den Geist der Konkurrenz haben sie drauf. Der Islam jedenfalls hat sie nicht gelehrt, sich einen Spaß aus der Panik zu machen, in die sie Frauen versetzen, wenn sie sie einen Handgriff lang als Sexobjekt behandeln und bestehlen.