Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Der Bruch zwischen Hamas und Fatah:
Schon wieder eine Chance für den Frieden im Nahen Osten

In diesem Jahr häufen sich die Ereignisse, die westliche Politiker und Journalisten veranlassen, sich optimistisch über mögliche Fortschritte beim Friedensprozess im Nahen Osten zu äußern. Im Februar ist es das Abkommen von Mekka, das die Bildung einer Einheitsregierung von Fatah und Hamas besiegelte, später der Beschluss der Arabischen Liga, die „Saudi-Initiative“ wiederzubeleben, und Israel einen umfassenden Frieden – nach dem Prinzip „Land für Frieden“ – anzubieten, dann Bushs Ankündigung einer Nahostkonferenz im November … In die Reihe „hoffnungsvoller Entwicklungen“ gehört aus Sicht der Bush-Regierung – und die ist für die Region einzig entscheidend – vor allem aber die Auflösung der Einheitsregierung durch Abbas, die de facto Spaltung der palästinensischen Gesellschaft in den von der Hamas beherrschten Gazastreifen und das von der Fatah regierte Westjordanland.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Der Bruch zwischen Hamas und Fatah:
Schon wieder eine Chance für den Frieden im Nahen Osten

In diesem Jahr häufen sich die Ereignisse, die westliche Politiker und Journalisten veranlassen, sich optimistisch über mögliche Fortschritte beim Friedensprozess im Nahen Osten zu äußern. Im Februar ist es das Abkommen von Mekka, das die Bildung einer Einheitsregierung von Fatah und Hamas besiegelte,[1] später der Beschluss der Arabischen Liga, die „Saudi-Initiative“ wiederzubeleben und Israel einen umfassenden Frieden – nach dem Prinzip „Land für Frieden“ – anzubieten, dann Bushs Ankündigung einer Nahostkonferenz im November ... In die Reihe „hoffnungsvoller Entwicklungen“ gehört aus Sicht der Bush-Regierung – und die ist für die Region einzig entscheidend – vor allem aber die Auflösung der Einheitsregierung durch Abbas, die De-facto-Spaltung der palästinensischen Gesellschaft in den von der Hamas beherrschten Gazastreifen und das von der Fatah regierte Westjordanland. Condoleezza Rice versäumt es nicht, den Palästinensern ausdrücklich dazu zu gratulieren:

„Präsident Abbas hat seine rechtmäßige Autorität als Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde und Führer des palästinensischen Volkes wahrgenommen. Er genießt unsere volle Unterstützung, auch seine Entscheidung, die kritische Lage des palästinensischen Volkes zu beenden und ihm die Gelegenheit zu geben, zum Frieden und zu einer besseren Zukunft zurückzukehren.“ (NYT, 15.6.07)

Die US-Regierung war – im Gegensatz zu allen anderen Staaten mit Ausnahme Israels – von Anfang an gegen die „Regierung der nationalen Einheit“, weil sie die Hamas an der Macht beteiligte, statt sie ihr – Wahlsieg hin oder her – endgültig zu entreißen. Diese Gruppierung erfüllt nämlich nach Bushs Auffassung den Tatbestand des Terrorismus, weil sie es ablehnt, die drei Forderungen des Nahost-Quartetts – Gewaltverzicht, Anerkennung des Existenzrechts Israels und der zwischen Jerusalem und der PLO bzw. Palästinensischen Autonomiebehörde geschlossenen Verträge – zu erfüllen. Sie maßt sich an, den dauerhaften Gewaltverzicht gegenüber dem jüdischen Staat von substanziellen Zugeständnissen Israels an die palästinensische Seite abhängig zu machen, und verfolgte mit der Bildung der Einheitsregierung eine Doppelstrategie: Während die Fatah-Politiker in der Regierung sich um Kompromisse mit Israel und den USA bemühen sollten, insbesondere um die Verbesserung der Lebensbedingungen der palästinensischen Bevölkerung, wollte die Hamas dafür sorgen, dass der „Kapitulationskurs“ der bisherigen Regierungen beendet und Israel gezwungen wird, mit den Palästinensern auf der Basis von Leistung/Gegenleistung zu verhandeln. Mit Terroristen darf man aber weder verhandeln [2] noch versuchen sie zu integrieren und dadurch zu mäßigen. Nach ihren schlechten Erfahrungen mit den Völkern, die regelmäßig die Falschen wählen, verfolgt die US-Regierung nämlich einen noch radikaleren Kurs. Ihr altes Vorhaben von der „Demokratisierung des Broader Middle East“ ist endgültig ad acta gelegt, jetzt heißt das Programm, die Region von allen Elementen radikal zu säubern, die sich amerikanischen Ordnungsansprüchen widersetzen, diese „Extremisten“ politisch zu isolieren und letztlich zu eliminieren. Zuständig dafür sind in erster Linie die „Gemäßigten“ vor Ort, die sich durch entschlossenen Kampf diesen Ehrentitel immer wieder verdienen müssen.

