Leserbrief Zu unserem Lieblingsthema „Sexualität und Herrschaft“ heute:
Vom Elend der und mit den Homos

Leser fragt: „Woher kommt diese Abneigung gegen Homos?“. Redaktion antwortet: Die Staatsgewalt hat ihnen den guten Willen nicht bloß zu biologischer Fruchtbarkeit, sondern überhaupt zu sittlicher Anpassung abgesprochen. Die sexuell „richtig“ orientierte Mehrheit hat diesem Verdikt das gute Recht entnommen, die offiziell kriminalisierten „Abweichler“ als Perverse zu verachten.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog

Leserbrief
Zu unserem Lieblingsthema „Sexualität und Herrschaft“ heute:
Vom Elend der und mit den Homos

Hallo liebe Gegenstandpunkt-Redaktion,… Ich habe … eine inhaltliche Frage, die ich alleine nicht zu lösen vermag. Im Großen und Ganzen geht es um das Schwulenthema. (Ich selbst bin es auch, deswegen, denke ich, würden mir die Argumente wirklich sehr helfen.)

Also: Woher kommt diese Abneigung gegen Homos? Ich hab mir das so zusammengereimt, dass es etwas damit zu tun haben will, dass die für bürgerliche Denker nur Egoisten sind, weil: wenn die eine Beziehung haben, geht es ja nicht um das Allgemeinwohl, sprich Fortpflanzung. Trotzdem: eine genauere Erklärung wäre mir hilfreich.

Auf der anderen Seite, warum machen viele Schwule dann so ein scheiß, wie sich pinke Frauenkleider anziehen? (Also die Vorurteile umkehren und darauf dann stolz sein?) Oder ich kenne sehr viele Schwule, die sich dann anderweitig präsentieren wollen. (Theater, Fernsehen, Radio) Warum das? Warum fragt niemand von denen nach dem Grund für die Abgrenzung? Wie kommen so Gedanken zustande, dass sich Leute jahrelang verleugnen oder Selbstmord begehen deswegen? Warum ist der Hass gegen Schwule so viel größer, als der gegen Lesben? Warum finden die diese Home-Ehe so super? (na gut…kann schon sein, dass es dadurch toleranter wird, aber wenn die normale Ehe schon so trostlos ist, warum dann nachmachen?)

Sorry, ich weiß, ihr erklärt lieber den Imperialismus und solche Themen… aber das sind Fragen, auf die ich nicht weiter weiß und die mich tagtäglich betreffen.

Hoffe auf eine Antwort.

Antwort der Redaktion

Hallo lieber Leser, wir befassen uns mit „Imperialismus und solchen Themen“ überhaupt nicht gern, schon gar nicht „lieber“ als was auch immer. Deswegen schrecken wir aber auch vor den „Themen“ nicht zurück, die die öffentliche Moral auf die Tagesordnung setzt.

