Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Kouchner droht mit Krieg gegen den Iran – die deutsche Presse verteilt Noten

Mitte September lässt, aufmerksam zur Kenntnis genommen in der deutschen Presse, die Außenpolitik der neuen französischen Regierung in Gestalt des jetzt zuständigen Ministers Kouchner von sich hören. Der lässt es zum Amtsantritt gleich richtig krachen: „Man müsse im Umgang mit dem Iran auf das Schlimmste vorbereitet sein ‚und das Schlimmste ist Krieg‘.“

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Systematischer Katalog
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Kouchner droht mit Krieg gegen den Iran – die deutsche Presse verteilt Noten

Mitte September wird die Außenpolitik der neuen französischen Regierung in der deutschen Presse aufmerksam beobachtet. Der dort neuerdings zuständigen Minister Kouchner lässt es zum Amtsantritt gleich richtig krachen: Man müsse im Umgang mit dem Iran auf das Schlimmste vorbereitet sein, ‚und das Schlimmste ist Krieg‘. (SZ, 18.9.07)

So etwas Ähnliches konnte man sich als Zeitungsleser schon lange denken: Wer den Iran als finsteren Schurkenstaat behandelt, dessen Benehmen eine einzige „Verhöhnung der internationalen Gemeinschaft“ (SZ, 11.10.) darstellt, und wer vom Iran den Beweis für die Abwesenheit von bösen Absichten fordert, der gegen das unwiderlegliche Misstrauen seiner Feinde nicht anders als durch bedingungslose Unterwerfung zu führen ist, der wird schon auf den Krieg gegen die angeblich nach der Bombe gierenden Mullahs vorbereitet sein, wenn er ihn demnächst, wenn nötig, führen will. Bloß: Solcher Klartext war bislang von den Iran-Unterhändlern, insbesondere der europäischen Seite, nicht zu hören, die mit dem Erpressungspotential der USA im Rücken als die zivilisierte Friedensmacht der Weltkriegsdiplomatie den Iran stets zur unblutigen Kapitulation drängte.

Andererseits aber will die deutsche Zeitung, die den französischen Minister zitiert, dessen offenes Wort nicht so ohne Weiteres gelten lassen: Der nämlich soll derzeit in einem „Wettbewerb der scharfen Hunde“ darauf aus sein, „nun seinen eigenen Präsidenten zu übertreffen“, weshalb seine aufklärerischen Einlassungen als „Kouchners Kriegsgeschwätz“ kleingeredet und sein „Kriegsgetrommel“ als halbwegs unernst qualifiziert wird. Dritterseits aber kommt, nur wenige Zeilen nach der despektierlichen Entwarnung aus der SZ-Redaktion, diese wiederum nicht umhin, festzustellen, dass - immerhin - „der Minister nur die letzte Konsequenz einer Eskalationspolitik gegenüber Iran beschreibt.“ (SZ, ebd.)

Die möglicherweise resultierende Verwirrung in der Kriegsfrage aufzulösen – ist Kouchner nun ein Warner vor akuter Kriegsgefahr, nur ein Schwätzer und Wichtigtuer, oder doch ein ernstzunehmender Scharfmacher? –, das ist für die Süddeutsche Zeitung nicht das vordringliche Anliegen. Sie bemüht sich mehr um die diplomatische Deutung der französischen Ankündigung im aktuellen weltpolitischen Umfeld:

„Das Wort vom Krieg ... sagt nicht irgendwer, das sagt der für Außenpolitik zuständige Minister einer Nuklearmacht mit Veto-Kraft im UN-Sicherheitsrat, das sagt Deutschlands engster Verbündeter, das sagt ein EU-Mitglied. Kouchners Kriegsgeschwätz ist nicht wirklich hilfreich, auch wenn der Minister nur die letzte Konsequenz einer Eskalationspolitik gegenüber Iran beschreibt und damit – wie es immer heißt – alle Optionen auf dem Tisch lässt. Zur Zeit wird über eine weitere Sanktionsrunde diskutiert, der vor allem die Deutschen als größte Handelspartner Irans skeptisch gegenüberstehen. Außerdem rumort es wieder einmal im Büro des immer noch nicht kriegsmüden US-Vizepräsidenten – während der Verteidigungsminister in Washington, der ja diesen Krieg zu führen hätte, deutlich auf Distanz geht.“ (SZ, ebd.)

Kouchners Kriegsdrohung löst bei den abgebrühten Chronisten der laufenden Ereignisse natürlich keinen Aufschrei der Empörung aus. Ihre Sache ist die Einschätzung der Ankündigung, ihre Einordnung in den Fortgang der westlichen Kriegsplanung und die methodische Beurteilung der Wortmeldung aus Paris darauf hin, ob sie denn zum Erfolg der anstehenden weltpolitischen Disziplinierungsmaßnahmen gegen den Iran beitrage: „Nicht wirklich hilfreich!“ lautet da der strenge Bescheid des Kommentators, der sich einfühlsam in die Rolle eines gesamtwestlichen Chefunterhändlers deutscher Nation hineindenkt. Seine Leser, als Deutsche allesamt Handelspartner des Iran, und als Europäer mit den Franzmännern engstens verbündet, macht er vertraut mit ihrer Betroffenheit durch das iranische Problem und dessen mangelhafte diplomatische Behandlung durch Kouchner und deutet an, was in internationalen Gewaltfragen wie zu berücksichtigen wäre, wenn man vom Krieg nicht einfach verantwortungslos schwätzen, sondern ernsthafte Vorkriegsdiplomatie betreiben würde: Die Interessen der Deutschen und ihre Skepsis zum Beispiel; und was in Washington los ist. Selbstredend muss um der Glaubwürdigkeit seriöser Erpressung willen am Ende der Eskalationspolitik der Krieg als letzte Konsequenz stehen. Das ist ohnehin klar. Der soll aber nach der professionellen Sichtweise der Teilzeit-Diplomaten aus der SZ-Redaktion das Gemüt des Lesers nicht als mörderische Katastrophe für Land und Leute mit bekannten Folgen belasten, sondern als eine Option zur Kenntnis genommen werden; als eine – die letzte eben – Stufe der Eskalation, die darauf abzielt, den Gegner zur Aufgabe seiner inakzeptablen Renitenz zu drängen. Ganz unerschrocken schlüpfen die Macher der öffentlichen Meinung bei der berufsmäßigen Produktion von Wort und Bild in die Haut der Kommandanten der Nation, die im wirklichen Leben über die handfesten Erpressungsmittel der Nation verfügen. In dieser Rolle machen sie das Publikum mit deren sinnvollem Gebrauch vertraut und damit, dass Krieg eben nicht weniger, aber auch nicht mehr ist, als eine Möglichkeit, die die Verhandlungsführer auf den Tisch legen müssen – und die am Ende das unbotmäßige Land, wenn es denn unnachgiebig bleibt, irgendwie selbst gewählt hat.