„Der Konflikt im Gazastreifen und im Westjordanland ist heute ein Kampf zwischen Extremisten und Gemäßigten. Es handelt sich dabei jedoch nicht um die einzigen Orte, an denen radikale und brutale Kräfte die Freiheit und den Frieden bedrohen. Der Kampf zwischen Extremisten und Gemäßigten wird auch im Libanon ausgetragen – wo die Hisbollah, Syrien und Iran versuchen, die vom Volk gewählte Regierung zu destabilisieren. Der Kampf wird in Afghanistan ausgetragen, wo die Taliban und al Kaida versuchen, demokratische Fortschritte ungeschehen zu machen. Und der Kampf findet im Irak statt, wo die al Kaida, Aufständische und Milizen versuchen, dem Willen von nahezu 12 Millionen Irakern zu trotzen, die für eine freie Zukunft gestimmt haben.
Auch nur einen dieser Kämpfe den Extremisten zu überlassen, hätte tödliche Konsequenzen für die Region und die restliche Welt. Die internationale Staatengemeinschaft muss sich im Gazastreifen, im Westjordanland und darüber hinaus hinter die mutigen Frauen und Männer stellen, die sich für den Frieden einsetzen.“ (Remarks by President Bush on the Middle East, Amerika Dienst, 16.7.)

An den Palästinensern ziehen die USA ihr Programm unerbittlich durch. Und dabei lassen sie sich weder von den arabischen Freunden, noch von europäischen Verbündeten, noch von den Russen irritieren, die immer wieder mahnen, ohne die Einbeziehung der Hamas könne es keine Lösung des Palästinenserproblems geben.

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Ende Juni hat die US-Regierung ihr erstes Etappenziel erreicht: Die unliebsame palästinensische Einheitsregierung ist beseitigt und im Westjordanland die ami-freundliche Fajad-Regierung durch Abbas installiert und als einzig legitimierte Repräsentanz der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) international anerkannt. Dabei stört es sie nicht, dass die Entmachtung der Hamas nicht gerade nach Plan verlaufen ist. Washingtons Versuch, die Fatah gegen die Hamas aufzurüsten und ambitionierte Hamas-Gegner wie Dahlan, Abbas’ nationalen Sicherheitsberater, zum Putsch gegen Hanija zu bewegen, ist nämlich fehlgeschlagen. Die bewaffneten Kräfte der Hamas sind diesem Vorhaben zuvorgekommen und haben die Fatah-Leute gewaltsam aus dem Sicherheitsapparat im Gazastreifen vertrieben. Aus der Niederlage hat die US-Regierung dann das Beste gemacht und Abbas darin bestärkt, Hanija abzusetzen und in Ramallah eine Notstandsregierung unter dem Ami-Freund Fajad einzusetzen, die sich für die gesamten Palästinenser-Gebiete zuständig erklärt.

Die daraus resultierende Teilung der Palästinensergebiete in den von der Hamas regierten Gazastreifen und das von der Fatah beherrschte Westjordanland definiert Bush nun als Chance für die palästinensischen Massen einzusehen, dass ihre Wahlentscheidung im Januar 2006 ein Fehler war, und für sie kein Weg daran vorbeigeht, sich Führern anzuschließen, die den USA genehm sind:

„Es ist ein Augenblick der Klarheit für alle Palästinenser. Und jetzt kommt der Augenblick der Entscheidung. Die Alternativen, die sich den Palästinensern bieten, sind eindeutig ... die Vision der Hamas ... Chaos, Leid und die endlose Fortsetzung der Missstände ... die Vision von Präsident Abbas und Ministerpräsident Fayyad ... von einem friedlichen Staat Palästina als Heimat für alle Palästinenser“ (Bush, 16.7.)