1. Die Abneigung gegen Homosexuelle

– die übrigens ziemlich im Verschwinden begriffen ist, sogar in der Berliner SPD – entstammt einer solideren Ursache als den Vorurteilen sittenstrenger bürgerlicher Denker. Kein Geringerer als die bürgerliche Staatsgewalt selbst steckt dahinter. Die passt nämlich ganz grundgesetzlich auf den Geschlechtsverkehr ihrer freien Bürger auf. Sie stellt Ehe und Familie unter ihren besonderen „Schutz“ und macht damit unübersehbar deutlich, dass sie sich von einem geordneten sexuellen Triebleben sehr viel verspricht. Was, das drückt die Metapher von der Familie als „Keimzelle“ in ihrer doppelten Bedeutung klar aus. Wenn zwei Leute intim zusammenleben und Kinder in die Welt setzen, dann leisten sie, ob sie das wissen und wollen oder nicht, einen öffentlichen Dienst: Sie sorgen dafür, dass das Volk nicht ausstirbt, in dem die Staatsgewalt ihre ganz eigene, per Geburt ihr (zu)gehörige Basis und Manövriermasse hat. So betätigen sie sich als „Keimzelle des Volkes“: als Fortpflanzungsorgan der jeweiligen Staatsbürger-„Rasse“. Der andere Dienst ist sittlicher Art und dem Staat genau so wichtig: Wenn Liebespaare, – zumindest anfangs – aus purer Zuneigung zueinander, einen „Hausstand“ gründen, für einander sowie ggf. für ihre Kinder sorgen und einstehen und alles tun, um dem bürgerlichen Erwerbsleben mit all seinen Härten ein privates Glück abzuringen, dann leisten sie aus Liebe Anpassung an die Welt der Gesetze und des Geldverdienens, schlucken um eines gelungenen Privatlebens willen alle Zumutungen des alltäglichen Konkurrenzkampfs, seitens ihrer Arbeitgeber z.B., usw. Das gefällt der allerhöchsten öffentlichen Ordnungsinstanz; denn so machen die Leute es sich zu ihrem ganz ureigenen Anliegen, als „Rädchen im Getriebe“ der herrschenden Verhältnisse zu funktionieren. Und so betätigen sie sich – schon wieder, ohne es zu wissen und zu wollen – als „Keimzelle der Gesellschaft“, reproduzieren nämlich die herrschenden Sitten und mit denen, als wäre ausgerechnet das ihre freie Absicht, das ganze System der Konkurrenz, der Erwerbsarbeit im Dienst des Kapitals und der staatlichen Aufsichtsmacht. Kein Wunder also, dass die „family values“ an der Spitze des öffentlichen Wertekanons aller modernen Nationen stehen: Per „family“ werden die anfänglichen Freuden des Trieblebens und der wechselseitigen Zuneigung wie von selbst zum Motor einer umfassenden Funktionalisierung der Privatperson für die Anforderungen, mit denen der Mensch sich außerhalb seiner Privatsphäre herumzuschlagen hat. Dass die „family“ deswegen auch nicht zu der Idylle gerät, als die Verliebte sie planen, versteht sich beinahe von selbst und gehört sowieso zum gesicherten Erfahrungsbestand jedes erwachsenen Zeitgenossen.

Besagten Dienst hat die bürgerliche Staatsgewalt an denjenigen Bürgern vermisst, die ihre sexuellen Antriebe anders als in der rechtlich geschützten Form der familiären Keimzelle ausgelebt haben. Und während sie in Sachen außerehelichen Geschlechtsverkehrs zwar auch gerne vieles verboten, letztlich aber fast alles toleriert hat – der Gesetzgeber hat einfach eingesehen, dass die sowieso praktizierten Ausnahmen von der sittlichen Regel gerade auf diesem Gebiet nur zum Bestand der Regel beitragen können! –, sind ihr Lesben und Schwule als prinzipielle Keimzellendienstverweigerer vorgekommen. Denen hat sie daher lange Zeit nicht den Status einer funktionellen Ausnahme und schon gar nicht den einer auch ziemlich familiären Alternative zum Üblichen zuerkannt. Stattdessen hat sie ihnen den guten Willen nicht bloß zu biologischer Fruchtbarkeit, sondern überhaupt zu sittlicher Anpassung abgesprochen. Und wenn die Betroffenen darauf bestanden haben, dass ihr Trieb sie nun einmal zum gleichen Geschlecht hin treibt, dann hat die Staatsgewalt ihnen eine verkehrte Naturausstattung attestiert und mit der Macht des Rechts das Leben schwer gemacht. Die sexuell „richtig“ orientierte Mehrheit hat diesem Verdikt das gute Recht entnommen, die offiziell kriminalisierten „Abweichler“ als Perverse zu verachten – ein schöner Lohn für alle Unkosten, die ein tugendhaftes Familienleben so mit sich bringt; siehe oben.

