Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Eine Familienministerin macht Bevölkerungspolitik:
Der Staat kauft sich Kinder

Wer einen ordentlichen Arbeitsplatz hat, lebt im und für den Job; freie Interessen, Liebesbeziehung und Kinderbetreuung werden da schwierig. Auf Familienmenschen dagegen, die auf die lieben Kleinen nicht, dafür aufs volle Geldverdienen verzichten, wartet das „Armutsrisiko Kind“. Das alles muss selbstverständlich so sein und bleiben. Daran kann und will die Familienministerin nichts ändern; aber auf diesem Feld – anders als in den anderen Abteilungen des Sozialstaats – setzen gewisse Hilfen fürs Aushalten der Zumutungen keine falschen Anreize, sondern genau die richtigen.

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Eine Familienministerin macht Bevölkerungspolitik:
Der Staat kauft sich Kinder

Es gibt also doch noch Sozialleistungen, die die Begünstigten nicht gleich zur Verantwortungslosigkeit verführen und sogar finanzierbar sind. Während sonst jede Bedürftigkeit als Last, wenn nicht als unverschämter Anschlag auf die Staatskasse durchschaut und abgeschmettert wird, hat die Familienministerin jedes Verständnis für die Nöte junger Familien:

„Die aktuelle Shell-Jugendstudie bringt das auf den Punkt. Mit einem wirklich glücklichen Leben verbinden Jugendliche in erster Linie Familie. Aber sie wissen auch ganz genau, dass es nicht einfach ist, Ausbildung, Beruf, Partnerschaft, Karriere und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen. Die Folgen dieser Skepsis sind hohe Kinderlosigkeit und das Verschwinden der Mehrkindfamilie. Das heißt, Familie ist nach wie vor zeitgemäß, aber die Rahmenbedingungen, die wir als Gesellschaft Familien im 21. Jahrhundert zumuten, sind nicht mehr zeitgemäß.“

Frau von der Leyen hat kein Problem, einzuräumen, was für eine Zumutung eine Wirtschaft ist, die schon für bescheidenen Lohn den ganzen Menschen fordert und mit Beschlag belegt; und sogar denjenigen, die in ihr Karriere machen, geregelte Arbeits- und Freizeit verweigert. Wer einen ordentlichen Arbeitsplatz hat, lebt im und für den Job; freie Interessen, Liebesbeziehung und Kinderbetreuung werden da schwierig. Auf Familienmenschen dagegen, die nicht auf die lieben Kleinen, dafür aber aufs volle Geldverdienen verzichten, wartet das „Armutsrisiko Kind“. Das alles muss selbstverständlich so sein und bleiben. Daran kann und will die Familienministerin nichts ändern; aber auf diesem Feld – anders als in den anderen Abteilungen des Sozialstaats – setzen gewisse Hilfen fürs Aushalten der Zumutungen keine falschen Anreize, sondern genau die richtigen. Die Schwierigkeiten junger Eltern stehen beim Staat hoch im Kurs, weil sie ihm Schwierigkeiten machen. Mit einem neuen Elterngeld hilft er ihnen, um sich einen leider allzu unbefriedigten Wunsch zu erfüllen: Die Sphäre des privaten Glücks genießt öffentliche Wertschätzung ausdrücklich als Keimzelle des Staates: Sie soll ihm gefälligst wieder mehr neue Staatsbürger liefern. Denn die Verwalter der Macht sind in Sorge, dass das von ihnen regierte Volk in den nächsten 50 Jahren kleiner werden könnte – zu klein offenbar für das, was sie mit ihm vorhaben.

