Die Einsätze der Bundeswehr im Rahmen von ‚enduring freedom‘
Drangsale des deutschen Militarismus

Die Drangsale Deutschlands im Antiterrorkrieg. Imperialismus ohne Aussicht auf Erfolg – und warum man (trotzdem) unbedingt dort sein muss: Die Bundeswehr übt sich in weltweiter Terrorbekämpfung in Afghanistan, per KSK, in Kuwait und am Horn von Afrika. Deutschland leidet unter seiner imperialistischen Größe, also folgt daraus immer nur ein Schluss: Mehr Imperialismus, damit sich der Erfolg auch (mal wieder) einstellt.

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Gliederung

Die Einsätze der Bundeswehr im Rahmen von ‚enduring freedom‘
Drangsale des deutschen Militarismus

Einleitung

Seit Deutschland mit seiner ‚Wiedervereinigung‘ den Status als Kriegsverlierer endgültig hinter sich gelassen und seine volle Souveränität erlangt hat, bekennen sich seine Politiker nicht ohne Stolz zur „gewachsenen internationalen Verantwortung“ ihrer Nation. Mit dieser Phrase, in Form eines Bekenntnisses zu dem, was ihre Nation der Welt schuldig ist, verkünden sie seitdem, was Deutschland sich als imperialistische Macht schuldig ist. Dass ihr Staat an Statur gewonnen hat, sie über mehr Macht gebieten, begründet für sie selbstverständlich den Anspruch, im Kreis der auserlesenen Mächte mitzumischen, die mit eigenen Weltordnungsinteressen und Ansprüchen auf Zuständigkeiten die Aufsicht über den Rest der Staatenwelt ausüben. Ihr Volk haben sie dabei von Anfang an darüber aufgeklärt, dass diese neue „Rolle“ „auch militärisch“ wahrgenommen sein will. Bereits anlässlich des amerikanischen Feldzugs gegen den Irak haben sie ihre bisherige Außenpolitik unter dem Titel ‚Scheckbuchdiplomatie‘ rückwirkend einer unwürdigen Form des Imperialismus geziehen – Deutschland habe sich seine guten Beziehungen zu allen möglichen Staaten erkauft –, um die Mitteilung loszuwerden, dass es so nicht mehr weitergehe. Mit einer Politik nämlich, die zwar nie von Enthaltsamkeit in Sachen Militärgewalt geprägt war, die aber im Einsatz ihres letzten Mittels nicht frei war, sondern diesen für den NATO-Bündnisfall vorbereitet hat und auf der Grundlage des vom westlichen Bündnis gemeinschaftlich aufrechterhaltenen Abschreckungsregimes über die Welt die Geldmacht Deutschlands zur Herstellung nützlicher Sonderbeziehungen ausgespielt hat. Diese Politik ist schon damals in Verruf geraten, weil sich – mit dem Irak-Krieg erstmals in aller Deutlichkeit – abzeichnete, dass ihr ihre Grundlage abhanden kommen würde, wenn die USA dazu übergehen, aus eigener Machtvollkommenheit heraus Fakten zu setzen, die ihre Verbündeten anzuerkennen haben. Dass es nach dem Abtreten des feindlichen Lagers der amerikanischen Weltmacht vorbehalten bleiben sollte, den internationalen Gewalthaushalt zu regeln, durfte deswegen nicht das letzte Wort der Geschichte sein. Wenig später dann, im Krieg auf dem Balkan, haben sich Deutschlands Politiker schon nicht mehr der Einsicht verschließen können, dass es „gerade uns Deutschen“ nicht anstehe, dort „wegzuschauen“, wo geschossen wird. Historisch begründete, aber bloß noch moralisch bestehende Vorbehalte, den Einsatz deutscher Wehrkräfte betreffend, konnten so zügig ad acta gelegt werden. Und als dann die Amerikaner ihren ‚Krieg gegen den Terror‘ auf die Tagesordnung gesetzt hatten, da waren die Rauchschwaden über Ground Zero noch nicht verzogen, als auch schon mit „übergroßer, fraktionsübergreifender Mehrheit des deutschen Bundestags“ der Beschluss zur „Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte“ gefasst war. (Bundestagsbeschluss vom 19.9.01) Denn eines haben die regierenden 68er in den zehn Jahren nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation mindestens genauso klar begriffen wie die Unionschristen in der Opposition: Wenn Deutschland nicht an allen ‚Krisenherden‘, überall, wo Kräfteverhältnisse aufgerührt und gewaltsam korrigiert werden, mit eigener Waffengewalt und eigenen Soldaten zur Stelle ist, dann hat es als imperialistische Macht, die ihren Einfluss in der Welt zu sichern und eigene Aufsichtsansprüche geltend zu machen hat, nichts zu melden; dann bringt es Deutschland allenfalls dazu, der amerikanischen Führungsmacht bei der Durchsetzung von deren Weltordnung „sekundäre Hilfsdienste“ (Schröder) zu leisten.