So kommen sie zu der Auffassung, dass es schon hilfreicher gewesen wäre, der Neuling am Quai d’Orsay hätte einfach die Schnauze gehalten. Zumal er offenbar nicht bemerkt hat – die Szenekenner des Weltblattes gewähren dem Leser einen kurzen Einblick in die Hinterzimmer der Macht –, was sich in den USA gerade anbahnt: In Cheneys Büro rumort es schon ziemlich kriegerisch und Kouchner gießt noch Öl ins Rumoren, obwohl „uns“, den Deutschen, Krieg und neue Sanktionsrunden gerade gar nicht in den Kram passen. Das findet die Süddeutsche Zeitung – deshalb – stellvertretend für Deutschland unklug. Und warum agiert der Mann so blöde?

„Für Kouchners Äußerung bleibt also nur eine Erklärung: Der Mann will den Preis hochtreiben. Das bei Sanktionen überaus zögerliche Deutschland wird unter Druck gesetzt, Russland und China müssen feststellen, dass sich ein neues Unwetter zusammenbraut. Das Wort vom Krieg beschleunigt also die Eskalation gegenüber Iran, und es ist der bis dahin deutlichste Hinweis auf einen radikalen Kurswechsel in der französischen Außenpolitik. Klug war es nicht.“

Natürlich findet der diplomatische Dienst der SZ-Redaktion auch, das ist ersichtlich, dass Kouchner ein Scharfmacher und Kriegstreiber ist, der das Hereinbrechen neuer kriegerischer Unwetter mit seiner Hetze gegen den Iran beschleunigt und den politischen Preis für die Optionen, die noch ohne Bombardierung des Iran auszukommen glauben, hochtreibt. Nicht dafür verdient er aber Abscheu und Kritik aller billig und gerecht Denkenden und der friedliebenden deutschen Zeitungsredaktionen obendrein. Denn schließlich ist es am Ende doch der gemeinsame Zweck des antipersischen Bündnisses, den Mullahs politisch und wenn nötig militärisch das Kreuz zu brechen. Aber: Gemessen an diesem imperialistischen Gemeinschaftswerk verdient sich Kouchner strenge Verweise einer national leicht erhitzbaren deutschen Öffentlichkeit. Deutschland lässt sich mit seinen Berechnungen nicht gerne unter Druck setzen, würde vor einem radikalen Kurswechsel der französischen Außenpolitik auch gerne um Zustimmung gefragt werden; und ob man da nicht – sehr unklug eben – die Russen und Chinesen noch mehr zum Ausscheren aus der iranfeindlichen Front treibt ...?

Wie kommt der Trottel also dazu, „uns“ mit seinem diplomatischen Rowdytum in die Quere zu kommen, ohne vorher in München im Ressort Außenpolitik anzurufen, wo man ihn vorbeugend auf das leicht Wahnhafte an seiner Einschätzung der Rolle Frankreichs in der Welt und – nebenbei – seiner eigenen Person hätte hinweisen können?

„Als nächstes würde der Amateur vom Quai d‘Orsay, wenn man ihn denn einlüde, gern nach Teheran reisen ... Kouchner glaubt ernsthaft, dass Frankreich die Rolle eines Vermittlers zwischen dem Westen und Teheran zusteht. So wie sein Chef Sarkozy neigt auch Kouchner zur Selbstüberschätzung.“ (SZ, 21.9.)

Soviel Analyse ist sich ein Weltblatt schuldig: Es hat zu militärischem Mord und Totschlag zum Vor- oder Nachteil Deutschlands ein streng parteilich-professionelles Verhältnis, hat das Ohr an den Bürotüren amerikanischer Vizepräsidenten, um deren Kriegsstimmung zu erlauschen und vermag sogar seine Leserschaft ins Innere der psychologischen Befindlichkeiten eines französischen Außenministers und seines Chefs mitzunehmen. Letzteres rückt die Unsympathen in der französischen Regierung zwar nicht in vorteilhaftes Licht –

„Aus dem Schatten des allgegenwärtigen Staatspräsidenten Sarkozy herauszutreten ist für die meisten französischen Minister ein politisches Überlebensziel geworden... Die Eitelkeit des vormaligen French Doctor ist etwa so groß wie das Sendungsbewusstsein seines Chefs, und sie ist nur erträglich, wenn man sich seiner guten Werke in der Dritten Welt erinnert.“ (SZ, 21.9.) –,

aber dafür hat man dem Leser mal wieder ein Stück Weltpolitik erklärt.