Mehr Volk für den Staat

Wer heute an Hitlers Mutterkreuze und an die edle Aufgabe erinnert, für deren Erfüllung sie verliehen wurden, brandmarkt einen Zynismus des Staates: In der Ehrung der Mütter dafür, dass sie Führer und Reich Kinder und damit zukünftige Soldaten schenken, gibt sich die Staatsmacht als letzter Zweck des gesellschaftlichen Lebens zu erkennen und erklärt die Menschen zum Material ihrer Selbstbehauptung und Größe. Über das längst vergangene Dritte Reich macht man sich nichts vor: Damals war der Mensch für den Staat da, nicht umgekehrt. Dasselbe Urteil stellt sich nicht ein, wenn Politiker heute das Land mit der Prognose erschrecken: „Die Deutschen sterben aus!“ und wenn sie in gesetzten Worten eine Politik zur Steigerung der Geburtenraten ankündigen:

„In Anbetracht steigender Kinderlosigkeit werden heute Maßnahmen gebraucht, welche die Entscheidung für Kinder erleichtern und die wirtschaftliche Stabilität von Familien stärken.“

Einerseits geniert sich die demokratische Familienministerin nicht, den öffentlichen Kinderwunsch als einen Dienst ihres Hauses an der familiären Idylle auszudrücken; nur um Glück und Erfolg der Eltern sei es ihr zu tun, wenn sie Maßnahmen gegen die Kinderlosigkeit ergreift: Über dem Ganzen muss aber wieder die Grundmelodie zu hören sein, welches Glück Kinder in ein Leben tragen. Genau dieses private Glück überlässt sie aber nicht der Privatinitiative, wie sonst auf allen Feldern; hier ist einmal nicht die Selbstverantwortung des mündigen Bürger gefragt, sondern die starke öffentliche Hand; es geht darum, dass

„der Staat die Voraussetzungen schafft, dass die Wahrnehmung der Erziehungsaufgabe in der Familie nicht zu beruflichen Nachteilen führt, dass eine Rückkehr in eine Berufstätigkeit ebenso wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile einschließlich eines beruflichen Aufstiegs während und nach Zeiten der Kindererziehung ermöglicht und dass die Angebote der institutionellen Kinderbetreuung verbessert werden.“

Andererseits verschweigt Frau von der Leyen auch nicht, dass diese öffentliche Fürsorge einem öffentlichen Bedürfnis entspringt: Deutschland braucht einfach wieder mehr Kinder. Gewiss, eine demokratische Familienministerin mahnt die Produktion neuer Menschen nicht zum Wohle des Staates an, sondern mit Blick auf die „Probleme einer alternden Bevölkerung“ zum Wohle des Volkes selbst: Mehr Volk fürs Volk! Bevölkerungswissenschaftler – ja auch das gibt es! – erläutern diesen Bedarf, indem sie die lächerliche Vorstellung nahe legen, es seien für die viel zu vielen Alten keine Krankenschwestern und Pfleger mehr aufzutreiben, wenn die deutsche Bevölkerung im Jahr 2050 von 82 auf circa 70 Millionen geschrumpft und der Anteil der über 80-Jährigen auf 10 Millionen gestiegen sein wird. (Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung 7.11.06, http://www.destatis.de) Nebenbei bemerkt existiert ein Mangel an diesen Kräften nicht erst in 50 Jahren, sondern jetzt in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit; es fehlt nicht an arbeitsfähigen Jungen, sondern an Geld. Die Armut der Rentner lässt eine anständige Bezahlung der Pflegekräfte, also auch eine anständige Pflege, nicht zu.

