Die amerikanische Militärstrategie für das neue Jahrhundert
Die ganze Welt als potentielle Bedrohung – Selbstverteidigung verlangt totale Kontrolle der Staatenkonkurrenz!

Der Anspruch auf Weltherrschaft verlangt nach einer neuen Militärstrategie. Die USA verlangen ihre Unversehrbarkeit und beanspruchen damit die Freiheit, die ganze Welt unter Kriegsdrohung setzen zu können. Für dieses Programm brauchen sie neue Mittel, die sie sich zulegen. Amerika etabliert ein neues imperialistisches Verhältnis zu ihren alten Bündnispartnern: Eine Kampfansage an die Welt – ob Feind oder Freund.

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Die amerikanische Militärstrategie für das neue Jahrhundert
Die ganze Welt als potentielle Bedrohung – Selbstverteidigung verlangt totale Kontrolle der Staatenkonkurrenz!

Das US-Verteidigungsministerium hat die „Anpassung der Militärstrategie an die neuen sicherheitspolitischen Erfordernisse“ vorgenommen. Der Auftrag dazu erging schon vor dem 11.9.01. Der neue Präsident war sich nämlich sicher, dass sein Vorgänger viel zu viele Amerika-feindliche Bestrebungen in der Welt geduldet und damit gefördert hatte. Den Terror-Anschlag vom September hat er dann zum eindrucksvoll-unwiderlegbaren Beweis dafür erklärt, wie recht er hat, und zum Auftakt eines „globalen Krieges“ gegen die „Feinde der Freiheit“ gemacht. Die gleichzeitig neu gefasste Militärstrategie ist deshalb aufschlussreich: Das in ihr dokumentierte nationale Kalkül mit der staatlichen Gewaltmaschinerie charakterisiert das laufende Programm der amerikanischen Weltpolitik und soll sie erklärtermaßen auf „unbegrenzte Zeit“ bestimmen. Und es kündigt – nach der erfolgreichen Vereinheitlichung der Staatenwelt unter dem Banner des freiheitlichen Kapitalismus – ein neues Stadium des Imperialismus an.

Die Bedrohungsanalyse – Spiegelbild des Anspruchs auf eine unantastbare Weltherrschaft

„Unsere Herausforderung in diesem neuen Jahrhundert ist schwierig. Tatsächlich müssen wir uns darauf vorbereiten, die Nation gegen das Unbekannte, das Ungewisse zu verteidigen, (…) so dass wir unsere Streitkräfte dafür in Stand setzen, Gegner abzuschrecken und zu besiegen, die sich noch nicht zu Herausforderungen entwickelt haben.“
„Um uns auf die Zukunft vorzubereiten, haben wir ebenfalls beschlossen, die sog. bedrohungsorientierte Strategie (des letzten halben Jahrhunderts) durch eine (…) fähigkeitsorientierte Strategie zu ersetzen, die weniger jemanden ins Visier nimmt, der uns bedrohen könnte, oder einen Ort, an dem wir angegriffen werden könnten, und mehr darauf bezogen ist, wie wir möglicherweise angegriffen werden und was wir tun müssen, um abzuschrecken und uns gegen solche Drohungen zu verteidigen.“
„Anstatt unsere Streitkräfte um Pläne herum aufzubauen, dieses oder jenes Land zu bekämpfen, müssen wir unsere Verwundbarkeiten prüfen und uns fragen, wie Friedrich der Große es in seinen Grundprinzipien des Krieges getan hat, welches ‚design‘ würde ich wählen, wenn ich der Feind wäre, und dann unsere Streitkräfte so modernisieren, wie es nötig ist, um diese Bedrohungen abzuschrecken und zu besiegen.“
„Wir haben viel gelernt aus dem ersten Krieg des 21. Jahrhunderts (gegen Afghanistan). Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, anzunehmen, dass der Terrorismus die einzige Bedrohung ist. Die nächste Bedrohung, mit der wir konfrontiert sind, kann wirklich eine terroristische sein, aber es kann auch ein Cyber-Krieg sein, ein traditioneller Staat gegen Staat-Konflikt oder etwas ganz Anderes.“ (Alle Zitate aus: D. Rumsfeld, Vorstellung der US-Strategie an der National Defense University, 31.1.2002)

Die Machthaber der USA wollen sich bei der Prüfung ihres Gewaltbedarfs ab sofort nicht mehr an „diesem oder jenem“ Staat orientieren, der sie „bedroht“. Das haben sie nicht mehr nötig, nachdem sie das unerträgliche „Gleichgewicht des Schreckens“ mit der nahezu ebenbürtigen Weltmacht aus dem Osten glücklich überwunden haben.

