Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Die FAZ zieht die Lehre aus Ehec: „Lebensmittel“ sind ein „Risiko“

Anlässlich der sich ausbreitenden Ehec-Epidemie hält die FAZ Aufklärung für dringend geboten. Sie informiert in der Sparte „Wissenschaft und Technik“ umfassend über den Nährboden, auf dem solche Keime wachsen und gedeihen. Man erfährt alle möglichen Details über die Ernährung von Hochleistungskühen und den Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht, und wird darauf aufmerksam gemacht, dass die damit verbundenen Gesundheitsrisiken seit langem bekannt sind und dass dennoch so weiter produziert wird.

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Die FAZ zieht die Lehre aus Ehec: „Lebensmittel“ sind ein „Risiko“

Anlässlich der sich ausbreitenden Ehec-Epidemie hält die FAZ Aufklärung für dringend geboten. Sie informiert in der Sparte „Wissenschaft und Technik“ umfassend über den Nährboden, auf dem solche Keime wachsen und gedeihen. Man erfährt alle möglichen Details über die Ernährung von Hochleistungskühen und den Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht, und wird darauf aufmerksam gemacht, dass die damit verbundenen Gesundheitsrisiken seit langem bekannt sind und dass dennoch so weiter produziert wird:

„Die Ernährung der Tiere aus Mastfuttersäcken statt mit Heu fördert offensichtlich die Bildung von Ehec-Stämmen im Vieh, der immer noch übliche Einsatz von Antibiotika fördert die Ausbreitung vielfach resistenter, extrem gefährlicher Keime – ein Übel, das seit Jahren moniert und von den Behörden wie Medizinern auch öffentlich angeprangert wird.
Ein aggressiver Stamm wie der neue Ehec-Hybrid beispielsweise ist wahrscheinlich zwar nicht wegen des Antibiotika-Gebrauchs entstanden, aber seine diversen Resistenzgene, die er wegen des Antibiotika-Einsatzes schon geerbt hat, machen seine Ausbreitung wahrscheinlicher.“ (4.6.11)

Zum Pfingstwochenende – vermutlich weil da mal der Geist über die Jünger gekommen ist – rückt das Thema dann in den Leitartikel:

„Die kriminalistisch anmutende Suche nach dem Ursprung der Infektionswelle, die man in diesen Tagen verfolgen konnte, hat womöglich einiges zur Ernüchterung der Bevölkerung beigetragen: Sie hat für jedermann sichtbar veranschaulicht, mit welchen Bedingungen die Produktion von Lebensmitteln in industriellem Maßstab einhergeht: Salatkisten im selben Lkw wie Kühe etwa oder Erntehelfer, die ohne sanitäre Anlagen auskommen müssen.“ (11.6.11)

Der Leitartikler besteht also darauf, dass eine solche Epidemie keine bedauerliche Einzelerscheinung, kein Ausrutscher einer im Übrigen zuverlässigen landwirtschaftlichen Großproduktion ist. Da soll man sich nichts vormachen! Bei den beklagten Missständen handelt es sich um den Standard, um allgemeine Begleiterscheinungen der modernen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Er legt es regelrecht darauf an, einen modernen „Glauben“ zu demontieren:

„Dass man in der Hälfte aller Schlachthähnchen den Durchfallerreger Campylobacter gefunden hat oder dass Fachleute beobachten, wie die als getilgt geltende Rindertuberkulose in die Bestände zurückkehrt – all das ist Gesprächsstoff aus der Parallelwelt einiger weniger, auf Lebensmittel spezialisierter Biowissenschaftler. Diese Risiken werden ausgeblendet, weil der Glaube der Industriegesellschaft an die Sicherheit von Lebensmitteln fast unerschütterlich ist.“ (11.6.11)

An die Stelle dieser geradezu fahrlässigen Gutgläubigkeit muss endlich Wissen und klarer Verstand treten:

„Der Ehec-Typ Husec 41, der den Ausbruch in Deutschland verursacht hat, stammt höchstwahrscheinlich vom Menschen, zumindest wurde er noch nie beim Rind nachgewiesen. Wenn man das weiß, dann drängt sich die Frage auf, wie Menschen wohl leben und arbeiten müssen, deren Ausscheidungen mit den von ihnen erzeugten Lebensmitteln in Berührung kommen – sei es bei der Erzeugung von Sprossen-Saatgut in Asien oder auf den endlosen Gurken-Plantagen in Spanien. Damit hat die Ehec-Krise das Augenmerk mehr als frühere Skandale auf die Produktionsbedingungen von Lebensmitteln gelenkt und auf die Frage, ob die Bürger diese Bedingungen akzeptieren dürfen und wollen.“