Dies ist durchgesetzter Standpunkt deutscher Außenpolitik; darüber hat man – erst neulich bei den Grünen – einen nationalen Konsens hergestellt. Und dies wird dann eben auch als Maxime praktiziert. Allein im Rahmen von ‚enduring freedom‘ sind 4000 deutsche Soldaten aller Waffengattungen im Einsatz; weltweit sind es immerhin 10.000 – und das „an allen Fronten“, wie Der Spiegel (Nr. 11/02) zu berichten weiß; und Scharping gibt dazu zu Protokoll: Als ich die Bundeswehr übernahm, gab es 37.000 Krisenreaktionskräfte, heute haben wir 65000 eingesetzt oder für Einsätze durchgeplant. (Interview mit der Welt am Sonntag, 3.2.)

Aber: In auffälligem Kontrast dazu steht, wie diese Einsätze öffentlich behandelt werden. Die Nation wird von ihrer Führung nicht in Kriegsstimmung versetzt. Man spielt sie herunter. Zwar sind es Soldaten und keine Kräfte des Technischen Hilfswerks, die Deutschland in die Welt schickt, aber getan wird so, als stehe bei ihrem Einsatz gar nicht das Militärische, sondern das Zivile im Vordergrund. Wir sind eine Krieg führende Nation, nur sagt es keiner, wundert sich der Moderator von Monitor (ARD, 14.3.). Oder sind ‚wir‘ doch nicht im Krieg?

Deutsche Soldaten im Einsatz – gegen einen „auf das Militärische verengten Sicherheitsbegriff“?

1. Die Afghanistan-Schutztruppe ISAF

Nachdem die USA durch den ausgiebigen Gebrauch ihrer Waffen das Regime der Taliban und mit ihm die Reste staatlicher Infrastruktur in Afghanistan beseitigt haben, machen sich die Europäer unter der Schirmherrschaft der UNO an die Betreuung der Nachkriegszustände. Sie richten die 5000 Mann starke Afghanistan-Schutztruppe ISAF ein, mit dem Auftrag, die Interimsregierung Karzai in und um Kabul herum zu stabilisieren. Deutschland beteiligt sich mit einem 1000 Mann starken Kontingent an dieser Truppe und erstreitet als erstes eine strikte Befehlstrennung vom US-Oberkommando über die im Land weiterhin kriegführende verbündete Streitmacht. Es ist also mit seiner Bundeswehr vor Ort, übt dort ein Stück Aufsichtsgewalt aus, und zwar in einer „wichtigen Führungsrolle“. Und jetzt?