Entsprechend lange hat es gedauert; entsprechend viele „Tabu-Brüche“ hat es gebraucht, die die Justiz aus allerlei opportunistischen Güterabwägungen heraus nicht mehr verfolgt hat – nicht zuletzt, weil politisch emporgekommene Homosexuelle sich entsprechend engagiert haben –; bis sich endlich, und endgültig mit der jüngsten Rechtsreform, in der staatlichen Einschätzung des Geschlechtslebens eine „bahnbrechende“ Erkenntnis durchgesetzt hat. Nämlich ganz banal die: Die beiden wertvollen Dienste, die das Gemeinwesen am Ehe- und Familienleben so sehr schätzt, der staatsbiologische und der sittenbildende, lassen sich doch tatsächlich – mit der gebührenden Vorsicht – voneinander trennen! Der Effekt, dass Liebespaare alles auf sich nehmen, was ihr Gemeinwesen ihnen zumutet, um es sich wechselseitig schön zu machen – und wenn die Liebe daran kaputtgeht, dann nehmen sie ihr verkorkstes Dasein schon gar nicht den kapitalistischen Lebensverhältnissen, sondern einander übel! –, der ist jedenfalls auch ohne die naturwüchsige Zeugung neuer kleiner Staatsbürger zu haben. Wenn also die homosexuelle Minderheit gar nichts anderes im Sinn hat – und den Beweis hat sie eben über die Jahre erbracht –, als in gleichgeschlechtlicher „Partnerschaft“ sämtliche „family values“ zu verwirklichen, und zwar eher noch hingebungsvoller als die anders kopulierende Mehrheit, dann braucht der hoheitliche Sittenwächter ihr das auch nicht länger zu verbieten. Im Gegenteil: Dann ist es an der Zeit, auch das gleichgeschlechtliche Liebesleben gesetzlich anzuerkennen und so als ein Stück praktizierter gesellschaftsdienlicher Sittlichkeit in Beschlag zu nehmen.

Der Verachtung der Schwulen und Lesben durch rechtschaffene Heteros ist damit ihr Recht und mit dem Recht ihre Grundlage entzogen. Sie ist deswegen nicht gleich weg. Aber dass sie sich verliert, ist längst zu registrieren. Die politische Kultur im Land ändert sich deswegen übrigens noch lange nicht. Der Hass rechtschaffener „Normalos“ gegen „Andersartige“ findet leicht seine Opfer. Der Staat präsentiert sie ja zur Genüge mit seinen sozial- und ausländerrechtlichen Ab- und Ausgrenzungen.

2. Das peinliche Benehmen,

das viele Homosexuelle an den Tag legen und das dich – weil du dich ihnen zurechnest? – so stört, war einmal eine falsche Antwort auf ihre gesellschaftliche Diskriminierung und ist mittlerweile nicht mehr als ein Stück handelsüblicher Psychokultur.

Zur Vergangenheit: Ihre Kriminalisierung und allgemeine Ächtung hat die Masse der Homosexuellen dazu getrieben, ihren Neigungen heimlich nachzugehen. Das hat nicht wenige zermürbt. Manche haben selber Zweifel an ihrer „Normalität“ bekommen und sich selbst als „pervers“ verurteilt, andere ihre Ausgrenzung nicht mehr ausgehalten und mit ihrem Selbstmord gemeint, die böse Gesellschaft ins Unrecht zu setzen. Viele Betroffene, die selbstbewusstere Minderheit wahrscheinlich, haben dagegen ihre Ausgrenzung mit absichtsvoller eigener Abgrenzung, die ihnen angetane Verachtung mit eigener Verachtung der „Normalos“ beantwortet und diese ohnmächtige Gegenwehr als Subkultur gepflegt – Motto: Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, die ihm Perversion bescheinigt. Mehr als ihre Diskriminierung haben die Anhänger dieser Schwulen-„Bewegung“ dem bürgerlichen Gemeinwesen allerdings auch nie vorzuwerfen gehabt. Zu einer Kritik am Rechtsinstitut der Familie und dessen grundgesetzlicher Zweckbestimmung – und die ist immerhin der Grund ihrer Ausgrenzung! – haben sie sich nicht durchgerungen. Dafür hätten sie allerdings auch einmal ein wenig Abstand zu ihrem – verbotenen – Geschlechtsleben gewinnen müssen. Stattdessen haben sie genau umgekehrt das bisschen Genuss am gleichen Geschlecht eher noch mehr in den Mittelpunkt ihres Denkens und Trachtens gerückt als die Heteros den am andern; sie haben sich mit ihrer – doch eher marginalen – „Abweichung“ genau so oder noch viel hundertprozentiger identifiziert als der Staat, der sie mit seinen Gesetzen darunter subsumiert hat. Und sie haben darauf gedrungen, auf ihre „Identität“ genau so viel „angeborenes“ Recht zu haben und genau so stolz sein zu dürfen wie die Gemischtgeschlechtlichen auf ihr „langweiliges“ Keimzellen-Dasein.