Keine Sorge, „die Bürger“ brauchen gar nicht erst das Grübeln anzufangen, ob sie das „akzeptieren dürfen und wollen“. Der Leitartikel zieht schon die richtigen „Lehren“:

„Wenn eine Lehre aus der Ehec-Epidemie zu ziehen ist, dann ist es die: Eine komplexere, industrialisierte Landwirtschaft sorgt nicht für größere Lebensmittelsicherheit, ebenso wenig wie es kleine Familienbetriebe mit Rohmilchverkostung tun – denn dabei kam es bisher am häufigsten zu Ehec-Infektionen.“

Lehre Nr.1 ist also: So geht sie nun einmal, die industrielle Lebensmittelproduktion! Das muss man so hinnehmen.

In ihrem Drang nach Aufklärung besteht die FAZ glatt auf einem notwendigen Zusammenhang zwischen „industrialisierter Landwirtschaft“ und den Risiken für die Gesundheit, mit denen deren Produkte behaftet sind. Seien es nun die resistenten Keime, die sich dem ertragsfördernden Einsatz von Antibiotika verdanken, die ekelerregenden Arbeitsbedingungen irgendwelcher Lohnsklaven oder die wenig hygienischen Transportbedingungen, die ein kostensparender Vertrieb einschließt – das sind Bedingungen, mit denen die Produktion von Lebensmitteln im industriellen Maßstab einhergeht. Aber für die Klärung der Frage, warum die mit solch ungesunden Bedingungen ‚einhergeht‘, hat sie gar nichts übrig. Die FAZ hat kein Problem damit vorzuführen, wie im Unterschied zu früheren Zeiten die geballte Wissenschaft und Technik im Einsatz sind, um die Ackererträge hochzutreiben und die Wachstumsphasen der Viecher auf ein Minimum zu verkürzen; ihre Leistungsfähigkeit revolutioniert den Verdauungstrakt der Kühe und den Kapitalumschlag der Schlachthühner; dieselbe Wissenschaft ist ebenso auf dem Laufenden, was die Erzeugung der Erreger und ihre Transportwege betrifft – aber die nötige Hygiene bei der Lebensmittelherstellung und -versorgung zu organisieren, das erklärt das Organ der wissenschaftlichen Aufklärung am Pfingstsamstag für ein Ding der Unmöglichkeit: „Industrielle Lebensmittelproduktion“ ist anders nicht zu haben. Das soll sich das Publikum endlich mal klarmachen statt herumzuhysterisieren. Die kapitalistische Kostenrechnung, die mit Niedriglöhnern und rentabler Müllentsorgung kalkuliert, figuriert schlicht und einfach als „industrielle Produktion“, und gegen die kann ja wohl keiner was haben. Wer will denn schon zurück ins Mittelalter.

Das Wort zum Pfingstsonntag heißt: „Risiko Lebensmittel“! Damit müssen wir leben, dem hat man sich vernünftigerweise zu stellen. Für die FAZ gibt es keinen Schluss auf Ursachen, die sich kritisieren oder gar beseitigen ließen. Es gibt nur einen Schluss nach vorne, nämlich hin zur Lehre Nr.2 – und in die mündet die ganze Epistel: Wenn das alles unvermeidlich ist, dann liegt die Rettung im bewussten Umgang mit der ganzen Scheiße, die die kapitalistisch betriebene Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie auf den Speiseplan setzt. Und so kommt denn die gute alte „Hauswirtschaftslehre“ zu ganz neuen Ehren:

„Mehr Sicherheit gibt es nur mit mehr Wissen, besserer Aufklärung und höherer Bildung. Dazu gehören naturwissenschaftliche Kenntnisse; aber auch Schulunterricht in Hauswirtschaftslehre und Kochen könnte dazu beitragen... Der Ausweg liegt auf der Hand und er hängt, als selbstklebendes Überbleibsel aus der bitteren Pandemie-Angst vor zwei Jahren immer noch an vielen Wänden: Hygiene zuerst! Richtig waschen! Desinfizieren. Nicht auf die Pharmaindustrie oder die Biotechnik ist zu setzen, sondern auf die schlichte Erkenntnis: In Hygienedingen sind wir immer noch ein Entwicklungsland. Solange da nichts Grundlegendes passiert, müssen wir auf alles gefasst sein.“ (4.6.11)

Den Salat kochen, die Antibiotika abwaschen, Sagrotan auf die Sprossen und vor allem nicht unnötig aufregen! Der kluge Kopf, der hinter dem Blatt steckt und „mehr Wissen, bessere Aufklärung, höhere Bildung“ beantragt, produziert die bahnbrechende Einsicht: Nach dem Klo und vor dem Essen Hände waschen nicht vergessen!