Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Die CIA stellt mal wieder ihre Leichen aus:
Viel Verständnis für die Totschläger der freien Welt

Wenn ein Geheimdienst wie die CIA nach Ablauf von Geheimhaltungsfristen wieder einmal seine „Leichen aus dem Keller holt“ (NZZ, 28.6.07) und Tätigkeitsberichte aus der Zeit des Kalten Krieges veröffentlicht, weiß jedermann, dass das vom Chronisten der Zeitung gewählte altgediente Bild sehr nahe an der Wirklichkeit ist. Dem entsprechend ist auch niemand davon überrascht, dass das Material, das diese heimliche Abteilung des öffentlichen Dienstes – mit immer noch vielen geschwärzten Stellen – ausbreitet, „Operationen zur Ermordung ausländischer Staatsführer, die Überwachung von Gegnern des Vietnamkrieges, die Kontrolle von Briefen aus der Sowjetunion und China, die Bespitzelung von Journalisten und anderes mehr dokumentiert.“

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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen

Die CIA stellt mal wieder ihre Leichen aus:
Viel Verständnis für die Totschläger der freien Welt

Wenn ein Geheimdienst wie die CIA nach Ablauf von Geheimhaltungsfristen wieder einmal seine Leichen aus dem Keller holt (NZZ, 28.6.07) und Tätigkeitsberichte aus der Zeit des Kalten Krieges veröffentlicht, weiß jedermann, dass das vom Chronisten der Zeitung gewählte altgediente Bild sehr nahe an der Wirklichkeit ist. Dementsprechend ist auch niemand davon überrascht, dass das Material, das diese heimliche Abteilung des öffentlichen Dienstes – mit immer noch vielen geschwärzten Stellen – ausbreitet, Operationen zur Ermordung ausländischer Staatsführer, die Überwachung von Gegnern des Vietnamkrieges, die Kontrolle von Briefen aus der Sowjetunion und China, die Bespitzelung von Journalisten und anderes mehr dokumentiert. (NZZ, ebd.)

Dabei geht es der CIA mit den turnusmäßig fälligen Mitteilungen über ihren mörderischen Beitrag zur Verteidigung von Demokratie und Kapitalismus weltweit darum, beim nicht einschlägig vorgebildeten Publikum um Verständnis für das anspruchsvolle Berufsbild ihrer Agenten zu werben. Man will ihm mittels der veröffentlichten Dokumente einen Einblick in die Schwierigkeiten der Nachrichtenarbeit (M. Hayden, aktueller CIA-Chef) geben.

Ist ja alles nicht so einfach, schließlich waren auch damals schon „Hunderte“ (Bild.de) von Morden zu planen und zu verüben, nicht zuletzt an zahlreichen namhaften ausländischen Politikern (Novosti, 27.7.). Prominente Fälle zeigen dabei die komplexe Spannweite der erwähnten, schwierigen intelligence auf, in deren Rahmen etwa der antikolonialistische und deswegen kommunismusverdächtige kongolesische Ministerpräsident Lumumba (1960) ebenso zu beseitigen war wie ein störend gewordener, eigener Gorilla der USA, der dominikanische Staatschef Rafael Trujillo (1961).

Die Männer und Frauen von der zentralen agency haben stets unbeirrt das Nötige getan und sich nie gescheut, dabei auch grob zuzulangen im Dienste des Guten gegen das Reich des Bösen. Wenn man dabei manchmal nicht ganz getreu den Buchstaben des Gesetzes erfüllen konnte, – sorry, das war eben eine andere Zeit – war man sich sicher, um so verlässlicher dessen Geist zu verwirklichen, der es nicht selten gerade von den Besten fordert, das Recht zu missachten, um es durchzusetzen. Heute tut man sich leicht, darüber die Nase zu rümpfen, dabei können wir froh sein, dass sich die Zeiten geändert haben und die zivilisierende Verrechtlichung dieser stets problemträchtigen Sphäre soweit vorangekommen ist, dass niemand mehr rechtliche Bedenken gegen den amerikanischen Freiheitskampf an der Geheimdienstfront zu haben braucht:

„Die freigegebenen Dokumente vermitteln das Bild von einer anderen Zeit und von einem ganz anderen Amt“ meint der derzeitige Chef der CIA und er verspricht: „Was wir heute tun, um Amerikaner zu schützen, tun wir innerhalb eines festen Rahmens von Gesetz und Kontrolle.“ (New York Times, 27.6.)

In der Tat: Seit dem Sieg gegen den Kommunismus wurde viel getan, um die Nachrichtenarbeit gegen den neuen Feind, den internationalen Terrorismus, auf verbesserte Grundlagen zu stellen. Mörder und Totschläger, die noch immer die Amerikaner schützen, von ihnen veranstaltete Folter, Entführung und Verschleppung in Geheimgefängnisse, sind heute tatsächlich Gegenstand umfänglicher Regelungen, auch wenn kundige Beobachter noch heute Grauzonen ausmachen, in denen Geheimdienste operieren (NZZ, ebd.) Weil aber vieles von dem, was damals nicht ausdrücklich erlaubt war, heute in den einschlägigen Dienstanweisungen steht, wird künftig hoffentlich nicht mehr so viel Kompromittierendes (NZZ, ebd.) vorkommen wie früher.