Diesmal muss die Entscheidung richtig ausfallen, und darum tut Amerika zusammen mit seinen Verbündeten alles dafür, dass die Alternativen sich im Falle von Gaza genau so darstellen, wie Bush sie beschreibt. Mangel, Leid und Chaos im Gaza-Streifen werden gezielt erzeugt bzw. verschärft; „Hamastan“ wird unter absolute Quarantäne gestellt. Aus „humanitären Gründen“ verzichtet Israels Regierung großzügig darauf, die Versorgung mit Wasser und Strom abzustellen.[3] Sie verbietet jegliche Ausreise, was u.a. die berufliche Existenz von Hunderten Geschäftsleuten, Arbeitskräften und Studierenden zunichte macht. Sie unterbindet die Ausfuhr von Gütern, der Haupt-Einkommensquelle der Bauern und Händler, und lässt nur beschränkt und recht willkürlich den Import von Lebensmitteln und Medikamenten durch Hilfsorganisationen zu. Abbas wird verpflichtet, nur noch Fatah-Leuten im Gazastreifen Gehaltszahlungen zukommen zu lassen, der Hamas nahe stehende oder von ihr eingesetzte Lehrer, Ärzte, Polizisten und sonstige öffentlich Bedienstete gehen leer aus. Diese Aushungerungsstrategie wird ergänzt durch regelmäßige Strafaktionen der israelischen Armee (IDF) gegen Mitglieder des Jihad und anderer radikaler Gruppen, die „Israels Sicherheit gefährden“ (könnten), indem sie Kassam-Raketen bauen oder abfeuern, Entführungen von Soldaten planen, Tunnel für den Schmuggel graben oder auch nur dem Grenzzaun zu nahe kommen. Die Panzer der IDF dringen regelmäßig ein paar Kilometer in den Gazastreifen vor, aber auch das ist nur ein Zeichen israelischer Zurückhaltung. Israel hat – wie die Zeitungen berichten – längst einen detailliert ausgearbeiteten Plan für die Wiederbesetzung des Gebiets, begnügt sich aber vorerst mit Straf- und Einschüchterungsaktionen. Der Bevölkerung wird somit nachhaltig klargemacht, dass sie, solange sie Hanija und seine Anhänger nicht zum Teufel jagt, in einem Gefangenenlager für Terroristen lebt, gänzlich abhängig von der minimalen humanitären Hilfe, die Israel zulässt. Alle Anstrengungen der Hamas-Regierung zu beweisen, dass sie im Gazastreifen für Ordnung sorgt, viel besser als die „korrupte Abbas-Truppe“, dass sie, wenn man sie lässt, die Militanten zur Einhaltung eines Waffenstillstands und – wie im Falle des entführten BBC-Reporters Johnston – zur Freigabe von Geiseln zwingen kann, und zu beteuern, dass sie gar nicht die Alleinherrschaft will, sondern nur eine angemessene „demokratische Beteiligung“ an der Macht, helfen nichts. Weder ihr als politischer Gruppierung noch der von ihr beherrschten Bevölkerung, weil die USA ihre neu beschlossene Linie unerbittlich verfolgen und Israel sie bereitwilligst umsetzt: Kein Kompromiss mit Terroristen. Während das Nahost-Quartett der Hamas nach ihrem Wahlsieg noch das „Angebot“ gemacht hat, sie werde als politische Kraft akzeptiert, wenn sie dessen oben genannte Bedingungen erfülle, heißt es jetzt aus Washington: bedingungslose Selbstaufgabe oder Vernichtung.