Sie halten es grundsätzlich für verfehlt, die eigene „Sicherheitspolitik“ an real existierenden Bedrohungen auszurichten. Das wäre in ihren Augen unverzeihlicher Leichtsinn.

In ihren Kriegsplanungen wollen sie sich und ihr Militär auf jede mögliche Herausforderung einstellen – auch und gerade auf die (noch) unbekannten Bedrohungen. Sie machen erst gar keine Absichten oder Interessen von Staaten namhaft, die den USA feindlich gesonnen wären oder die sie als Amerika-feindlich definieren. Das wäre in ihren Augen eine unzulässige Einschränkung auf spezielle Gegner und bestimmte Orte, sprich Kriegs-Schauplätze – und damit das Verschließen der Augen vor anderen, weiteren Gefahrenherden!

Die Führer der USA wollen ihren kriegspolitischen Standpunkt erklärtermaßen nicht abhängig machen von einer momentanen Bestandsaufnahme, welche die Staaten nach dem politischen Willen der auswärtigen Staaten und ihrem (freund- bis feindlichen) Verhältnis zur eigenen Nation beurteilt. Dieses Kriterium, also die Sortierung der Staatenwelt nach der Verlässlichkeit fremder Regierungen, ist ihnen zu unsicher. Sie misstrauen jedem un-amerikanischen Souverän, da sie sich sicher sind, dass sich die Anliegen keines der sonst noch die Welt bevölkernden Gewaltmonopolisten mit denen Amerikas decken, also auch keiner von ihnen die Gewähr bietet, sich jederzeit Amerika-feindlicher Umtriebe zu enthalten.

Sie ziehen es vor, sich an den Macht-Mitteln zu orientieren, derer sich ein auswärtiger politischer Wille bedienen kann und mit denen seine Durchsetzungsfähigkeit steht und fällt. Dabei sehen sie prinzipiell in allen Waffen, die nicht ihrem politischen Kommando unterstehen, sondern anderen Nationen oder Nationalisten zur Verfügung stehen, Instrumente, die für Angriffe, Anschläge oder Widerstand gegen Amerika ge-, d.h. missbraucht werden können. Sie gehen also in der Tat davon aus, dass – sofern der außer-amerikanischen Welt bloß potente oder ausgeklügelte Kriegsmittel zugänglich sind – sich allemal Interessenten (die dann Terroristen oder Schurkenstaaten heißen) finden, welche gute Gründe sehen, sie auf amerikanische Ziele zu richten. So wenig sich die US-Regierung für diese Gründe interessiert, so sicher ist sie sich darin, dass sie böse sind, weil und sofern sie am weltweiten ökonomischen und militärischen Treiben der USA im Namen ihrer Nationen Anstoß nehmen. Deshalb müssen sie zur Ohnmacht verdammt werden.

Da dies für jetzt und alle Zukunft gelten soll, geben sich die verantwortlichen Hüter der amerikanischen Staatsgewalt nicht damit zufrieden, wenn ihr Militär Maß nimmt an den wirklich verfügbaren (Kriegs-)Fähigkeiten anderswo. Sie fordern vielmehr, dass ihre Kriegs-„Intelligenz“ – „thinking the Unthinkable“, also erfinderischer als jeder feindliche Erfinder – alle künftigen Waffenentwicklungen, die Amerika gefährlich werden könnten, antizipiert. Auf dass die Army sich ihrerseits praktisch rüsten kann, alle denkbaren Bedrohungen erfolgreich abzuschrecken oder zu besiegen.

