Zum Verhältnis zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen im Kapitalismus
Die Finanzkrise nimmt bedrohliche Ausmaße an, weitet sich aus und dauert Jahr um Jahr an. Die Expertenwelt ist aufgeregt, sieht sich zu Deutungen des Geschehens herausgefordert – und entdeckt den berühmtesten Kritiker der kapitalistischen Produktionsweise, Karl Marx, wieder einmal neu. Überraschend aktuell findet man seine Analysen und bescheinigt ihm die Leistung, höchst scharfsinnige Prognosen über gesellschaftliche Entwicklungen und vor allem Fehlentwicklungen gestellt zu haben.
Das Lob ist ein Quatsch. Marx‘ Leistung besteht nicht in Vorhersagen, sondern in der Erklärung der politischen Ökonomie des Kapitals, dessen Herrschaft bislang noch keine Revolution aus der Welt geschafft hat. Und wenn seine Analysen aktuell sind, dann liegt das schlicht daran, dass seine Erklärung der herrschenden Produktionsweise die Sache tatsächlich erklärt. Nur deswegen verdient er auch Interesse.
Deswegen verdient er aber auch eine aufmerksame Lektüre. Man kann von ihm lernen. Zum Beispiel einiges über das absurd widersprüchliche Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen, das die herrschende Wirtschaftsweise kennzeichnet (und das nebenbei auch den Grund dafür enthält, dass Krisen zu den notwendigen Begleiterscheinungen der „Marktwirtschaft“ gehören). Wir haben deswegen in einem Artikel über die Lage des deutschen Kapitalismus gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in Heft 4-99 dieser Zeitschrift – Viele Probleme, große Projekte, eine Strategie: Die Nation senkt ihr Lohnniveau – einige Überlegungen aus Marx‘ Studienheften, die unter dem Titel Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie als Band 42 der MEW-Ausgabe, Berlin 1983, erschienen sind, wiedergegeben und kommentiert. Eine ausgearbeitete Fassung davon haben wir als Exkurs in das neu erarbeitete Buch über Arbeit und Reichtum aufgenommen, das auf gleichnamige Artikel in den Heften 4-96 und 1-97 und die Neubearbeitung in den Ausgaben 3-12 und 4-12 dieser Zeitschrift zurückgeht.
Diesen Exkurs drucken wir im Folgenden ab und empfehlen damit unseren Lesern das Buch, in dem er seinen Platz hat, zur Lektüre.
*
In der Marktwirtschaft ist die Steigerung der
Produktivkraft der Arbeit durch Technik und organisierte
Kooperation nicht mehr das Ergebnis von einigermaßen
richtig verstandener Erfahrung, individueller Findigkeit
und zufälligen Entdeckungen. Sie wird systematisch
betrieben; sie ist ganz offensichtlich ein Erfordernis
und eine Leistung der Produktionsweise selber; und sie
ermöglicht, historisch erstmalig, die Produktion
allgemeinen gesellschaftlichen Reichtums – Reichtum nicht
im Sinne eines Haufens schöner Güter, sondern der
gesellschaftlichen Potenz, alles Benötigte ohne großen
und mit tendenziell sinkendem Arbeitsaufwand zu schaffen;
gemäß einer Definition, die Marx in seinen
Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie
zitiert: „,Wahrhaft reich eine Nation, wenn statt 12
Stunden 6 gearbeitet werden. Reichtum ist
... verfügbare Zeit außer der in der
unmittelbaren Produktion gebrauchten für jedes
Individuum und die ganze Gesellschaft.‘“ (MEW
42, S. 602) Oder genauer in Marx’ eigenen Worten: Der
wirkliche Reichtum manifestiert sich vielmehr – und dies
enthüllt die große Industrie – im ungeheuren
Mißverhältnis zwischen der angewandten Arbeitszeit und
ihrem Produkt wie ebenso im qualitativen Mißverhältnis
zwischen der auf eine reine Abstraktion reduzierten
Arbeit und der Gewalt des Produktionsprozesses, den sie
bewacht.
(S. 601) Mit
technischen Mitteln planmäßig produktiv gemachte Arbeit
absorbiert nur noch einen geringen Teil sowohl der
Fähigkeiten der Menschen wie der Zeit, die sie für ihre
Versorgung mit Bedarfsgütern aufbringen müssen; und
gerade letzteres macht die Menschen im materiellen Sinn
frei und reich: ... der unmittelbare materielle
Produktionsprozeß erhält selbst die Form der
Notdürftigkeit und Gegensätzlichkeit abgestreift. Die
freie Entwicklung der Individualitäten und ... die
Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu
einem Minimum, der dann die künstlerische,
wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen durch
die für sie alle freigewordne Zeit und geschaffnen Mittel
entspricht
(S. 601) – die
Voraussetzung dafür hat die kapitalistische
Produktionsweise mit der Entwicklung großer, quasi
selbsttätiger Maschinerie geschaffen. Das ist die gute
Nachricht.