Gleichzeitig setzt sich die US-Regierung dafür ein, dass sich die Lebensbedingungen der guten Palästinenser, die von Abbas und Fajad regiert werden, zumindest ansatzweise verbessern. Israel muss einen Teil der eingefrorenen Steuereinnahmen an die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah auszahlen, entlässt 250 der 12 000 in israelischen Gefängnissen sitzenden Palästinenser – natürlich keine von Hamas oder Jihad – und verspricht, einige der über 500 Straßenblockaden und Kontrollpunkte aufzuheben, um ein wenig mehr Bewegungsfreiheit im Westjordanland zu ermöglichen. Dabei nimmt die Bush-Administration größte Rücksicht auf Israels Sicherheitsinteressen, die die Olmert-Regierung bei jeder Gelegenheit vorschiebt, um den eigenen Unwillen, Palästinensern überhaupt irgendwelche Zugeständnisse zu machen, zu kaschieren.[4] Alle Versuche der Fatah-Oberen, ihrer Bevölkerung minimale Erfolge in den Verhandlungen mit Israel als erste Schritte eines grundlegenden Wandels zu verkaufen, um sie den radikalen Gruppierungen abspenstig zu machen, untergräbt die Jerusalemer Regierung mit ihren eigenen Militäraktionen und ihrem kleinlichen Rechten um jedes Entgegenkommen: Die Freilassung von Gefangenen wird zur Farce, weil die IDF bei Razzien in den Tagen zuvor mehr neue Gefangene gemacht hat als alte freigelassen werden; zudem kommen nur Leute frei, die ihre Strafe zum größten Teil abgesessen haben oder aus anderen Gründen ohnehin kurz vor ihrer Entlassung stehen. Der Abbau von Straßenblockaden wird zum x-ten Male angekündigt, dabei ist gleichzeitig in der Presse zu lesen, ihre Aufhebung bedeute sowieso nicht viel, weil sie erfahrungsgemäß beim kleinstem Anlass wieder rückgängig gemacht werde. Das einzig bedeutsame Zugeständnis an Fajad, die Einstellung der Verfolgung militanter Fatah-Kämpfer, die ihre Waffen abgeben, setzt Olmert nach wenigen Tagen wieder außer Kraft. Begründung: das Angebot sei nicht von allen akzeptiert worden, noch immer seien Waffen in unbefugten Händen, gefährdeten also das Leben jüdischer Bürger. Gegenüber Forderungen der PA, Israel solle aufhören, weiterhin Fakten zu schaffen, die die Bildung eines zusammenhängenden palästinensischen Staates verunmöglichen, stellt sich Olmert notorisch taub: Der Ausbau der Siedlungsblöcke geht unvermindert weiter, ebenso der Bau der Mauer, und die immer wieder angekündigte Räumung „illegaler Vorposten“ der Siedler scheitert regelmäßig daran, dass die Zeit für innenpolitisch so heikle Aktionen gerade mal wieder ungünstig ist.

Zur Unterstützung der oben von Bush zitierten „Vision der gemäßigten Palästinenser“ hat Washington die israelische Führung unter Druck gesetzt, mit Abbas nach zwei Jahren Funkstille wieder politische Gespräche aufzunehmen und dabei substanzielle Fragen eines künftigen Palästinenserstaats zu erörtern. Seitdem treffen sich Abbas und Olmert regelmäßig, verfolgen damit aber ganz gegensätzliche Zwecke. Während der PLO-Chef darauf dringt, die „Endstatus-Fragen“ zu klären – Grenzen, Flüchtlingsfrage, Jerusalem –, weist Israels Ministerpräsident die Behandlung solcher Themen als „zu verfrüht“ zurück. Sein „Vorschlag“ lautet, beide Seiten sollten sich noch vor der Nahostkonferenz im November auf ein „Agreement of Principles“ einigen, einen Rahmen, der ähnlich wie die „Roadmap“ einen Zeitplan für Maßnahmen beider Seiten absteckt. Zunächst sei nämlich zu klären, welche Vorbedingungen auf Seiten der Palästinenser erfüllt sein müssten, um sinnvoll über eine Staatsgründung nachdenken zu können.[5] Olmert knüpft also an Scharons Hinhaltetaktik an, der die Roadmap jahrelang dazu benutzt hat, die Forderungen der Gegenseite und Fortschritte bei den Verhandlungen mit dem Argument abzublocken, die Palästinenser müssten erst einmal ihre eigenen Verpflichtungen erfüllen und die „Infrastruktur des Terrors“ beseitigen. Gleichzeitig erhält Schimon Peres, frisch gewählter Staatspräsident, in Reden und Interviews den Schein aufrecht, Jerusalem sei ernsthaft an einer Zweistaaten-Lösung interessiert. Die gewohnte Arbeitsteilung zwischen israelischen Politikern macht schließlich Verteidigungsminister Barak perfekt, der wiederum vor zu hohen Erwartungen warnt: Eine schnelle Lösung für den Nahost-Konflikt sei nicht in Sicht. Es werde allein fünf Jahre dauern, bis Israel eine Antwort auf eine Raketendrohung aus dem Westjordanland gefunden habe und abziehen kann. (FAZ, 11.8.) So befolgt die Olmert-Regierung zwar der Form nach den von Außenministerin Rice propagierten Kurs, konterkariert ihn aber gleichzeitig – was die Bush-Regierung ihr aber auch nicht verübelt –, indem sie alle Bemühungen von Abbas und Fajad blamiert, den Palästinensern zu beweisen, dass ein gemäßigter Kurs sich auszahlt und eine Perspektive hat, während die Politik der Hamas nur weiteres Elend und Hoffnungslosigkeit bedeutet.