Was man so hört, werden von der Bundeswehr „afghanische Soldaten in der Sanitätsausbildung und der Wartung von Fahrzeugen“ geschult; werden Wohngebiete von Minen geräumt. Deutsche Soldaten seien, erfährt man weiter, mit Wolldecken in Erdbebengebieten unterwegs und in Kabul damit beschäftigt, „mit Teddybären um Vertrauen zu werben“ (Der Spiegel, Nr. 10/02). Sonst ist da nichts? Nichts anderes gibt es von einem Besatzungsregime zu vermelden? So etwas von der Art ist es doch, was man dort führt. Als dann die afghanische Regierung um Verstärkung der ISAF-Kräfte, also um mehr Besatzungstruppen nachsucht (was nebenbei ein Licht darauf wirft, was da ‚Regierung‘ heißt), lehnt Deutschland ab: „Keine Ausweitung des Mandats“, heißt es aus Berlin. Wieso eigentlich? Wäre das nicht eine feine Gelegenheit, dort seine militärische Präsenz zu verstärken? Denn dort präsent sein mit seiner Bundeswehr will Deutschland doch offensichtlich. Aber mehr zu tun haben mit der Sache will es offenbar auch nicht. In Gestalt seines Außenministers lehnt es sogar ab, von Großbritannien den Oberbefehl über die ISAF-Truppe zu übernehmen. So geht das also: Erst schickt man Soldaten nach Afghanistan, insistiert dabei auf einem europäischen Kommando, und anschließend besteht man darauf, dass die nicht unter dem eigenen Kommando agieren; lieber unter einem türkischen, lässt dazu das Verteidigungsministerium verlautbaren. Ist das etwa normal? Dann fallen die ersten toten deutschen Soldaten an, und alle offiziellen Stellen von Kanzler Schröder bis zum Generalinspekteur der Bundeswehr beeilen sich klarzustellen: „Es war ein Unfall.“ Und: „Der Einsatz wird dadurch nicht in Frage gestellt.“ (Tagesspiegel, 7.3.) Sie tun so, als lägen bei echten Kriegstoten die Dinge anders. Aber seit wann ist es denn so, dass Verluste, die ein Militäreinsatz fordert, Zweifel an seiner Fortführung begründen? In Amerika wäre das jedenfalls nicht passiert. Dort werden sogar noch die toten Feuerwehrleute vom Ground Zero zu Kriegshelden gemacht. Was also ist da los?