Die schlechte Nachricht ist die: Bei aller geradezu
explosionsartigen Entwicklung der Produktivkräfte der
gesellschaftlich geteilten, mit technologisch immer
perfekterer Maschinerie ausgestatteten Arbeit kann von
einer Verminderung der Arbeitszeit der in der
unmittelbaren Produktion gebrauchten
Arbeitskräfte
und einer qualitativen Beschränkung ihrer Inanspruchnahme
nicht die Rede sein. Ihre Beanspruchung übersteigt im
Gegenteil jedes vernünftige Maß und sogar ihren aus
armseligen Produktionsverhältnissen überlieferten Umfang:
Die entwickeltste Maschinerie zwingt den Arbeiter
daher jetzt länger zu arbeiten als der Wilde tut oder als
er selbst mit den einfachsten, rohsten Werkzeugen
tat.
(S. 604) Für den
modernen Arbeitnehmer gilt einerseits: In dem Maße
..., wie die große Industrie sich entwickelt, wird die
Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von
der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als
von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit
in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder ... in
keinem Verhältnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit,
die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom
allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt
der Technologie, oder der Anwendung dieser Wissenschaft
auf die Produktion.
(S.
600) Andererseits gehören Stress und überlange
Arbeitszeiten zu den Selbstverständlichkeiten eines
zeitgemäßen Arbeitsplatzes.
Das ist ein Widerspruch. Den muss man sich erklären.
Grund für ausgedehnte Arbeitszeiten und intensivste
Inanspruchnahme von Arbeitskräften an rentablen
Arbeitsplätzen – um mit dieser Seite des Widerspruchs
anzufangen – ist selbstverständlich nicht die
entwickeltste Maschinerie
, sondern das Interesse des
Kapitals, das Arbeitskräfte daran arbeiten lässt. Mit
seinem Beharren auf ganz viel Arbeit, das unter dem Titel
„Beschäftigung“ sogar ein hochrangiges Staatsziel ist,
macht das marktwirtschaftliche Unternehmertum die
Gleichung geltend, die in der Produktion für den Markt,
also zum Zwecke des größtmöglichen Gelderlöses aus der
Warenproduktion maßgeblich ist: Als Reichtum zählt, was
für den Austausch gegen Geld hergestellt wird und seinen
Käufer findet; dieser Reichtum ist folglich so groß wie
der im Verkauf als notwendig anerkannte Beitrag einer
Produktion zum gesellschaftlichen Bedarf, also wie das
Quantum einschlägiger Produktionstätigkeit. Dieser
Reichtum kennt per definitionem kein Ziel und keine
Menge, bei der er fertig wäre; sein Maß hat er in der für
verkäufliche Ware aufgewandten Arbeitszeit, von der es
deswegen nicht genug geben kann. Dass Arbeit im Maß ihrer
Verausgabung Reichtum schafft, wäre banal, wenn es um die
Überwindung von naturbedingtem Mangel ginge, und wäre
auch dann noch nicht einmal die halbe Wahrheit, weil beim
Mangel wie bei dem Arbeitsaufwand zu seiner Überwindung
die Gunst der Natur, die Qualität der verfügbaren
Produktionsmittel und die technische Fertigkeit der
Produzenten mitentscheidende Größen sind. Doch fürs
Kapital geht es eben nicht um die optimale Anpassung der
natürlichen Lebensumstände an entwickelte
gesellschaftliche Bedürfnisse, sondern um Warenproduktion
für Gelderlös. Und für den so definierten Reichtum ist
das Quantum Arbeit entscheidend, die in den Produkten
steckt und durch die zahlungsfähige und -bereite
Nachfrage danach als Schöpfung von Geldwert bestätigt
wird.
Den Anspruch, dass solche Arbeit nicht für diejenigen,
die die Arbeit verrichten, sondern für die Unternehmer
bereichernd wirkt, machen diese in der Weise geltend, wie
sie im Prinzip schon immer im Verhältnis von Herr und
Knecht praktiziert worden ist: Der Erwerb der Güter, die
die Arbeitskräfte brauchen, um ihren Lebensunterhalt zu
bestreiten, ist zwingend abhängig gemacht von der
Bedienung der Bereicherungsinteressen der ökonomisch
herrschenden Seite. In der Marktwirtschaft mit ihren
zivilisierten Umgangsformen leistet das das von Staats
wegen garantierte Regime des Eigentums: Dadurch ist die
eigentumslose, daher lohnabhängige Mehrheit auf langes
und intensives Arbeiten festgenagelt, was für
sie so wirkt, als wäre ihre Arbeit extrem
unproduktiv, während der Nutzen der tatsächlichen enormen
Produktivkraft ihrer Arbeit, der tatsächliche Überschuss
ihrer produktiven Tätigkeit über ihre eigenen – eng
bemessenen – Lebensnotwendigkeiten, ganz den Unternehmen
zufließt.[1]
Von allen anderen Ausbeutungsarten unterscheidet sich die
kapitalistische Produktionsweise aber nicht bloß durch
die Institution des privaten Eigentums, die der Mehrheit
der Gesellschaft ein Interesse an ihrer Indienstnahme
durch große Geldbesitzer aufnötigt. Ökonomisch
zeichnet sie sich – unter anderem und ganz wesentlich –
dadurch aus, dass die Unternehmen auf ein maßloses
Maximum an Geld aus sind, sich dafür aber nicht mit
langen Arbeitszeiten und geringem Entgelt für ihre
Dienstkräfte zufrieden geben. Ihnen geht es um die
Optimierung des Verhältnisses zwischen dem
Quantum Arbeit, das für die Existenznotwendigkeiten ihrer
Arbeitskräfte draufgeht, nämlich aus dem Verkaufserlös an
Lohn weggezahlt werden muss, und dem Überfluss, nämlich
dem Geldgewinn, den dieselbe Arbeit ihnen einspielt.