Mit dieser bescheidenen Zielsetzung haben die „bewegten“ Homos mittlerweile Erfolg. Nichts sonst hat sich und haben sie geändert; schon gar nichts an der Indienstnahme des Liebeslebens durch den Staat; nur die eine Unsitte haben sie dem Gemeinwesen abgewöhnt: ihre Vorliebe zu kriminalisieren. Nun glaubt der Staat ihnen also, dass Schwule und Lesben mit ihrer Variante von „Partnerschaft“ den „family values“ abzüglich der Kinderfrage doch gerecht werden wollen auch ganz gut gerecht werden können. Und parallel dazu – womit wir in der Gegenwart wären – erwirbt ihre „Sub-“ sich Anerkennung als Bestandteil der „Kultur“ des Mainstream.

Das ist sehr gerecht, spricht aber weder für die „Sub-“ noch für die „Kultur“. Was da abgeht, ist nämlich die – von sexuellen Vorlieben völlig unabhängige! – Zurschaustellung dessen, was stinknormale bürgerliche Individuen für ein besonders auszeichnendes Merkmal, genauer gesagt: für eine ziemlich großartige Leistung halten, für die der Rest der Welt ihnen Bewunderung schuldet. Das muss schon längst nicht mehr ein moralischer Knaller sein, eine Heldentat im Dienst am Vaterland oder dergleichen. Der psychologisch gebildete moderne Mensch hat gelernt, dass man sich mit jedem Fimmel sehen lassen kann, wenn nur die Souveränität, mit der man ihn vor sich her trägt, Eindruck macht; und die ersehnte öffentliche Anerkennung darf sich gerne auch aus Faszination und Grauen zusammensetzen. Deswegen geht es in all den verschiedenen und doch allesamt so zum Verwechseln gleichartig gestrickten „Szenen“ um demonstrative „Selbstverwirklichung“: die angeberische Präsentation eines mehr oder weniger methodisch fingierten „Selbst“, das weit erhaben ist über die wirkliche Alltagsexistenz unter den „Sachzwängen“ des kapitalistischen Erwerbslebens und der demokratischen Linientreue. Es geht den Beteiligten darum, in einer Welt, in der sie materiell kaum zum Zuge kommen, auf sich aufmerksam zu machen; nämlich darauf, was für einen tollen Hecht die liebe Mitwelt da eigentlich vor sich hat. Merkt sie das nicht und helfen auch immer grellere Formen der Selbstdarstellung nicht weiter, so kann ein bürgerliches Individuum darüber glatt in Verzweiflung geraten. In diesem Treiben, dessen ärgste Sumpfblüten mittlerweile nachmittäglich auf mehreren Fernsehkanälen zu besichtigen sind, spielt die sexuelle Potenz in diversen extravaganten Ausprägungen eine ziemlich bedeutende Rolle – auch dies, nebenbei, ein Abfallprodukt der ehrenwerten „family values“! –; nicht einmal das brauchten Schwule und Lesben erst zu erfinden, um es dann als ihr besonderes Markenzeichen „einzubringen“. Genau darauf sind etliche aber mit Wonne eingestiegen; diejenigen insbesondere, und das sind sicherlich die meisten, die ihre sexuelle Vorliebe ohnehin schon zu ihrem Hauptlebensinhalt gemacht und zu dem „Selbst“ heraufstilisiert haben, das sie schon immer unbedingt „verwirklichen“ wollten. Da pflegt dann mancher in der Absicht, seine biedere Umgebung zu „schockieren“, eine Absonderlichkeit, die die eigene Person aus der grauen Masse herausheben soll – und merkt noch nicht einmal, dass diese gesamte Masse auf ihre Weise und anderen Wegen mit haargenau demselben Drang unterwegs ist.

3. Die Fragen, die dich alltäglich betreffen,

verdienen im Übrigen nur eine Antwort: Lass’ es! Es gibt Probleme genug, die einem der gesetzlich geschützte bürgerliche Laden einbrockt und die man deswegen leider nur los wird, wenn eine genügende Anzahl Betroffener das Mitmachen aufkündigt. Die Probleme, an denen du laborierst, scheinen uns von der Art Probleme zu sein, die man sich selber macht. Und die wird man nur auf eine, vielleicht ungewohnte, aber sehr einfache Weise los: Man macht sie sich gar nicht erst. Das spart Nerven und lenkt nicht so ab. Und in deinem Fall könnte es – vermuten wir mal – verhindern, dass du dabei hängen bleibst, deinen Bekannten die Fehler, die sie sich als bürgerliche Individuen angewöhnt haben, bloß persönlich übel zu nehmen.