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Neben allen Vertrauensbekundungen macht die amerikanische Regierung keinen Hehl daraus, dass ihre beiden palästinensischen „Hoffnungsträger“ nur solange ihre Unterstützung genießen, wie sie die „Erwartungen“ erfüllen, die in sie gesetzt sind. Dass sie selber ihre nationalen Ansprüche ganz den Sicherheitsinteressen Israels und den strategischen Interessen der USA untergeordnet haben, ist bereits als Selbstverständlichkeit unterstellt. Sie sollen sich aber nicht nur um eine reibungslose Verwaltung palästinensischen Elends kümmern, ihr vordringlicher Auftrag lautet, die Extremisten fertig zu machen, die sich mit der Unterdrückung durch Israel nicht abfinden und nationale „Rechte der Palästinenser“ verteidigen wollen. Diese Drecksarbeit für Israel sollen sie erst mal im Westjordanland und auf Dauer auch im Gazastreifen erledigen. Verhandlungen mit der Hamas sind selbstverständlich strikt verboten, möge diese auch mit noch so weit reichenden Angeboten aufwarten, und mögen noch so viele ausländische Staatsmänner ihre Vermittlung zur Wiederherstellung der nationalen Einheit und zur Vermeidung des Bruderkriegs anbieten. Für den Bürgerkrieg verspricht die US-Regierung der Fatah 80 Mio. $ zur Finanzierung ihrer Aufrüstung. Trotz dieser Zusage hat die Regierung in Ramallah große Zweifel, dass sie in der Lage sein wird, diesen Auftrag erfolgreich auszuführen. Nach den Erfahrungen im Gazastreifen ist das Vertrauen in die eigene Mannschaft nämlich nicht allzu hoch. Trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit und der besseren Bewaffnung haben die Präsidentengarde und die Fatah-Kämpfer ohne viel Gegenwehr der Hamas das Feld überlassen. Wegen der erbitterten Rivalitäten innerhalb der Bewegung und des Grundsatzstreits um den politischen Kurs, wie sehr man sich zum Handlanger Israels bei der Bekämpfung der eigenen Brüder machen darf, liegt die Kampfmoral der Truppen völlig im Argen. Im übrigen sind die Zusagen aus Washington erfahrungsgemäß alles andere als sicher: Bei jeder anstehenden Waffenlieferung erhebt Israel Einspruch, die Waffen könnten – wie die letzten Monate zeigten – leicht in die falschen Hände geraten und damit das Leben von Israelis gefährden. Dieses Argument verfängt bei hinreichend vielen Kongressabgeordneten, die die Bush-Regierung unter Druck setzen, das Vorhaben zu stoppen oder zumindest drastisch zu reduzieren. Die zweite von den USA beschlossene Bewährungsprobe für Abbas und Fajad besteht darin, Neuwahlen durchzuführen und zu gewinnen, um der Hamas die Legitimation als gewählter Volksvertretung auch formell zu entziehen.[6] Da laut Verfassung nur das palästinensische Parlament Neuwahlen beschließen kann, und die Hamas darin die Mehrheit hat, sucht Abbas nach einer alternativen Rechtsgrundlage für den Urnengang. Er belebt die PLO-Generalversammlung neu und lässt sich von ihr mit der Ansetzung von Parlamentswahlen beauftragen, weil die alte Volksvertretung nicht mehr funktionsfähig sei.[7] Die schwerere Übung steht aber noch bevor: der Wahlsieg, der umso unwahrscheinlicher wird, je weniger die Regierung in Ramallah an Erfolgen vorzuweisen hat...