Dafür haben sie ihre Verfügungsmacht über die
Produktivkraft der Arbeit in Gestalt von Arbeitsmitteln
und Arbeitsorganisation entdeckt: Mit der gehen sie
systematisch und – wie man sieht – äußerst effektiv gegen
das Quantum Arbeit vor, das in den einzelnen Produkten
steckt, und auf diese Weise gegen den Lohnanteil am Wert
der produzierten Waren: Man vermindert daher die
Arbeitszeit in der Form der notwendigen, um sie zu
vermehren in der Form der überflüssigen; setzt daher die
überflüssige in wachsendem Maß als Bedingung ... für die
notwendige
Arbeit. (S. 601 f.) [2]
Mit seinen einschlägigen Erfolgen löst das kapitalistische Unternehmertum allerdings genau die Gleichung, von der es praktisch ausgeht und die es für sich ausnutzt, nämlich die zwischen dem Quantum geleisteter Arbeit und dem Quantum dadurch geschaffenen geldwerten Reichtums, zusehends auf: Es verändert den Produktionsprozess selbst in einer Weise, die genau das gründlich relativiert, worauf es ihm ankommt, nämlich die Akkumulation von Reichtum in Form privater Verfügungsmacht über die Produkte privater, im Tausch als gesellschaftlich nützlich anerkannter und in einer Geldsumme entgoltener Arbeit.[3]
In der betriebswirtschaftlichen Rechnung stellt sich
dieser Widerspruch so dar, dass die Firmen durch
technische Umgestaltung des Arbeitsprozesses den
Tauschwert ihrer Produkte zielstrebig senken, um
vom verringerten Erlös mehr für sich zu
behalten: Um der notwendigen
, i.e. für die
Produktion der Lohnsumme nötigen Arbeit möglichst viel
überflüssige
, ihren Profitanteil vermehrende
Arbeit abzugewinnen, „sparen“ sie am Quantum Arbeit, das
den Wert des einzelnen Produkts begründet, um von der
durch solche „Sparsamkeit“ effektiver gemachten Arbeit
ein Maximum im eigenen Laden verrichten zu
lassen.[4]
Mittel der entsprechenden Umgestaltung des
Arbeitsprozesses sind die Disposition über eine Vielzahl
von Arbeitern, die nurmehr Teilarbeiten verrichten, sowie
der Einsatz von technischem Gerät, das diesen
Teilarbeitern den wirklichen Herstellungsprozess aus der
Hand nimmt und ihnen Verrichtungen zuweist, Hilfs- und
Kontrolldienste vor allem, die durch die Technik
überhaupt erst definiert werden. Das nimmt der
menschlichen Produktionstätigkeit ganz grundsätzlich den
Charakter der Privatarbeit, die erst über den Tausch am
Markt „gesellschaftlich“, i.e. zu einem arbeitsteiligen
Beitrag zum gesellschaftlichen Lebensprozess wird. Um
sich selber als überdimensionales Privatsubjekt der
gesellschaftlich notwendigen Arbeit aufzubauen und am
Markt zu betätigen, organisieren die Unternehmen lauter
überhaupt nicht private Arbeitskollektive und bringen
gesellschaftlich erarbeitetes Wissen und dessen Umsetzung
in eine Technologie zur Anwendung, die nur in
abgestimmter Arbeitsteilung zwischen den einzelnen
Betrieben zu realisieren ist;[5] sie nehmen der Arbeit ihrer
angestellten Kräfte jede Selbständigkeit, um selber als
das selbständige Subjekt einer Unmenge Tauschwert
schaffender Arbeit aufzutreten.[6] In Rechtsbegriffen
ausgedrückt: Mit der fortschreitenden Industrialisierung
der Produktion ersparen, also nehmen
die Unternehmen der Arbeit, die sie verrichten lassen,
jeden Inhalt, der die Arbeitskräfte als Hersteller der
Produkte erscheinen lässt und es erlauben würde, ihnen
die hergestellten Gegenstände als die Ihren, als
„Vergegenständlichung“ ihres Könnens und ihrer
gestaltenden Tätigkeit zuzurechnen. Damit setzen sie die
materielle Grundlage und den ursprünglichen ökonomischen
Inhalt der Rechtskategorie des Eigentums, die
Zurechenbarkeit des Produkts zu seinem Erzeuger, außer
Kraft – das freilich nur mit dem Ziel und dem Ergebnis,
dass das Produkt der Gesamtarbeit dem Unternehmen als
sein Eigentum zufällt. Um vom Produkt, das sie
mit dem Recht des Käufers von Produktionsmitteln und
Arbeit ohnehin ganz als das Ihre beanspruchen, möglichst
wenig an die Rechtspersonen abtreten zu müssen, denen sie
die benötigte Arbeitsleistung abkaufen, um ihre Arbeiter
also nicht bloß der Form nach, sondern auch praktisch in
größtmöglichem Umfang vom Eigentum am Produkt ihrer
Tätigkeit auszuschließen, schaffen die Kapitalisten mit