Von der Überzeugungskraft der Frage: Wer wird uns einmal pflegen? – macht kein Bevölkerungsplaner etwas abhängig, sie dient nur als populäres Bild für die nationale Unerträglichkeit einer schrumpfenden Bevölkerung und eines steigenden Durchschnittsalters, für die man ein noch besseres Argument nachlegt: Wie sollen die Renten finanziert werden, wenn immer weniger arbeitsfähige Junge mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen immer mehr Rentner unterhalten müssen? Was wie eine rationale Rechnung zur Demonstration der kommenden demographischen Katastrophe vorgeführt wird, ist nichts anderes als die Übersetzung einer ewigen kapitalistischen Not in ein sachzwanghaftes, quasi biologisches Verhältnis von Generationen und ihren relativen Größen: ‚Unmöglich!‘, sollen wir denken, ‚auf den Schultern eines jeden aktiven Beitragszahlers lasten dereinst zwei Rentner!‘ Erstens wird da also auch für das nächste halbe Jahrhundert unterstellt, dass die arbeitende Bevölkerung vom Kapital nach Strich und Faden ausgelutscht, nach etwa 40 Arbeitsjahren verbraucht, krank und intellektuell fertig ausgemustert und selbstverständlich nicht weiter bezahlt wird; dass sie zweitens ihren Lebenslohn schon verbraucht hat, wenn sie ihre Arbeitsstätte verlässt, mittellos dasteht und von den nachrückenden Jahrgängen nicht einfach mitversorgt wird, sondern drittens ihre Rente über prozentuale Abzüge aus dem nationalen Gesamtlohn bezieht, den die Arbeit der dann nötigen Arbeitskräfte dem Kapital wert ist. Viertens gehen die Katastrophen-Warner davon aus, dass die Einkommen auch in den nächsten 50 Jahren nicht steigen werden, sich die dann aktiven Jahrgänge die Lohnabzüge für die Versorgung ihrer Elterngeneration also nicht werden leisten können. Fünftens wird dagegen entschlossen ausgeblendet, dass eine neue Generation Deutscher nicht dasselbe ist wie deren 100%ige Beschäftigung; dazwischen steht allemal die Wirtschaft mit ihrem Arbeitskräftebedarf, den sie auch in Zukunft mit allen verfügbaren Instrumenten senken wird. Wie man es auch dreht und wendet, das ganze Bild vom Rentnerberg, der die Jugend zu seiner Versorgung braucht, drückt nur eines aus: Politiker wollen sich die Versorgung der Alten nur als Abfallprodukt eines stets wachsenden nationalen Kapitalismus vorstellen; um dieser Wirtschaft ihren wichtigsten Produktionsfaktor – genug billige Arbeit – zur Verfügung stellen zu können, brauchen sie eine am besten wachsende, jedenfalls nicht abnehmende Bevölkerung. Davon, dass für den Bedarf des Kapitals jetzt schon viel zu viele Menschen auf deutschem Raum leben, lässt sich ein Bevölkerungspolitiker nicht irritieren: Da weiß er plötzlich, dass sich der Bedarf des Kapitals nach Menschen nicht vorausberechnen lässt; Nachwuchs also stets ein Lebenselixier des nationalen Kapitalismus ist. Politiker und Ökonomen scheuen sich nicht, einen drohenden Verlust der Wachstumsdynamik der deutschen Wirtschaft vorherzusagen, wenn das Kapital dereinst nicht überreichlich mit Menschenmaterial versorgt werden sollte. Dafür braucht der Staat Nachwuchs – freilich nicht nur dafür, und deswegen auch nicht jeden x-beliebigen.

Mehr deutsches Volk

Wenn es denn tatsächlich so wäre, dass das Arbeitskräftereservoir, aus dem die Wirtschaft sich bedient, wegen des Schrumpfens der Bevölkerung austrocknete, wenn den Rentenkassen die Beitragszahler tatsächlich nicht wegen der Arbeitslosigkeit, sondern aus biologischen Gründen ausgingen und den Altenheimen die Pfleger fehlten – Kinder gäbe es auf der Welt genug. Das Wachstum der Weltbevölkerung ist so groß, dass es als Menetekel für die Stabilität von Staaten und Ökonomien gilt; gleichzeitig findet die deutsche Regierung das Wachstum ihres Volkes absolut unzureichend. Tatendurstige junge Leute aus Afrika und Eurasien werden von den Grenztruppen der Europäischen Union vor den Kanarischen Inseln, vor Italien und im Osten sehr leichenträchtig an dem Versuch gehindert, in all die Rollen einzuwandern, die die deutsche Regierung künftig unterbesetzt sieht. Sie würden mit Handkuss die schlimmsten Drecksarbeiten der Ersten Welt erledigen und auch noch Geld in die Sozialkassen einzahlen – wenn man sie ließe und wenn es die Jobs gäbe, für die es angeblich in Deutschland bald nicht mehr genug Personal geben soll. Der Kinderwunsch des Staates richtet sich halt doch nicht einfach auf Arbeitskräfte für die Wirtschaft – diese Rolle würden Einwanderer auch ausfüllen –, sondern auf hier geborene und aufgewachsene Deutsche; noch nicht einmal auf Kinder von Ausländern, die schon im Land sind: An ausländische Eltern, die nicht auf Dauer in Deutschland bleiben werden, wird kein Elterngeld gezahlt. (Singhammer, CSU). Den Ausländern – natürlich erst recht denen, die man wieder loswerden will – trauen Familienpolitiker die Leistung nicht zu, auf die es ihnen ankommt: Mögen die Zuwanderer als biologische Keimzelle des Staates funktionieren, sogar besser als die Eingeborenen, als zugleich sittliche Keimzelle des zukünftigen Volkskörpers sind sie unzuverlässig. Von Fremden, die unsere Leitkultur nicht intus haben, nicht richtig wissen, worauf es hier ankommt, und ihren Kindern wer weiß was für Einstellungen und Werte eintrichtern, will die Familienministerin die Zukunft der Nation nicht abhängig wissen. Sie setzt auf deutsche Eltern, die bereit sind, sich ihrer reproduktiven Verantwortung für „unsere Zukunft“ zu stellen, denen die Fortpflanzung daher eine sittliche Selbstverständlichkeit ist. Von Eltern mit einem solchen Verantwortungsbewusstsein erwartet sie sich dann auch anständigen Nachwuchs, der neben den Tugenden von Erwerbssinn und Aufstiegswillen vor allem die deutsche Identität schon mit der Muttermilch eingesaugt hat.