Der Psychologie des Denkens nach erfüllt die Bedrohungsanalyse, welche das strategische Konzept des US-Verteidigungsministers begründet, den Tatbestand des Verfolgungswahns. Sie erklärt das eigene Interesse zum einzig gültigen, zum Dreh- und Angelpunkt der Welt, nimmt beim Blick auf die Konkurrenz der Staaten deren Anliegen überhaupt nicht zur Kenntnis, sondern bezieht ihr Wirken rein negativ auf sich selbst und wittert überall – zumindest latente – feindliche Absichten, die nach Mitteln trachten, Amerika anzugreifen. Aber Herr Rumsfeld und sein Präsident sind bekanntlich Staatsmänner, die den mächtigsten Staat der Welt regieren, und bei ihrem Bedrohungsgemälde handelt es sich um das gültige Feindbild dieser Nation. Und das unterscheidet sich auffällig vom traditionellen Muster politischer Feindschaftserklärungen. Es kommt nämlich ganz ohne Feinde aus. Es begründet die Notwendigkeit des Krieges nicht mit feindseligen Absichten oder Taten der Staaten, gegen die man mobil macht. Es betont im Gegenteil, dass es für Amerika gleichgültig ist, ja sein muss, ob US-feindliche Interessen tatsächlich am Werk sind oder nicht. Es erklärt fremden Besitz an militärischen Fähigkeiten zum neuen Hauptfeind der USA und damit zum hinreichenden, bisweilen zwingenden Kriegsgrund.

So abstrakt das Feindbild, so totalitär ist der Anspruch, dem es sich verdankt. Die programmatische Ignoranz gegenüber den Interessen, für die sich ein Staat stark macht, ist deren politische Negation; im Klartext: Sie fordert die gewaltsame Zurückweisung dieser Interessen, weil und sofern es um die Sicherung der amerikanischen Macht geht. Natürlich differenzieren die USA und ihr Verteidigungsminister weiterhin zwischen Freunden und Feinden und innerhalb derselben; natürlich wissen ihre Außen- und Handelspolitiker nach wie vor zwischen nützlichen und schädlichen Maßnahmen auswärtiger Regierungen zu unterscheiden und ihre erpresserischen Angebote dementsprechend zu variieren. Aber neben und vor solch kalkulierenden Umgang mit einer Staatenwelt, die der eigenen Nation schließlich weiterhin zunutze sein soll, setzen die USA den strategischen Bedarf zur Neutralisierung der Quellen auswärtiger Machtentfaltung. Dieser sicherheitspolitische Standpunkt, der sich als Übergang von der „bedrohungsorientierten“ zu einer „kapazitätsorientierten Strategie“ vorstellt, meldet einen bedingungslosen Herrschaftsanspruch über die internationale Staatenkonkurrenz an. Dessen Novität – und Sprengkraft – besteht weniger in seiner universellen Reichweite als in der Neudefinition der Zulassungskriterien zur Konkurrenz, welche die einzig verbliebene Weltmacht den beteiligten Souveränen aufherrschen will: Die Konkurrenten sollen in den Zustand der Unfähigkeit versetzt werden, sich dem Willen der einzig verbliebenen Weltmacht zu widersetzen.

Das Programm: Sich unangreifbar machen – um Amerika die Freiheit zum kriegerischen Weltordnen zu erobern

„Unser Job ist es, (den Feinden) so viele Wege potentieller Attacken wie möglich zu verbauen. Mit Sicherheit müssen wir auf neue Formen des Terrorismus vorbereitet sein, aber auch auf Angriffe gegen US-Einrichtungen im Weltraum, Cyber-Attacken gegen unsere Informations-Netzwerke, Cruise Missiles, ballistische Geschosse, chemische und biologische Waffen. Gleichzeitig müssen wir am Auf- und Ausbau der Bereiche arbeiten, in denen wir einen Vorsprung haben: z. B. bei unserer Fähigkeit, militärisch über große Entfernungen zuzuschlagen, bei den Präzisionsangriffswaffen sowie unseren Kapazitäten im Weltraum, im Bereich der Nachrichtendienste und bei der Unterseekriegsführung.“
„(…) um unseren Feinden keinerlei Zuflucht zu gewähren, müssen wir dafür sorgen, dass es keinen Winkel auf dieser Erde gibt, der zu abgelegen, keinen Gipfel, der hoch genug, keine Höhle oder Bunker, der tief genug, und kein Transportmittel, das schnell genug wäre, um sie vor unserem Zugriff zu schützen“
„Statt zwei Besatzungs-Streitkräfte zu unterhalten, werden wir uns eine Abschreckung für vier entscheidende Schauplätze verschaffen, die auf der Fähigkeit zum schnellen Sieg über zwei Aggressoren gleichzeitig gründet und die sich währenddessen die Option für eine massive Gegenoffensive zur Besetzung einer feindlichen Hauptstadt und Beseitigung eines Regimes vorbehält. Da kein Aggressor wüsste, wen der Präsident für den Regimewechsel auswählt, wäre die Abschreckung nicht gemindert. Und es können Ressourcen gespart und für verschiedene neue Szenarien in Anschlag gebracht werden.“
„Unser Ziel ist nicht einfach, zu kämpfen und Kriege zu gewinnen, sondern zu versuchen, Kriege zu verhindern (…), Gegner abzuschrecken, nicht nur davon, existierende Waffen zu benutzen, sondern auch davon, sich gefährliche neue Kapazitäten aufzubauen.“