der Industrialisierung der Produktion Arbeit im Sinne der
Herstellung eines „eigenen“ Werks und damit die
materielle Voraussetzung für den formell ohnehin außer
Kraft gesetzten Eigentumsanspruch des Arbeiters auf
„sein“ Produkt erfolgreich ab. Wie erfolgreich,
das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass der
Zusammenhang zwischen der Schaffung einer nützlichen
Sache durch menschliche Arbeit und dem Rechtsverhältnis
des Eigentums an dieser Sache, der für Marx und seine
Zeitgenossen noch selbstverständlich war,[7] aus dem gesellschaftlichen
Bewusstsein so gut wie verschwunden ist.[8]
Der – zu erklärende – Widerspruch zwischen enormer
Steigerung der Produktivkraft der Arbeit und der
exzessiven Inanspruchnahme derer, die diese Arbeit zu
leisten haben, beides durch dieselbe marktwirtschaftliche
Firmenwelt, stellt sich als notwendige Folge des der
Wirtschaftsweise eigenen Widerspruchs zwischen dem
Interesse der Unternehmen an der Akkumulation von
Reichtum in Form von Geld und ihrem Interesse am
ausschließenden Zugriff auf den produzierten
Geldwert heraus. Mit Marx’ Worten: Das Kapital ist
selbst der prozessierende Widerspruch [dadurch], daß es
die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren strebt,
während es andererseits die Arbeitszeit als einziges Maß
und Quelle des Reichtums setzt.
(S. 601)
Im Prinzip lässt dieser Widerspruch nicht gerade zwei
Lesarten, aber zwei komplementäre Betonungen zu. Die eine
hebt hervor, dass die Kapitalisten in ihrem Kampf um
Profit zwar unabsichtlich, aber sehr wirksam eine
technische Entwicklung vorantreiben, die die
menschliche Arbeit auf ein Minimum reduziert
.[9] Für ihren privaten,
gegen den ganzen Rest der Gesellschaft in
unterschiedlicher Weise feindlichen Nutzen organisieren
sie Kooperation und gesellschaftliche Arbeitsteilung und
mobilisieren die produktiven Potenzen der Wissenschaft.
Das Privateigentum monopolisieren sie in einer Weise und
in einem Ausmaß, dass es für die Arbeiter ein Zurück zu
einer Produktionsweise privat arbeitender, mit dem
Eigentum an ihrem Produkt wirtschaftender Individuen
jedenfalls nicht mehr gibt. Als entscheidender
„emanzipatorischer“ Fortschritt kommt für sie allein der
Übergang zum bewussten kollektiven Gebrauch technisch
perfektionierter Produktionsbetriebe für
Bedürfnisbefriedigung und Freizeit in Frage.
Insofern findet sich Marx zu der
Schlussfolgerung berechtigt: Das Kapital arbeitet so
an seiner eignen Auflösung als die Produktion
beherrschende Form.
(S.
596) Andererseits ist es dann doch so: Die Senkung
des zur gesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung nötigen
Arbeitsaufwands findet nur statt, um die Arbeiter vom
gegenständlichen Reichtum, nämlich von der wachsenden
Verfügungsmacht darüber, sowie vom Zugewinn an freier
Zeit auszuschließen und die Kommandomacht des Kapitals zu
stärken; die Erhebung der unmittelbaren Arbeit in
gesellschaftliche
geschieht als Reduktion der
einzelnen Arbeit auf Hilflosigkeit gegen die im Kapital
repräsentierte, konzentrierte Gemeinsamkeit
(S. 596). Und wenn das
Kapital das „erste Gesetz des Eigentums“, seine Herkunft
aus der Identität der lebendigen
Arbeit mit ihrem
Werk, praktisch auflöst, dann gilt nur umso härter das
allein auf rechtlicher Gewalt beruhende „zweite Gesetz“:
das der Negation der Fremdheit der fremden Arbeit
,
also dass das Kapital sich alle „lebendige“ Arbeit als
seine Verfügungsmasse inkorporiert. Insofern fällt der
unermüdliche Fortschritt der Produktivkräfte der
Gesellschaft – einstweilen – mit der Vollendung der
Herrschaft des Kapitals über alles Produzieren und
Konsumieren zusammen. Und betrübliche Tatsache ist eben,
dass dieses Wirtschaftssystem schon zu und seit Marx’
Zeiten noch weit effektiver als an seiner Auflösung, und
zwar unter Einsatz von sehr viel Gewalt, daran
arbeitet
, dass die riesigen
Gesellschaftskräfte
, die es mobilisiert,
eingebannt
bleiben in die Grenzen, die
erheischt sind, um den schon geschaffenen Wert als Wert
zu erhalten
– also ausschließlich als Mittel des
Kapitals für die Mehrung seiner Macht wirksam werden.