Die Möglichkeit, dass Abbas und Fajad versagen, ist von der Bush-Administration längst einkalkuliert. Bei ihren Gesprächen in der Region erörtert Ms. Rice mit den Verbündeten die Frage, wie einem verstärkten Gewaltbedarf bei der Lösung des Nahost-Problems nachzukommen sei. Israel hat längst Pläne der IDF in der Schublade, mit eigenen Kräften jeglichen Widerstand der Palästinenser gegen die Besatzungsmacht zu erledigen und sein Stammland wirksam vor feindlichen Angriffen aus den „Gebieten“ zu schützen. Lieber sähen die USA allerdings, wenn die gemäßigten Araber sich dazu entschließen würden, die Extremisten im Gazastreifen und im Westjordanland auszuschalten.

[1] Es wird wesentlich leichter sein mit der Situation in Palästina umzugehen, wenn es die Regierung der nationalen Einheit gibt. Ich hoffe auf Fortschritte, weil wir nun auch die gemäßigten Vertreter der Hamas einbeziehen können. (Tony Blair, zitiert nach: Report by House of Commons, 17.8.07)

[2] Das haben die USA ihrerseits immer schon so gehalten, Gespräche ihrer Verbündeten haben sie zwar meist skeptisch betrachtet, aber immerhin geduldet und sich damit begnügt, zur Bedingung zu machen, dass sie die Hamas zur Aufgabe ihrer Standpunkte bewegen.

[3] Im Rahmen der Oslo-Verträge hatte Israel durchgesetzt, dass es nicht nur die Kontrolle über sämtliche Grenzen der Palästinensergebiete behält, sondern auch die über die Finanzmittel der Palästinensischen Autonomiebehörde, und schließlich sogar die über die Versorgung der Territorien mit Strom und Wasser.

Rechten Politikern wie Liebermann ist darum sofort nach dem Putsch der Hamas eingefallen, man sollte sämtliche Versorgungsleitungen zum Gazastreifen kappen.

[4] Vor wenigen Wochen gab Olmert noch zu Protokoll, für ihn sei Abbas keinen Deut besser als Hanija. So sehr Israels Führung begrüßt, dass die Bevölkerung im Gazastreifen zur Terrorisierung freigegeben ist, so wenig hat sie ein positives Interesse am Erfolg der Fajad-Regierung und deren Plänen, im Westjordanland die Bedingungen dafür zu schaffen, dass mit Hilfe der USA ein lebensfähiger palästinensischer Staat entsteht.

[5] Für den Fall, dass doch schon heute über Endstatus-Fragen geredet werden muss, hat Israels Premier allerdings auch schon feste Vorstellungen. Die Palästinenser sollten für alle Fälle bereits jetzt lauter Verzichtserklärungen unterschreiben: Statt der Grenzen von 1967 Gebietstausch Siedlungsblöcke gegen Teile der Negev-Wüste; Rückkehr der Flüchtlinge keinesfalls in israelisches Territorium; ganz Jerusalem bleibt unter territorialer Hoheit Israels; statt eines zusammenhängenden Territoriums unter- oder oberirdische Verkehrswege zur Verbindung der voneinander abgeschnittenen palästinensischen Gebiete.

[6] Trotz der schlechten Erfahrungen mit Wahlen im Mittleren Osten will die Bush-Regierung nicht auf diese Form der Legitimation ihrer Marionetten nach innen und außen verzichten. Und wenn es wieder schief geht, spricht das sowieso nur gegen die Kandidaten und die Völker.

[7] Dafür hat dankenswerterweise die IDF gesorgt, die die Mehrheit der Hamas-Abgeordneten verhaftet und ins Gefängnis gesteckt hat.