Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Eisenbahnunfälle & Arbeitsplätze
Neues vom unermüdlichen Kampf der Gewerkschaft um Beschäftigung

Die Rentabilität der Bahn erfordert Personalabbau, der führt zu Unfällen und die beeinträchtigen das Geschäft. Deshalb bräuchte es, sagt die Gewerkschaft, damit es sich rentiert, mehr Leute – doch: siehe oben! Es läuft also auf höhere Anforderungen an die Beschäftigten in puncto Unfallvermeidung hinaus.

Aus der Zeitschrift

Eisenbahnunfälle & Arbeitsplätze
Neues vom unermüdlichen Kampf der Gewerkschaft um Beschäftigung

Es gibt eine Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, GdED, die die Häufung von Zugunglücken zum Anlaß genommen hat, Beschwerde zu führen: Die massenhafte Entlassung der letzten Jahre habe zu Personalknappheit v.a. im Wartungsbereich geführt, so daß die Inspektionsintervalle zu groß seien; die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen seien überfordert und angesichts drohender weiterer Rationalisierungen kaum noch motiviert – die Stimmung im Laden sei schlecht, und schlecht sei auch die Führung, die die Probleme nicht in den Griff bekomme. Deshalb fordere man ein Ende des überhasteten Personalabbaus.

Damit wird die GdED schon Recht haben, daß die Deutsche Bahn AG – wie jedes andere Unternehmen – gegen den Lohn kalkuliert. Es wird schon so sein, daß auch dieses Unternehmen mit einer beständigen Verknappung der Personaldecke den Sachzwang für Arbeitshetze und – verglichen mit den Lohnkosten von Festangestellten billigere – Überstunden schafft, mit denen dann das verbliebene Bahnpersonal den vermehrten Arbeitsaufwand bewältigt. Oder eben auch nicht, so daß dann wieder einmal menschliches Versagen ein Zugunglück zu verantworten hat. Auch mit dem Verdacht, daß diese große Schienentransportfirma ihrem finanziellen Betriebsergebnis alles mögliche an nicht unmittelbar geschäftsfördernden Arbeitstätigkeiten opfert – von Gleis- und Signalkontrollen oder Schienenfahrzeugwartung hört man, die ausgedünnt worden sind –, liegt die Eisenbahnergewerkschaft nicht neben der Spur. Ein bißchen Risikobewußtsein muß schon sein, wenn dieses deutsche Großunternehmen sein Stückgutgeschäft, seinen Vorsteuergewinn und Umsatz pro Personenkilometer mit relativ geringerem Kostenaufwand auch im nächsten Jahr deutlich zu verbessern gedenkt. Dafür setzt die Bahn AG die Moral ihrer Belegschaft, deren notgedrungene Bereitschaft, sich für das Funktionieren des Ladens zu kümmern, als kompensatorischen Puffer ein.

Soweit die praktizierte Härte des Geschäftemachens. Unter diesem Gesichtspunkt, daß das Geschäft erfolgreich zu sein hat mit verringerten Personalkosten, werden dann auch die Unfälle seitens der Bahn AG gewürdigt. Erstens handele es sich um tragische Unfälle, die mit dem Geschäftsprinzip rein gar nichts zu tun haben:

„Die Ursachen reichten von Eisbrocken auf den Schienen bis zu defekten Weichen“ (HB, 10.3.). Zweitens „hat Sicherheit bei der Bahn oberste Priorität. Würden Schwachstellen in dem bestehenden Sicherheitssystem festgestellt, werde das zu Konsequenzen führen, kündigte Ludewig an.“ (HB, 4.3.)

Auf der einen Seite erhöht die Kalkulation der Bahn die Unfallgefahr, auf der anderen Seite sollen wegen derselben Geschäftsrechnung weniger Unfälle sein, weil die das Image der Deutschen Bahn trüben.

Dieser Zynismus einer realistischen Geschäftskalkulation bringt die GdED auf eine enorm arbeitnehmerfreundliche Idee. Die Unfälle begründen für sie keine Kritik des Geschäfts, dem ihre Leute dienen, sondern sind für sie endlich ein wirklich überzeugendes Argument für ihren allerobersten Zweck: mehr Arbeitsplätze! Überzeugend deswegen, weil es der Gegenseite einleuchten müßte, die doch selbst verlautbaren läßt, daß ihre Unfallserie nicht unbedingt geschäftsfördernd ist…

Einwände gegen unfallträchtige Arbeitsplätze? Gewerkschaftlicher Widerstand gegen die dort herrschenden Arbeitsbedingungen? Fehlanzeige. Genau umgekehrt läuft das bei der GdED: Sie macht Werbung für mehr Sicherheit bei der Bahn, damit Leute eingestellt werden; sie reitet auf den Arbeitsunfällen herum, um den Abbau von Arbeitsplätzen zu beklagen und um ihren Antrag auf mehr Stellen zu unterfüttern. Sie hängt sich an die Sorge der Öffentlichkeit wegen des unfallgeschädigten Images dieses deutschen Transportkonzerns und buhlt um öffentliche Zustimmung für ihre Bettelei um Beschäftigung – mit Hinweisen auf Eschede und andere 13 Unfälle mit entgleisten Zügen allein seit Jahresbeginn.

Soviel positives Engagement schafft natürlich Bindungen: Deutsche Bahn AG und Eisenbahngewerkschaft bewältigen jetzt gemeinsam, was auf der Schiene so alles an Pleiten, Pech und Pannen anfällt: Über Konsequenzen aus der Unfallserie werden der Vorstand der Deutschen Bahn, die Spitze der Gewerkschaft der Eisenbahner (GdED) und der Gesamtbetriebsrat heute in Frankfurt beraten. (HB, 10.3.) So, wie der Laden hier beschaffen ist, wird die Sache auch diesmal darauf hinauslaufen, daß die Anforderungen an die Beschäftigten in punkto Unfallvermeidung und Sicherheit etwas höher geschraubt werden müssen.