Was die kleinen Peinlichkeiten der Vergangenheit angeht, sollen sie endgültig geheilt werden, und zwar ausgerechnet durch ihre Veröffentlichung:

Die Freigabe von wenig schmeichelhaften Details der Geschichte der CIA wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Behörde stärken. (S. Reyes, Vorsitzender der parlamentarischen Geheimdienst-Kommission)

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Und siehe da: Es funktioniert. Die politischen Betreuer der Geheimdienste kennen ihre Öffentlichkeit, der sie ein Bekenntnis liefern, dem nur ein Freispruch folgen kann. Weil feststeht, dass alles, was da bekannt wird, im Dienste einer gute Sache getan wurde, fällt es dem parteilichen Urteil leicht, die hohe moralische Qualität der Aufgabe von den wenig schmeichelhaften Details ihrer Erledigung zu unterscheiden. Die allerdings ziehen – der Sieg im Kalten Krieg erlaubt das heute – im Rückblick maßvolle Kritik auf sich:

„Die freigegebenen Akten spiegeln ... die damalige Furcht vor kommunistischen Einflüssen wider.“ (FAZ, 28.6.) Für die NZZ „geben sie Einblick in die fast schon paranoide Sorge der Präsidenten Nixon und Johnson, die Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg werde von kommunistischen Regimen gesteuert“. (NZZ, ebd.)

Dass die Sorge um kommunistische Einflüsse, gegen die sich die freie Welt zweifellos wehren musste, subjektiv übertrieben war, war kein Ruhmesblatt für diese Präsidenten. Das wollen die Kritiker schon eingewandt haben. Da hätte es manche Aktion gegen harmlose Blumenkinder nicht gebraucht, wenn die Auftraggeber der CIA damals persönlich souveräner agiert hätten. Aber, und diese Relativierung legt die Kritik an der labilen Psyche der Präsidenten gleich nahe: Es waren eben andere Zeiten und die Lage war ernst; und wer konnte das damals schon wissen, wie weit kommunistische Einflüsse wirklich gingen?

Ein wenig schärfer wird der kritische Ton, wenn es in den veröffentlichten Dokumenten um schier unglaubliche handwerkliche Fehler der Agenten mit der Lizenz zum Töten geht. Die Causa Fidel Castro steht exemplarisch dafür: Unzählige Mordkomplotte wurden von der CIA geschmiedet, ohne dass sie bis heute zum Nötigen fähig war. Soviel Stümperei, so viele lächerliche Pannen! Dass ein unkorrigierbarer Feind der USA glatt den ganzen Kalten Krieg überleben konnte und nun womöglich im Bett sterben soll ... Das ist eine Geschichte ..., als stamme sie aus der Feder eines drittklassigen Autors (FAZ, ebd.), die auch den gescheiterten Geheimdienst – fachlich jedenfalls – in den Augen anspruchsvoller Beobachter ziemlich drittklassig aussehen lässt.

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Insgesamt aber ist mit der Versicherung, dass heute die Amerikaner nach Recht und Gesetz von ihren Geheimdiensten geschützt werden, und mit dem Bekenntnis zu den Übertreibungen und fachlichen Patzern der Vergangenheit diese hinreichend bewältigt. Allerdings, auch wenn heute alles viel besser geregelt sein soll als früher: Dass heute keine Entgleisungen bei der laufenden Erledigung der Nachrichtenarbeit mehr vorkommen könnten, das will auch wieder niemand ernsthaft behaupten. Die verständige Öffentlichkeit ist insoweit durchaus bereit, den Diensten ein prinzipielles Dilemma zu bescheinigen, mit dem sie damals wie heute konfrontiert waren und sind:

„Zu beiden Zeiten standen die Amerikaner einer feindlichen globalen Ideologie gegenüber – Kommunismus damals, gewalttätiger Islamismus heute. Angesichts einer solchen Bedrohung mag es nicht überraschen, dass Geheimdienste, ausgestattet mit weitreichenden Technologien und dem Rückhalt eines Präsidenten, manchmal mit demokratischen Idealen in Konflikt geraten.“ (NZZ, ebd.)

Unter schwierigen Arbeitsbedingungen, zu denen feindliche Ideologien, aber auch ein in Grundrechtsfragen eher großzügiger Präsident und potente Nachrichten- und Waffentechnik zählen, verdünnisiert sich offenbar der feste Rahmen von Gesetz und Kontrolle, der eben noch korrekten Stasi-Dienst für die Zukunft garantieren sollte, ganz schnell in einen Haufen schöner Ideale, mit denen man allzu leicht in Konflikt geraten kann, wenn man seinen Job ernst nimmt. Das muss man realistisch sehen. Wenn aber die richtigen Leute das gut Gemeinte tun, dann kann man ihnen einfach nicht wirklich böse sein.