Die Zweifel, denen man mit der Klarstellung ‚nur ein Arbeitsunfall‘ zuvorkommen will, kommen auch in Deutschland nicht wegen irgendwelcher Leichen auf. Sie stehen im Raum, weil der politische Ertrag des Einsatzes für fragwürdig befunden wird. Die Nation und ihre Führung, die ihn ja immerhin beschlossen hat und ihn nun ja auch keineswegs abblasen will, sind nicht übermäßig überzeugt davon, dass er sich lohnt; und deswegen ist mit den ersten Toten sofort irgendwie die Frage im Busch, ob der Preis nicht zu hoch ist. Nämlich für was? Dazu lautet die offizielle Auskunft eben, dass Deutschland mit seiner Bundeswehr wie überhaupt die Europäer mit ihrer ISAF-Truppe in eher ziviler Mission unterwegs sind, und aus dieser Auskunft spricht selber alles andere als der Geist der Überzeugung vom nationalen Nutzen des militärischen Engagements. Wenn der darin bestehen soll, dass man sich bei den Afghanen mit funktionierenden Wasserleitungen, mit einem „Winterschulprogramm für Mädchen“ (Fischer) und ähnlichen zivilisatorischen Errungenschaften mehr beliebt macht, dann liegt da doch ziemlich erkenntlich der angestrengte Versuch vor, einer Entsendung von Streitkräften, die es für die Nation nicht recht bringt, einen positiven Sinn zu verleihen. Das nämlich glauben die politisch Verantwortlichen selbst nicht, dass es das ist, was sie meinen, wenn sie von der Notwendigkeit sprechen, dass sich Deutschland militärisch mehr engagieren muss. Wenn Kanzler Schröder sich dazu bekennt: Ich möchte, dass Europa voller Selbstbewusstsein einen Sicherheitsbegriff entwickelt, der auch die ökonomischen, die sozialen, die ökologischen, auch die entwicklungspolitischen Aspekte einbezieht. Das sollte gerade das Spezifikum europäischer Politik sein. (Interview in der Zeit vom 28.2.), dann ist seiner Behauptung, die Europäer seien mit ihrer Schutztruppe quasi als Korrektiv der USA mit ihrem „aufs Militärische verengten Sicherheitsbegriff“ tätig, bei aller Verlogenheit immerhin eines schon noch zu entnehmen: dass man sich militärisch engagiert, um in Konkurrenz zu Amerika eine eigene Position aufzubauen. Auch Deutschland setzt sein Militär zu keinem anderen Zweck nach Afghanistan oder sonst wohin in Bewegung als zu dem, dort – wie auch immer, jedenfalls – in einer irgendwie bestimmenden Weise und in seinem Sinne Einfluss zu nehmen auf die Lage, die Kräfteverhältnisse vor Ort, die von Amerika bestimmte Tagesordnung. Nichts davon leistet aber seine Beteiligung an der ISAF. Das lässt sich der Auskunft, man sei mit dieser Truppe fürs Zivile und Amerika weiterhin fürs Militärische zuständig, nämlich auch entnehmen. Sie enthält ja gerade das klare Eingeständnis, dass es nach wie vor Amerika mit seiner überlegenen Gewaltmaschinerie ist, das dort die Lage exklusiv beherrscht; und das heißt eben umgekehrt, dass der Einsatz eigenen Militärs Deutschland und die anderen europäischen Mächte gar nicht weiterbringt in dem Vorhaben, aus der Position von subalternen Imperialisten herauszukommen. Aber dieses Eingeständnis spricht die deutsche Politik nicht offen aus. Sie verleugnet regelrecht, worauf es ihr ankommt, wenn sie ihrem militärischen Auswärtsspiel eine zivile Deutung verleiht; sie will es daran nicht messen lassen, geht der Frage nach seinem imperialistischen Nutzen aus dem Weg, um es nicht vor diesem Maßstab Zweifeln auszusetzen – hält also, obwohl ein positiver Ertrag für die Nation, imperialistische Erfolge, von vornherein nicht recht absehbar ist, unbedingt daran fest, dass eine militärische Beteiligung Deutschlands an dem von Amerika bestimmten Kriegsszenario auf alle Fälle sein muss. Um den USA nicht ganz das Feld zu überlassen – also immerhin: um von der Unterordnung unter amerikanische Vorherrschaft loszukommen –, schickt Deutschland seine Soldaten nach Afghanistan, mit denen es dort – de facto – der amerikanischen Weltmacht dann doch bloß bei deren Krieg „sekundäre Hilfsdienste“ leistet: Die Truppe hat den Auftrag, den Schein zu befestigen, dass in Kabul so etwas wie eine Regierung ihres Amtes waltet. Unter eigenem Kommando zwar, aber nicht als Herr der Lage verwalten die Euro-Staaten Zustände, die Amerika herbeigebombt hat; in einem Land, über das Amerika weiterhin die Lufthoheit ausübt und in dem es mit kontinuierlichen Bodeneinsätzen seinen Krieg fortführt. Bei aller Selbständigkeit sind sie mit ihrer Truppe also doch bloß als so etwas wie ein Erfüllungsgehilfe amerikanischer Ordnungsdiktate tätig, nach einer durch amerikanische Weltordnungsinteressen bestimmten imperialistischen Tagesordnung.

Dabei lehnt Deutschland dankend die Einladung zu vermehrtem Engagement ab und verzichtet auf das Oberkommando über die Truppe; das überlässt es gerne den Türken; so wie es Amerika mit seiner Absage an das ‚nation building‘ ja auch den Europäern überlassen hat, sich um die Stabilisierung der Lage zu kümmern, die es in Afghanistan gewaltsam hergestellt hat. – Mit der verlogenen, aber auch wieder aufschlussreichen Begründung:

„Weitere internationale Verpflichtungen stehen nicht an und können auch nicht eingegangen werden. Wir dürfen nicht so tun, als hätten wir schon jene Fähigkeiten, die wir mit der Erneuerung der Bundeswehr konsequent erwerben wollen.“ (Scharping im Interview mit der Berliner Zeitung, 22.2.)