Mehr gutes Volk

Aus demselben Grund kennt die Regierung außer dem nationalen ein soziales Selektionskriterium, wenn sie sich neues Volk bestellt: Es geht nicht um deutschen Nachwuchs überhaupt, es geht um staatstragendes Volk. Und dazu gehört die neuerdings auch so genannte Unterschicht definitiv nicht. Von der gibt es längst zu viele Exemplare, zumal ausgerechnet die ganz Armen durchaus zu einem gewissen Kinderreichtum neigen. Die Verwalter des Gemeinwesens registrieren nicht nur, was ihr Wirtschaftssystem an Arbeitslosigkeit und Massenelend erzeugt; sie selbst organisieren für die überflüssigen, weil für die Wirtschaft unbrauchbaren Arbeitskräfte mit Hartz IV und anderen Sozialreformen immer steilere Verelendungskarrieren, produzieren Perspektivlosigkeit und Verwahrlosung. Sogar der Umstand, dass ihr auf Auslese zielendes Bildungssystem dafür sorgt, dass sich diese Karrieren ziemlich zuverlässig vererben, ist ihnen geläufig – nur wie: Sie lasten diese Zerstörung von Leben und Charakteren den Opfern ihrer Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik als deren Versagen an. Und von so kaputten Typen braucht das Land keine Kinder! Die kleine familienpolitische Revolution (Bärbel Dieckmann, SPD) macht Schluss mit dem veralteten sozialpolitischen Grundsatz, dass staatliche Hilfe dorthin gelenkt werden sollte, wo die Not am größten ist; jetzt gilt das Gegenteil:

„Zum ersten Mal in unserer gesamten Familienförderung geben wir mehr Geld für die Rechtsanwältin als für die Rechtsanwaltsgehilfin, wenn sie schwanger wird.“ (Armin Laschet, CDU, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in NRW)

Das bisherige „Erziehungsgeld“ wird abgeschafft,

„weil es bildungsfernen Schichten die Entscheidung zum Kind zu sehr erleichtere, aber für berufstätige Frauen kein Anreiz sei, sich für ein Kind zu entscheiden.“ (FAZ, 2.8.05).
„Während das bisherige Erziehungsgeld als kindbezogene Sozialleistung konzipiert ist, wird das Elterngeld eine elternbezogene Lohnersatzleistung sein. Für nicht Berufstätige und Geringverdiener hat das eine teils erhebliche Verschlechterung zur Folge, da sie das monatlich 300 Euro betragende Erziehungsgeld bis zu zwei Jahre erhalten haben. Folglich ist das Elterngeld nur für Normal- und insbesondere Gutverdienende, die bisher aufgrund mangelnder Bedürftigkeit maximal sechs Monate Erziehungsgeld bekommen haben, eine finanzielle Verbesserung.“ (Wikipedia, Stichwort Elterngeld)