Dass „das Kapital“ an diesem Erfolg „arbeitet“, ist
durchaus wörtlich zu nehmen. Die Unternehmer, vor allem
aber die politischen Instanzen, die denen mit der Wucht
eines ausgedehnten Rechtssystems zu ihrem Eigentumsrecht
verhelfen, leisten sich einen ungeheuren Aufwand, und
zwar wiederum an überwiegend schlecht und nur teilweise
gut bis ausgezeichnet bezahlter Arbeit an überwiegend
strapaziösen und nur teilweise angenehmen, ihrerseits
technologisch dauernd weiterentwickelten Arbeitsplätzen,
um das Kapital als die Produktion beherrschende
Form
mit allen Konsequenzen in Kraft zu setzen und zu
halten. Die kapitalistische Form des Reichtums und seiner
gesellschaftlichen Produktion bedarf eines enormen
Einsatzes, um sie zu sichern, mit allen ihren Belangen
alternativlos und flächendeckend auf der Welt
durchzusetzen, ihre negativen Folgen unter Kontrolle zu
halten, die daraus erwachsenden Ansprüche und
Notwendigkeiten sachgerecht zu verfolgen; „riesige
Gesellschaftskräfte“ werden in Geschäfte gesteckt, die
sich auf die „unmittelbare Produktion“ nützlicher Güter
draufpflanzen und ganz neue, nie geahnte
gesellschaftliche Bedürfnisse bedienen und schaffen. Die
Arbeit, die da verrichtet wird, weist in ihren unteren
bis durchschnittlichen Gehaltsstufen keinen
beachtenswerten Unterschied zu derjenigen auf, die im
„unmittelbaren Produktionsprozess“ verschlissen wird: Die
letztere steht schon längst in keiner materiellen
Beziehung mehr zu dem Produkt, für dessen Herstellung sie
noch nötig ist; ihr ganzer Zweck liegt auf Seiten der
„lebendigen“ Arbeiter im zu verdienenden Geld, auf der
anderen, maßgeblichen Seite in dem Vergleich zwischen
deren Bezahlung und der Ertragsrechnung, in die diese
eingeht; ihr Verhältnis zum Produktionsprozess ist
vollständig aufgelöst in die Abarbeitung der Vorgaben des
Lohnzahlers. Und was die erstere betrifft, die Arbeit im
ausgedehnten Dienst an den kapitalistischen
Formbestimmungen des gesellschaftlichen Reichtums und den
daraus erwachsenden Notwendigkeiten und
Luxusbedürfnissen, so unterliegt sie genau denselben
Rechnungen und daraus folgenden Bedingungen wie diejenige
in der „unmittelbaren“ Güterproduktion: Wer sie
verrichtet, tut das auch nur für Geld, und das in
Abhängigkeit von der Bereicherung seines Arbeitgebers;
und wer solche „Arbeit gibt“, der hat nichts als den
größtmöglichen Überschuss seiner Einnahmen über die
Bezahlung der Arbeitskräfte im Auge, die er für seine
„Dienstleistungen“ einsetzt, und nutzt auch dafür alle
technischen Errungenschaften zur Einsparung von zu
entlohnender Arbeit.
So kommt es, wie es kommen muss, nämlich in denkbar
umfassender Weise und weltweit flächendeckend zu dem
absurden Mißverhältnis
, dass in der
Marktwirtschaft mit vergleichsweise lächerlich wenig
Aufwand an Arbeitszeit und dem Einsatz von relativ
wenigen menschlichen Fähigkeiten eine Unmenge nützlicher
Dinge produziert wird und die arbeitende Gesellschaft
dennoch nicht in den Genuss freier Verfügung über
Lebenszeit und freier Betätigung unterschiedlichster
Fähigkeiten kommt, sondern entweder intensiv und rund um
die Uhr für ihren Gelderwerb tätig sein muss oder wegen
Nutzlosigkeit fürs Kapital vom gesellschaftlichen
Reichtum ausgeschlossen ist. So erklärt sich, dass der
enorme technische Fortschritt, den die kapitalistische
Firmenwelt produziert, die Leute nicht von den
Mühseligkeiten des Arbeitens befreit, sondern stets von
Neuem in einen beständig neu definierten Umkreis von
Lebensnotwendigkeiten einsperrt und ihnen entweder keine
Chance lässt, mit diesen Notwendigkeiten fertig zu
werden, oder den größten Teil ihrer wachen Lebenszeit und
außerdem den letzten Nerv raubt.
Nicht zu Unrecht war Marx der Meinung, die Opfer dieses
Irrsinns sollten sich den nicht gefallen lassen; deswegen
hat er ihnen die Gründe ihrer materiellen Zwangslage,
nämlich den prozessierenden Widerspruch
, als
dessen Anhängsel sie durch ihr Dasein stolpern, erklärt,
eben um sie für einen Aufstand dagegen zu agitieren.