Mit dem Hinweis auf die Grenzen der Belastbarkeit seiner Streitkräfte weist der Verteidigungsminister fürs Erste pauschal jeden weitergehenden Antrag zurück, die Bundeswehr für Dinge zur Verfügung zu stellen, von denen er sich für sein Land keinen imperialistischen Nutzen verspricht. Und daraus, dass sich der bei allem militärischem Engagement so recht nicht einstellen will, gibt es für ihn nur einen Schluss, nämlich den vorwärtsweisenden: Deutschland muss mehr für seine Militärmacht tun.

2. Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) im Einsatz

Aber Deutschland ist in Afghanistan ja noch anders unterwegs. An der Seite der Amerikaner kämpfen Elitesoldaten der Bundeswehr gegen Restposten der Al Kaida. Im Einsatz ist da der Stolz der Nation, jenes „kleine, feine Instrument“, das man sich extra für die „neuen Aufgaben der Bundeswehr“ (Der Spiegel, Nr. 11/02), für die ‚Krisenreaktion‘ out of area, d.h. weltweit, zugelegt hat; Spezialkräfte, die in Militärkreisen auch international große Anerkennung genießen. Und?

Ihr Einsatz wird nicht an die große Glocke gehängt. Im Gegenteil: Der Standpunkt der Kriegspropaganda wird regelrecht vermieden. Die deutsche Öffentlichkeit erfährt von ihm erst nach Wochen und nur durch eine Mitteilung aus dem US-Verteidigungsministerium. Und der deutschen Regierung ist das gar nicht recht: „Berlin ist verstimmt.“ (SZ, 5.3.) Und das, obwohl die Amerikaner nur Lobendes über die deutsche Elitetruppe vermelden, nämlich ihre „hervorragende Kampfleistung“ „an vorderster Front“ (SZ, 9./10.3.) herausgestellt hatten. Verteidigungsminister Scharping spielt die Sache herunter, das KSK werde nur „in der Etappe“ zum Verletztentransport eingesetzt, und reagiert auf die Frage, warum die Regierung diesen Einsatz geheim gehalten habe, verärgert: Durch die amerikanische Veröffentlichung sei die Truppe „unnötig gefährdet“ worden; das „berechtigte Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit“ müsse da zurückstehen, „die Sicherheit der Soldaten“ gehe vor. (Bild, 25.2.) Und das soll man glauben? Die Bedienung der Öffentlichkeit mit Kriegspropaganda und die bei einem laufenden Kriegseinsatz gebotene Zensur will ausgerechnet dieser im Krieg gegen Serbiens Milosevic erprobte Minister, der damals zu wahrer Hochform in Sachen ‚Information‘ aufgelaufen ist, plötzlich nicht mehr miteinander vereinbaren können?

Gefährdet worden ist durch die amerikanische Veröffentlichung da wohl eher die erwünschte öffentliche Wahrnehmung. Das Bild nämlich, das man von Deutschland zu zeichnen beliebt als einer Nation, die bei aller Solidarität mit Amerika im ‚Kampf gegen den Terror‘ Vorbehalte gegen die US-Kriegsführung anzumelden hat und mit dieser Reserviertheit für eine bessere, nämlich eigene europäische Weltordnungs- und internationale Sicherheitspolitik stehen will. Dieses Bild nimmt Schaden, wenn herauskommt, dass Deutschland dann doch ziemlich scharf darauf ist, jede sich ihm bietende Gelegenheit, wenigstens mitzuschießen, zu nutzen. Und das auch dann, wenn mehr als bloß mitzuschießen, also die USA in ihrem Krieg zu unterstützen, gar nicht drin ist.