Die Weltmacht USA geht mit Selbstverständlichkeit davon aus, dass die Gewährleistung ihrer Sicherheit ein dauernder Kampfauftrag ist. Dessen Inhalt ist ebenso einfach wie überzeugend: Das Militär muss einerseits jedem möglichen Gegner, sei er Terrorist oder Staat, die Fähigkeit zum erfolgreichen Angriff auf die Machtmittel Amerikas nehmen, und es muss andererseits seine überlegenen Kriegsfähigkeiten zielstrebig ausbauen, um den Willen Amerikas in jedem Erdenwinkel mit Gewalt zu verankern – d.h. jedem Gegner Amerikas die garantierte Vernichtung zu bescheren und bei Bedarf selbst für das passende Regime zu sorgen. Die Sicherung amerikanischer Macht fällt mit der Entmachtung der übrigen Staatenwelt zusammen.

Für die Sicherheit der USA ist die Notwendigkeit, jeden Krieg zu gewinnen, eine unerlässliche Bedingung, aber ein viel zu bescheidenes Ziel. Die eigenen Kriegspotenzen sollen so ausgeklügelt und so gewaltig sein, dass die ständig präsente Androhung ihres entschlossenen Einsatzes hinreicht, die Kapitulation des widerständigen Willens zu erzwingen. So soll das Ideal der militärischen Abschreckung wahr gemacht werden: nicht in der verlogenen, für ambitionierte Politiker tatsächlich so ärgerlichen Version einer „wechselseitigen“ Paralysierung, sondern in aller gebotenen Einseitigkeit, wofür die Freiheit zum Krieg die Voraussetzung ist. Von dieser Freiheit gehen die Machthaber in Washington – nach dem glorreichen Ende des Kalten Krieges – demonstrativ aus. Gleichzeitig radikalisieren sie die Zielsetzung der Abschreckung. Die Verfügung über eine konkurrenzlos schlagkräftige Kriegsmacht soll nicht nur dazu führen, dass die Widersacher „freiwillig“ alle Kriegs-Aktionen unterlassen, weil sie sich nie und nimmer lohnen, sondern darüber hinaus gleich das Rüsten einstellen – also auch den Willen aufgeben, sich die nötigen Mittel zu verschaffen, um die Kräfteverhältnisse zu Gunsten der eigenen Nation zu verändern und sich Amerikas Imperativen zu widersetzen.[1]

Da Amerika keinen wirklichen Friedenszustand für sich – und für die Welt – entdeckt, solange sich Gegner der USA in irgendeinem Winkel der Erde aufhalten, kann es keinen Frieden halten. Es muss die Kriege in Angriff nehmen, die zur Entwaffnung der unverbesserlichen Widersacher führen. So dass eine alte militärische Grundregel zu ihrem Recht kommt:

„Die Verteidigung der USA erfordert vorbeugende Maßnahmen, Selbstverteidigung und unter bestimmten Umständen auch den Erstschlag. Verteidigung gegen jede nur vorstellbare Form eines Angriffs, an jedem nur denkbaren Ort, zu jeder Zeit, bei Tag und bei Nacht, ist nicht realisierbar. Verteidigung gegen Terrorismus und andere Bedrohungen, die das 21. Jahrhundert hervorbringen kann, kann es durchaus erforderlich machen, dass wir den Krieg dorthin bringen, wo der Feind sich aufhält. Die beste, und in gewissen Fällen die einzig mögliche Verteidigung, ist eine erfolgreiche Offensive.“