Genau darum geht es der Familienministerin: Sie will ausdrücklich mehr gut ausgebildete junge Frauen und Männer zur Familiengründung animieren und gestaltet dafür das Elterngeld als Einkommensersatz und echte finanzielle Kompensation für den kindbedingten Verdienstausfall aus: Bis zu einer Bemessungsgrenze von 2.700 Euro erhalten Eltern 1 Jahr lang 67% ihres vorherigen Nettoeinkommens, wenn sie ihr Kind daheim betreuen. Wenn auch der junge Vater noch eine kleine Auszeit nimmt, wird das Elterngeld sogar 14 Monate lang gewährt.

Denn: an einem Problem in unserem Land können wir nicht vorbeisehen. Je besser die Ausbildung der jungen Frauen und Männer, desto seltener entscheiden sie sich für Kinder. Ausgerechnet die guten, leistungswilligen und -fähigen Bürger des Landes versagen bei der fälligen Reproduktion des Volkskörpers. Viel zu wenig kommen aus den intakten Familien die staatlichen Wunschkinder zustande, in die die Eltern das pro-soziale Streben so zuverlässig implantieren, dass es dann auch drin ist und lauter brave, beschäftigte, Steuer zahlende und sich ihrerseits zuverlässig fortpflanzende Jungbürger auf der Matte stehen. Frau von der Leyen führt dieses Versagen auf eine Leistung zurück, die der Staat von den patenten Gebär-Verweigerern auch gar nicht missen will. Auch Frauen sollen nicht mehr daheim am Herd bleiben, sondern studieren, Karriere machen und die Wirtschaft voranbringen – ein Staatsinteresse, das die Ministerin an der jungen Generation als deren eigene Orientierung entdeckt haben will und deren Recht sie gegen das veraltete CSU-Ideal von der Einverdiener-Familie mit Hausfrau offensiv vertritt. Unter der gewünschten Berufsorientierung soll nur das andere Staatsinteresse an nationalem Nachwuchs nicht leiden, sondern als verwirklichter Kinderwunsch wieder selbstverständlicher Teil einer modernen Lebensgestaltung werden:

„Familienpolitik muss sich an den Lebensentwürfen der heutigen jungen Generation orientieren. Dass junge Frauen heute arbeiten, sei selbstverständlich. Die Frage ist nur: Entscheiden sie sich für oder gegen Kinder?“

Diese Frage will die Ministerin richtig, nämlich mit einem klaren und massenhaften „Pro“ beantwortet haben. Dafür greift sie ganz unsentimental zu dem Mittel, mit dem im Kapitalismus noch alles zu haben ist: Den nötigen „Anreiz“, dem auch und gerade berufstätige Frauen sich nicht werden entziehen können, setzt sie mit Geld und kalkuliert gleich mit ein, dass die ausgelobte Prämie, um als Anreiz zu wirken, natürlich um so höher sein muss, je weniger es um die Behebung wirklichen Geldmangels geht und je mehr um die Einflussnahme auf die freie Lebensplanung von Besserverdienenden. Auf solche Eltern setzt sie: Schlau kalkulierende Karrieristen, die sich darauf verstehen, die kompensatorischen Leistungen einer staatlich gesponserten Familienidylle mit Kindern gegen eine Selbstverwirklichung ohne Kinder aufzurechnen, beruflichen Aufstieg gegen eine vom Staat spendierte berufliche Auszeit abzuwägen, einem geschenkten Einkommensersatz die „Grundmelodie“ des Lebensglücks durch Nachwuchs abzulauschen – ein ganz anderer Menschenschlag jedenfalls als die Figuren, die notorisch im Verdacht stehen, sich übers staatliche Kindergeld einen bescheidenen Lebensunterhalt ohne Arbeit zu ergaunern; Menschen nämlich mit Verantwortungsbewusstsein, bereit, gegen ein bisschen finanzielle Nachhilfe die Gleichung vom privaten Lebensglück und öffentlichen Dienst wahr zu machen und ihrem Gemeinwesens eine ökonomisch, sittlich und biologisch funktionierende Keimzelle zu stellen.