Auch da verrät die öffentliche Behandlung des Falls also, woran der deutsche Imperialismus leidet; nur leidet er hier etwas anders als beim ISAF-Einsatz: Mit seinem KSK hat Deutschland seinen ersten echten Kampfeinsatz in der Geschichte der Bundeswehr, und auf den kommt es ihm auch unbedingt an. Nur so nämlich, entschlossen, seine Militärmacht auch zum Einsatz zu bringen – da sind sich Schröder und Co. zu Recht ganz sicher –, kann es seiner ‚internationalen Verantwortung‘ gerecht werden, also in der imperialistischen Konkurrenz um Zuständigkeiten vorankommen. Absolviert wird dieser Einsatz aber unter amerikanischem Kommando. Amerika obliegt die Feinddefinition, es definiert den militärischen Auftrag und bestimmt in dem Rahmen auch, wie und wofür dann auch einmal ein feines deutsches Instrument zum Einsatz gebracht wird: für die Durchsetzung amerikanischer Weltmacht und amerikanischer Kriegsziele eben; und für deutsche Zuständigkeiten immer nur so weit, wie sich die mit den gewaltsam praktizierten amerikanischen Weltordnungsinteressen zur Deckung bringen, und das heißt eben: für sie instrumentalisieren lassen.

3. ABC-Abwehrkräfte mit Spürpanzer Fuchs in Kuwait

Auf Anforderung der USA wird außerdem ein Glanzstück deutscher Rüstungstechnik sowie das dazugehörige „international einzigartige“ ABC-Abwehrbatallion der Deutschen nach Kuwait verlegt.

Nicht zum Kriegführen, nur für „eine Übung“, heißt es dazu von Seiten der Bundesregierung. Wahrscheinlich findet die Übung rein zufällig in der nächsten Nachbarschaft zu Saddam Husseins Irak statt, von dem jeder weiß, dass ihn die USA als den nächsten Kandidaten in ihrer Liste der zu vernichtenden Schurkenstaaten im Visier haben. Schröder jedenfalls weiß nichts („keine Hinweise“) und dementiert:

„Deutschland will kein weiteres ‚militärisches Abenteuer‘ eingehen. Deutschland wird sich ohne ausdrückliche Zustimmung des UN-Sicherheitsrats auf keinen Fall an einem Militärschlag der USA gegen den Irak beteiligen. Dies hat Bundeskanzler Gerhard Schröder erstmals in dieser Deutlichkeit klargestellt… ‚Greifen die USA auf eigene Faust an, wird sich Deutschland nicht beteiligen.‘“

Und was wird dann aus unseren Spürpanzern?

„Im Kriegsfall sollten laut Schröder aber die in Kuwait stationierten deutschen Fuchs-Spürpanzer in der Region bleiben, um bei einem Angriff mit ABC-Waffen vor Ort Hilfe zu leisten.“

Keine Abenteuer, aber wo wir mit unseren Panzern schon mal dort sind! Und weiter:

„Die Panzer abzuziehen, habe unabsehbare Folgen für das deutsch-amerikanische Verhältnis, hieß es unter Berufung auf den Kanzler.“ (Financial Times Deutschland, 15.3.)

Obwohl Deutschland die Kriegserklärung der USA gegen den Irak – aus welchen Berechnungen auch immer, jedenfalls aus seinen eigenen Berechnungen heraus – ausdrücklich nicht unterschreiben will, schickt es schweres Militärgerät und Bedienungsmannschaften in die betreffende Region, um – ja, um was eigentlich? Um militärisch präsent zu sein am nächsten Kriegsschauplatz, den sich die Amerikaner ausgeguckt haben, weil sonst die Lage dort von denen ja endgültig exklusiv beherrscht wird. So abstrakt können imperialistische Berechnungen ausfallen, wenn sie prinzipiell werden, d.h. wenn sie die Sicherung der Gewaltgrundlage betreffen, ohne die alle sonstigen Interessen, die so eine Nation in der Welt anzumelden und durchzusetzen hat, nichts gelten. Frei nach dem Motto, Gewalt ist nicht alles, aber ohne Gewalt ist alles andere nichts, zählt dann erst einmal bloß, sich mit der zur Geltung zu bringen. Die militärische Präsenz in einer Region, in der demnächst das Gemetzel losgeht, ist der deutschen Regierung so viel wert, dass sogar die in diesem Fall von Anfang an bestehenden und öffentlich diskutierten Bedenken, Deutschland werde von den Amerikanern für deren Krieg instrumentalisiert, davor zurückstehen. Schröder wird schon wissen, warum er laufend die Sache mit dem Abenteurertum dementiert. Er selbst liefert nämlich eine schöne Anschauung davon, worin der Topos, eine Nation werde in einen Krieg ‚hineingezogen‘, seine imperialistische Grundlage hat: In dem in der imperialistischen Konkurrenz um Einfluss und Zuständigkeiten begründeten Standpunkt der betreffenden Nation nämlich, auch in all den Gewaltaffären, die sie aus ihren eigenen Interessen nie angezettelt hätte, nicht außen vor stehen zu dürfen.