Die Ideologie, derzufolge ein demokratischer Staat – legitimerweise – nur rüste und Krieg führe, um sich gegen einen Aggressor – im moralischen Wortsinn – zu verteidigen, muss und soll also nicht dementiert werden. Ist das Böse einmal definiert – sei es als widerspenstiger politischer Wille oder als unrechtmäßige Rüstung anderswo – ist Angriff allemal auch die beste Verteidigung. Und wie die stärkste Macht der Welt auf die Existenz von „Feinden“ reagiert, darüber kann und soll kein Missverständnis aufkommen: Sie ist entschlossen zum Präventivkrieg, um erst gar nicht (mehr) in die Lage zu kommen, re-agieren zu müssen. Wen die USA zum Feind erklären, dem muss die Möglichkeit genommen werden, seine Gewaltmittel in Anschlag zu bringen.

So stellen die Sachwalter der Weltführungsmacht klar: Das Sicherheitsbedürfnis der USA erfordert es, das Mittel Krieg für Amerika zu monopolisieren. Überlegenheit bei der Konkurrenz der Waffen reicht nicht aus. Der Gewaltvergleich muss entschieden, die Ohnmacht aller Feinde einer Pax americana herbeigeführt werden.

Der gute Zweck der Weltherrschaft fordert und heiligt alle Mittel – vor allem auch solche „Massenvernichtungsmittel“, die anderen Staaten vorzuenthalten bzw. wegzunehmen sind

„Dieser Bericht führt eine neue Triade ein, die sich wie folgt zusammensetzt:
– Offensive Angriffssysteme (sowohl nukleare als auch non-nukleare);
– Abwehrsysteme (sowohl aktive als auch passive); und
– eine gründlich erneuerte Verteidigungs-Infrastruktur, die rechtzeitig neue Möglichkeiten bereitstellt, um auf uns zukommenden Bedrohungen entgegen zu treten.“ (1)
„Nuklearwaffen spielen eine entscheidende Rolle für die Verteidigungsfähigkeit der USA, ihrer Verbündeten und Freunde.“ (7)
„Auf der Grundlage unserer aktuellen Planung ist eine einsatzbereite Streitmacht von 1700 – 2200 strategischen nuklearen Sprengköpfen ausreichend (…); sie wird eine amerikanische Abschreckungspolitik gewährleisten, die all das einem Risiko (der Vernichtung) aussetzt, worauf die Gegner Wert legen. Dazu gehören ihre Mittel der politischen Kontrolle und der militärischen Macht. Damit wird einem möglichen Gegner das Erreichen seiner Kriegsziele verwehrt. Die Zielobjekte, die wir zwecks Abschreckung einer dauerhaften Bedrohung aussetzen müssen, umfassen die politische Führung und die militärischen Fähigkeiten, insbesondere Massenvernichtungswaffen, militärische Kommandozentralen und andere Zentren der Kontrolle und Infrastruktur, die der Unterstützung von Streitkräften dienen.“ (17f)
„Allein mit ihren Nuklearwaffen können die USA nicht auf alle Notwendigkeiten angemessen reagieren, auf die sie sich vorbereiten. Es kann durchaus vorkommen, dass der Einsatz von Nuklearwaffen nicht im Interesse der USA und ihrer Verbündeten liegt. Das höchst differenzierte Feld potentieller Gegner und unerwarteter Bedrohungen, die auf die USA in den nächsten Jahrzehnten zukommen können, erfordert eine neue Mischung von nuklearen, konventionellen und defensiven Systemen.“ (7)
„Fortschritte bei Defensiv-Technologien werden es möglich machen, die nuklearen und konventionellen Kapazitäten der USA mit aktiven und passiven Verteidigungssystemen zu verbinden. Damit tragen sie zu einer wirkungsvollen Abschreckung bei, gewähren Schutz vor einem Angriff, erhalten den USA die Aktionsfreiheit und stärken die Glaubwürdigkeit amerikanischer Bündnisverpflichtungen.“ (7)
„Die Streitkräfte der USA selbst, inklusive der Nuklearwaffen, erhalten jetzt die Aufgabe, Gegner von eigenen Aufrüstungsprogrammen oder Militäroperationen abzuhalten, die amerikanische Interessen oder die unserer Verbündeten und Freunde bedrohen könnten.“ (9)
„Das sowohl aus konventionellen als auch aus nuklearen Waffensystemen zusammengesetzte Angriffspotential der Neuen Triade ermöglicht eine größere Flexibilität in der Planung und in der Durchführung bewaffneter Auseinandersetzungen, um Gegner entscheidend zu schlagen. Militärschläge mit konventionellen Waffen können sich als besonders nützlich zur Begrenzung von Kollateralschäden und Konfliktausweitung erweisen. Nuklearwaffen können gegen Ziele eingesetzt werden, die Angriffen mit konventionellen Waffen widerstehen können (zum Beispiel tiefe unterirdische Bunker oder Fabriken zur Produktion von Bio-Waffen.“ (12f)