Zugleich und in einem gewissen Widerspruch dazu hat er
sich mit seiner Diagnose so sehr im Einklang mit einer
zunehmend breiteren Arbeiterbewegung zum Umsturz der
kapitalistischen Produktionsweise gesehen, dass ihm die
Widersprüche des Kapitals schon so ziemlich als
Todesurteil über den Kapitalismus vorgekommen sind. Diese
Täuschung hat die wirkliche antikapitalistische
Arbeiterbewegung dadurch sehr handfest korrigiert, dass
sie sie in ihr Selbstbild übernommen und ihre Strategien
daran ausgerichtet hat: Ausgerechnet in ihren
revolutionär gesinnten Teilen und Phasen hat sie sich als
Auftragnehmer einer ohnehin fälligen geschichtlichen
Tendenz verstanden und dementsprechend weniger als
kompromissloser Verfechter ihrer materiellen Interessen
betätigt. Die Parteien des zuerst in Russland
erfolgreichen, dann von der Sowjetunion weiter
verbreiteten „realen Sozialismus“ sind ganz explizit von
einer irgendwie objektiv vorgegebenen
Geschichtsdramaturgie ausgegangen, die bestimmte
Entwicklungsschritte hin zu einer immer gerechteren
Beteiligung der „lebendigen“ Arbeiter am behördlich
verwalteten gemeinschaftlichen Eigentum an den Resultaten
ihrer „entfesselten“ Produktivkraft auf die historische
„Tagesordnung“ setzt. Ihr Vorhaben, die kapitalistische
Welt zu revolutionieren und eine klassenlose Gesellschaft
zu schaffen, haben sie sich dementsprechend als die
Aufgabe zurechtgelegt, die kriegerisch eroberte
Staatsgewalt für die planmäßige Organisation des bis
dahin privaten, „anarchischen“ Wertschöpfungsprozesses
einzusetzen. Den folgenreichen Widerspruch dieses
Unterfangens, die kapitalistische Wertproduktion nicht
abzuschaffen, sondern rational und arbeiterfreundlich
umzuwälzen, haben sie gemäß der Vorstellung aufeinander
aufbauender, je für sich „historisch notwendiger“
Zwischenschritte von der kapitalistischen Ausbeutung hin
zu immer mehr „realem Sozialismus“ mehr schlecht als
recht planerisch bewältigt.[10] Den Kapitalismus mit seiner
Kombination von immer weniger Aufwand für und immer
größeren Ansprüchen an die „lebendige“ Arbeit wollten
diese Kommunisten mit ihrer Kombination aus
arbeiterfreundlicher Gerechtigkeit und ungehindertem
Produktivitätsfortschritt „überholen, ohne ihn
einzuholen“. Ihren klassenkämpferischen Umsturzwillen und
alle Kritik an der kapitalistischen Produktionsweise
haben sie auf die Art praktisch und auch theoretisch auf
einen „Wettstreit der Systeme“ heruntergebracht; diesen –
notwendigerweise bewaffneten – Konkurrenzkampf haben die
zuständigen Partei- und Staatschefs am Ende verloren
gegeben. Ein paar ideologische Nachlassverwalter haben in
einem letzten Akt theoretischer Rechthaberei auch noch
diese Niederlage „der Geschichte“ in die Schuhe
geschoben, die dem – „verfrühten?“ – „Versuch“, den
Kapitalismus zu überwinden, „unrecht gegeben“ hätte, und
sich damit vollends vom Interesse an sachlicher Kritik
des Weltgeschehens verabschiedet.
Als äußerst beständig erweist sich dagegen der
Widerspruch, den Marx im nachgelassenen dritten Band
seines Hauptwerks einmal so formuliert: Wenn daher die
kapitalistische Produktionsweise ein historisches Mittel
ist, um die materielle Produktivkraft zu entwickeln und
den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen
– und
dass sie sich in diesem Sinn äußerst effektiv betätigt,
ist ja wirklich nicht zu leugnen –, ist sie
zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer
historischen Aufgabe und den ihr entsprechenden
gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen.
(Das Kapital, Bd. III, MEW
25, Berlin 1983, S.260)
Dass die historische Leistung der kapitalistischen
Produktionsweise in Sachen Reichtum und Verkehr rund um
den Globus die Erfüllung einer historischen
Aufgabe
wäre, ist bestenfalls eine ironische Metapher
und der Sache nach ein Hohn auf die Globalisierung des
viel bestaunten „Nebeneinander“ von enormem Reichtum und
einer Armut, die sich keinem naturbedingten Mangel,
sondern der Leistungsfähigkeit des Systems verdankt, das
die Menschheit nach dem Gebrauch sortiert, den es von ihr
macht. Im schlechtesten Fall handelt es sich um eine
teleologische Dummheit. Zu den objektiven Widersprüchen
dieser Produktionsweise gehört tatsächlich nicht mehr,
aber auch nicht weniger, als dass sie beständig
gute Gründe schafft, sie aus der Welt zu schaffen.
[1] In den Grundrissen liest sich das so: „Die Arbeitszeit als Maß des Reichtums setzt den Reichtum selbst als auf der Armut begründet und die disposable time nur existierend im und durch den Gegensatz zur Surplusarbeitszeit ...“ (S. 604)
[2] „Die Schöpfung von viel disposable time außer der notwendigen Arbeitszeit für die Gesellschaft überhaupt und jedes Glied derselben (d.h. Raum für die Entwicklung der vollen Produktivkräfte der einzelnen, daher auch der Gesellschaft), diese Schöpfung von Nicht-Arbeitszeit erscheint auf dem Standpunkt des Kapitals, wie aller frühren Stufen, als Nicht-Arbeitszeit, freie Zeit für einige. Das Kapital fügt hinzu, daß es die Surplusarbeitszeit der Masse durch alle Mittel der Kunst und Wissenschaft vermehrt, weil sein Reichtum direkt in der Aneignung von Surplusarbeitszeit besteht; ...“ (S. 603)
[3] In demselben
Maße, wie die Arbeitszeit – das bloße Quantum Arbeit –
durch das Kapital als einziges wertbestimmendes Element
gesetzt wird, in demselben Maße verschwindet die
unmittelbare Arbeit und ihre Quantität als das
bestimmende Prinzip der Produktion – der Schöpfung von
Gebrauchswerten und wird sowohl quantitativ zu einer
geringern Proportion herabgesetzt wie qualitativ als
ein zwar unentbehrliches, aber subalternes Moment gegen
die allgemeine wissenschaftliche Arbeit, technologische
Anwendung der Naturwissenschaften nach der einen Seite,
wie [gegen die] aus der gesellschaftlichen Gliederung
in der Gesamtproduktion hervorgehende allgemeine
Produktivkraft ...