Dieser Standpunkt ist es, der Deutschland erst der amerikanischen Aufforderung nachkommen lässt, sein hochkarätiges Kriegsgerät in die Region zu schaffen, in der Amerika demnächst ohne jede Berücksichtigung etwaiger Einwände seines ‚Verbündeten‘ zuschlägt, und ihm dann, wenn es so weit ist, die aktive Beteiligung als den einzig gangbaren ‚Ausweg‘ aus seinem Dilemma erscheinen lässt. Die Alternative, Abzug des Geräts, wäre für die Deutschen gleichbedeutend mit einer Ausmischung aus der Weltpolitik, mindestens in dem Fall. Denn so legt Amerika seine neue Weltordnungspolitik an: Es beschließt und führt die Kriege, die es zu deren Durchsetzung für nötig erachtet, und seine ‚Verbündeten‘ liefern dazu entweder Beiträge oder sie sind als weltpolitisch beachtliche Größen überhaupt aus dem Rennen; und das kommt für Deutschland nicht in Frage.

4. Der größte Marineeinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg

Deutsche Seestreitkräfte haben am Horn von Afrika Position bezogen und richten sich Stützpunkte in Djibouti und Mombasa ein. Ihr Auftrag lautet: Sicherung der Seewege und Unterbrechung der „Verbindungswege von terroristischen Organisationen“; dafür ist laut Angaben der Bundeswehr u.a. die „Kontrolle von Handelsschiffen neutraler Staaten“ vorgesehen; ihre „Umleitung in Häfen“ kann dazu angeordnet werden etc. Eine ganze Region wird im Rahmen von ‚enduring freedom‘ unter deutsche Aufsicht gestellt. Und was hört man so?

Erstens recht wenig. Zweitens: Es soll Probleme bei der Unterbringung der Mannschaften in Hotels geben, mit der Familienbetreuung übers Internet und Mobiltelefon. Besorgte Fragen werden gestellt, ob die „Marine für diese Breiten überhaupt geeignet“ ist, ob die Tropenkleidung ausreicht, die Schiffe funktionieren und die Klimaanlagen. Und drittens wundert sich manch einer: Da wird ein Marine-Verband in Bewegung gesetzt, der zur Führung einer mittleren Seeschlacht geeignet wäre – und alles „ohne einen sichtbaren Gegner.“ Es wird sogar kolportiert, die Flotte sei ausgelaufen, ohne den Zielhafen zu kennen. (Alles in der ARD-Reportage „exklusiv“)

Wenn sie den Fall überhaupt berichtenswert finden, nörgeln deutsche Reporter also vom Standpunkt ihrer Nation aus und in der lächerlichsten Manier an der Einsatzbereitschaft der Marine herum – was einigermaßen absurd ist. Denn die ist ja nun im Einsatz. Sie ist im ‚Kampf gegen den Terror‘ unterwegs, ‚der Terror‘ als solcher ist für ein Militär nur kein sonderlich fassbarer Feind. Die Sache, um die sich die Deutschen mit ihrer Flotte am Horn von Afrika kümmern, wird etwas klarer, wenn auch nicht besser greifbar, nachdem die Deutschen nach etlichen Wochen die Führung der kleinen Armada übernehmen. Nämlich durch die Erfolgsmeldungen, mit denen der Verteidigungsminister – der jetzt überhaupt, persönlich, viel unterwegs ist – an die Öffentlichkeit tritt. Man wird erstens davon unterrichtet, dass die deutsche Marine bei der Registrierung von Handelsschiffen gute Arbeit leistet; wofür das mal wichtig wird, bleibt notwendigerweise im Dunkeln; darüber entscheiden ja die USA im Zuge der nächsten Eskalationsstufe ihrer Seeverkehrskontrolle. Zweitens habe man erfolgreich die Piraterie zurückgedrängt; eine Seepolizei für die afrikanische Handelsschifffahrt, ob es das ist, wofür die deutsche Marine unterwegs ist? Der entscheidende, größte Erfolg liegt aber eindeutig darin, dass jetzt – sogar! – US-Schiffe deutschem Kommando unterstehen – welchselbiges freilich seinerseits wiederum auf’s US-Kommando hört.

Und was das anbelangt, sind das Konkreteste, was hier im Gespräch ist, Pläne der amerikanischen Regierung zur Durchführung einer Seeblockade von Somalia, an der dann auch die deutsche Marine beteiligt wäre. Bis dahin aber schwimmt sie sozusagen in den Eventualitäten eines Kriegsszenarios herum, welches einer amerikanischen Strategie entspringt, die sich ihrerseits gar nicht mehr auf einen bestimmten Feind festlegt, sondern grundsätzlich die ganze Welt als potentielles Kriegsszenario ins Auge fasst. Auf diese Strategie bezieht sich dann ein Staat wie Deutschland aus der zweiten Garnitur imperialistischer Aufsichtsmächte, und zwar mit dem unbedingten Willen, in den aus ihr begründeten Kriegen mitzumischen. Schon wieder ein Fall von Mitmachen; angesiedelt irgendwo zwischen Geltungsdrang und Unterordnung.

Eben daran leidet der deutsche Militarismus.

Fazit

Eines haben Deutschlands Politiker also gelernt: Nur durch den Einsatz der eigenen Militärmacht kann Deutschland mit seinen imperialistischen Ansprüchen vorankommen in der Welt. Ohne Gewalt ist es raus aus dem Geschäft. Sie müssen aber die Erfahrung machen, dass Deutschland mit all dem, was es mit seiner Militärmacht unternimmt – und das ist ja nicht wenig –, noch nicht drin ist in dem Geschäft. Was es mit ihr hinkriegt, ist angesichts des bestehenden Kräfteverhältnisses und der Weise, in der die USA sich neu aufstellen und sich den Rest der Welt inklusive seiner ‚Verbündeten‘ gewaltsam unterordnen, nichts, was es als imperialistischen Erfolg verbuchen könnte; vielmehr doch bloß: sich als Anhängsel der Führungsmacht zu betätigen. Diese Erfahrung führt sie aber nie mehr zurück hinter den Ausgangspunkt, nach dem Motto: bringt nichts, also lassen wir’s. Denn sie haben ja gelernt: Ohne Gewalt…

Also mobilisieren sie ihre Streitkräfte nach Kräften. Ungeheuer aktiv stellen sie sich der von Amerika betriebenen Subsumtion der Welt unter seine Ordnungsinteressen. Sie nehmen den amerikanischen Anspruch auf Unterordnung und aktive Beiträge mit den ihnen zu Gebote stehenden Gewaltmitteln in die eigenen Hände, sind also mit eigenen Truppen dabei, wenn die USA einen neuen Fall in ihrem ‚Kampf gegen den Terror‘ auf die Tagesordnung setzen. Darüber sind sie längst in den entferntesten Weltgegenden militärisch engagiert, in Kabul, in Usbekistan, Djibouti, Kuwait; daneben ja auch noch im Kosovo, in Mazedonien etc. – und haben zu all dem den Standpunkt, dass das alles bei weitem noch nicht reicht, um mit ihrer Nation zu einer bestimmenden Größe in der neuen amerikanischen Weltordnung zu werden – und deswegen nach Lage der Dinge schon zu viel ist oder jedenfalls mehr, als sich für sie lohnt.

Das ist ihr Drangsal. Und aus dem kommen sie vorderhand nicht heraus. Da nutzt es ihnen wenig, wenn sie so tun, als hätten sie nur ein anderes, zivileres Verständnis von internationaler Verantwortung als die Amis, als seien sie nicht so militärisch vernagelt wie die.