(S.
596)
[4] Das Kapital
wendet die Maschine ... nur an, soweit sie den Arbeiter
befähigt, einen größeren Teil seiner Zeit für das
Kapital zu arbeiten, zu einem größeren Teil seiner Zeit
als ihm nicht angehöriger sich zu verhalten, länger für
einen andren zu arbeiten. Durch diesen Prozeß wird in
der Tat das Quantum zur Produktion eines gewissen
Gegenstandes nötige Arbeit auf ein Minimum reduziert,
aber nur damit ein Maximum von Arbeit in dem Maximum
solcher Gegenstände verwertet werde. Die erste Seite
ist wichtig, weil das Kapital hier – ganz unabsichtlich
– die menschliche Arbeit auf ein Minimum reduziert, die
Kraftausgabe.
(S. 597
f.)
[5] „In fact, in dem Produktionsprozeß des Kapitals, wie sich noch mehr bei weitrer Entwicklung desselben zeigen wird, ist die Arbeit eine Totalität – eine Kombination von Arbeiten – wovon die einzelnen Bestandteile sich fremd sind, so daß die Gesamtarbeit als Totalität nicht das Werk des einzelnen Arbeiters und auch das Werk der verschiednen Arbeiter zusammen nur ist, soweit sie kombiniert sind, nicht sich als Kombinierende zueinander verhalten. In ihrer Kombination erscheint diese Arbeit ebensosehr einem fremden Willen und einer fremden Intelligenz dienend und von ihr geleitet – ihre seelenhafte Einheit außer sich habend wie in ihrer materiellen Einheit untergeordnet unter die gegenständliche Einheit der Maschinerie, das capital fixe, das als beseeltes Ungeheuer den wissenschaftlichen Gedanken objektiviert und faktisch das Zusammenfassende ist, keineswegs als Instrument zum einzelnen Arbeiter sich verhält, vielmehr er als beseelte einzelne Punktualität, lebendiges isoliertes Zubehör an ihm existiert.“ (S.382)
[6] Die Maschine
erscheint in keiner Beziehung als Arbeitsmittel des
einzelnen Arbeiters. Ihre differentia specifica ist
keineswegs, wie beim Arbeitsmittel, die Tätigkeit des
Arbeiters auf das Objekt zu vermitteln; sondern diese
Tätigkeit ist vielmehr so gesetzt, daß sie nur noch die
Arbeit der Maschine, ihre Aktion auf das Rohmaterial
vermittelt – überwacht und sie vor Störungen bewahrt.
Nicht wie beim Instrument, das der Arbeiter als Organ
mit seinem eignen Geschick und Tätigkeit beseelt und
dessen Handhabung daher von seiner Virtuosität abhängt.
Sondern die Maschine, die für den Arbeiter Geschick und
Kraft besitzt, ist selbst der Virtuose, die ihre eigne
Seele besitzt in den in ihr wirkenden mechanischen
Gesetzen und zu ihrer beständigen Selbstbewegung, wie
der Arbeiter Nahrungsmittel, so Kohlen, Öl etc.
konsumiert ... Die Tätigkeit des Arbeiters, auf eine
bloße Abstraktion der Tätigkeit beschränkt, ist nach
allen Seiten hin bestimmt und geregelt durch die
Bewegung der Maschinerie, nicht umgekehrt. Die
Wissenschaft, die die unbelebten Glieder der
Maschinerie zwingt, durch ihre Konstruktion zweckgemäß
als Automat zu wirken, existiert nicht im Bewußtsein
des Arbeiters, sondern wirkt durch die Maschine als
fremde Macht auf ihn, als Macht der Maschine
selbst.
(S. 592 f.)
Die Akkumulation des Wissens und des Geschicks, der
allgemeinen Produktivkräfte des gesellschaftlichen
Hirns, ist so der Arbeit gegenüber absorbiert in dem
Kapital und erscheint daher als Eigenschaft des
Kapitals...
(S. 594)
Nach der einen Seite hin ruft es (sc. das Kapital)
also alle Mächte der Wissenschaft und der Natur wie der
gesellschaftlichen Kombination und des
gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung
des Reichtums unabhängig (relativ) zu machen von der
auf sie angewandten Arbeitszeit. Nach der anderen Seite
will es diese so geschaffenen riesigen
Gesellschaftskräfte messen an der Arbeitszeit und sie
einbannen in die Grenzen, die erheischt sind, um den
schon geschaffenen Wert als Wert zu erhalten. Die
Produktivkräfte und gesellschaftlichen Beziehungen –
beides verschiedne Seiten der Entwicklung des
gesellschaftlichen Individuums – erscheinen dem Kapital
nur als Mittel und sind für es nur Mittel, um von
seiner bornierten Grundlage aus zu produzieren.
(S. 602)
[7] Sehr ausführlich
behandelt Marx die eigentumsrechtliche Seite des
kapitalistischen Produktionsprozesses am Ende von Heft
IV und Anfang von Heft V der Grundrisse:
„Um die Verhältnisse, worin Kapital und Lohnarbeit
treten, als Eigentumsverhältnisse oder
Gesetze auszudrücken, haben wir nichts zu tun, als
das Verhalten beider Seiten in dem
Verwertungsprozeß als Aneignungsprozeß
auszudrücken. Z.B., daß die Surplusarbeit als
Surpluswert des Kapitals gesetzt wird, heißt, daß der
Arbeiter sich nicht das Produkt seiner eignen Arbeit
aneignet; daß es ihm als fremdes Eigentum
erscheint; umgekehrt, daß die fremde Arbeit
als Eigentum des Kapitals erscheint. Dieses zweite
Gesetz des bürgerlichen Eigentums, worein das erste
umschlägt, ... wird ebensowohl als Gesetz aufgestellt
wie das erstre. Das erste ist die Identität der Arbeit
mit dem Eigentum; das zweite die Arbeit als negiertes
Eigentum oder das Eigentum als Negation der Fremdheit
der fremden Arbeit.“ (S. 382) Wenn Marx das
Eigentum des kapitalistischen Unternehmens am
Gesamtprodukt der in seinem Betrieb verrichteten Arbeit
als Aneignung
und bei Gelegenheit ganz
unbefangen als Diebstahl
charakterisiert, hat er
in der Sache den hier gekennzeichneten „Umschlag“ der
Gleichung von Herstellung und Verfügungsrecht in die
übergeordnete Gleichung von gekaufter Herrschaft über
die Tätigkeit des Herstellens und Eigentum am Produkt
fremder Tätigkeit vor Augen. Die reale Subsumtion der
Produktionsarbeit unter die Vorgaben des
kapitalistischen Unternehmens, ihre Verwandlung in
Maschinenbedienung, macht diesen „Umschlag“ zur
praktischen Eigenschaft des materiellen
Herstellungsprozesses: In der Maschinerie tritt die
vergegenständlichte Arbeit der lebendigen Arbeit im
Arbeitsprozeß selbst als die sie beherrschende Macht
gegenüber, die das Kapital als Aneignung der lebendigen
Arbeit seiner Form nach ist.
(S. 593) Das Arbeitsmittel macht den
Arbeiter selbständig – setzt ihn als Eigentümer. Die
Maschinerie – als Capital fixe – setzt ihn als
unselbständig, setzt ihn als angeeignet.
Angesichts
einer Bewegung der Maschinenstürmerei findet Marx es
ratsam hinzuzufügen: Diese Wirkung der Maschinerie
gilt nur, soweit sie als capital fixe bestimmt, und sie
ist nur dadurch als solche bestimmt, daß der Arbeiter
als Lohnarbeiter und das tätige Individuum überhaupt
als bloßer Arbeiter sich zu ihr verhält.
(S. 598)
[8] Wenn Krupps Metallarbeiter sich schon vor über hundert Jahren als „Kruppianer“ verstanden haben und moderne Automobilarbeiter – ausgerechnet dann, wenn sie von Entlassung bedroht sind – sich stolz als „Opelaner“ bekennen, so erheben sie damit ganz gewiss keinen Eigentumsanspruch auf „ihre“ Firma. Sie drücken nichts als ihre Zugehörigkeit zu dem großen Kollektivsubjekt, der Firma, also in denkbar affirmativer Form ihre Subsumtion unter das Konkurrenzschicksal des Kapitals aus, das sie benutzt. Tatsächlich ist für sie längst eingetreten, was Marx als notwendiges Resultat der kapitalistischen Entwicklung bestimmt: „Die volle Entwicklung des Kapitals findet also erst statt – oder das Kapital hat erst die ihm entsprechende Produktionsweise gesetzt –, sobald das Arbeitsmittel nicht nur formell als Capital fixe bestimmt ist, sondern in seiner unmittelbaren Form aufgehoben und das Capital fixe innerhalb des Produktionsprozesses der Arbeit gegenüber als Maschine auftritt; der ganze Produktionsprozeß ... als technologische Anwendung der Wissenschaft.“ (S. 595)
[9] Marx fährt an der
Stelle fort: Dies wird der emanzipierten Arbeit
zugute kommen und ist die Bedingung ihrer
Emanzipation.
(S. 598)
[10] Mehr dazu und zum zwar nicht notwendigen, aber konsequenten Ende dieser Produktionsweise und ihrer Staatsgewalt ist dem Sammelband von Karl Held (Hrsg.), Das Lebenswerk des Michail Gorbatschow. Von der Reform des ,realen Sozialismus‘ zur Zerstörung der Sowjetunion, Gegenstandpunkt-Verlag, München 1992 zu entnehmen.