(Nuclear Posture Review, 8. Januar 2002, Wiedergabe nach der Zusammenfassung in globalsecurity.org, in Klammern die Seitenzahlen des Originaldokuments)

In seiner Überprüfung der nuklearen Position der USA legt das Verteidigungsministerium fest, dass und inwiefern die atomaren Kriegsmittel eine „anspruchsvolle Rolle“ für die ebenso gewaltige wie gewalttätige Tagesordnung spielen, die auf die endgültige Durchsetzung der amerikanischen Weltkontrolle zielt. Damit ziehen die USA nebenbei eine vor allem hierzulande lieb gewonnene Doppel-Ideologie aus dem Verkehr: Derzufolge diente die westliche Atomrüstung bekanntlich bloß als unumgängliche Prophylaxe gegen die „kommunistische Bedrohung“, sicherte notgedrungen und gottlob das „Gleichgewicht des Schreckens“ und damit den Weltfrieden; und überhaupt wären die Atombomben gerade wegen ihrer immensen vernichtenden Wirkung bloß „politische Waffen“, nicht dazu bestimmt, einen Krieg zu führen, sondern zu verhindern.

Für die Führer der inzwischen ganz und gar freien Welt steht jedenfalls fest, dass Amerikas weltpolitische Ziele diese erlesenen Kriegsgeräte mit ihrer kolossalen Destruktionskraft unbedingt brauchen; und sie freuen sich über die wachsende Freiheit, was die Kalkulation mit ihrem Einsatz angeht. Die Fähigkeit, die militärischen und politischen Machtgrundlagen „aktueller oder potentieller“ Gegner „unter Risiko zu halten“, d.h. bei Bedarf auszuschalten, ist unverzichtbar. Auch wenn es für die politischen Kriegsherren eine große Genugtuung ist, dass sie inzwischen über „non-nukleare“ Alternativen zur strategischen Offensive verfügen, die ähnliche Leistungen vollbringen und gleichzeitig unerwünschte Kollateralschäden vermeiden. Ein gemischtes Waffenarsenal, welches das „Dilemma“ der Atombombe – eben ihre „meistens ungeeigneten“, sprich disfunktionalen Folgen für den Fortbestand nützlicher Ressourcen auf dem Gebiet des Feindes bzw. seiner Nachbarn – aufhebt, ohne auf die Vorteile der „absoluten Waffe“ zu verzichten, soll für alle Kriegsszenarien eine Vielfalt tauglicher Optionen bereitstellen. Weshalb auch das zur Substitution atomarer Waffen komplementäre Ideal endlich Realität werden soll: Für spezielle militärische Erfordernisse – wie die Vernichtung unterirdisch verbunkerter Waffenfabriken, Generalstäbe und Regierungen –, die durch konventionellen Sprengstoff nicht zu erfüllen sind, sind spezielle Atombomben („Mininukes“) bestellt.

Auch durch die bereits in Dienst genommenen bzw. geplanten Raketenabwehrsysteme werden die eigenen Atomraketen keineswegs überflüssig, sondern lediglich in ihrem Umfang neu dosierbar. Der Verteidigungsminister klärt auf: Defensivmittel, die den Schutz Amerikas – in Gestalt seiner heimatlichen Machtbasis, seiner global stationierten Truppen und seiner Alliierten – erhöhen, steigern die „Freiheit der Aktion“. Und die will genutzt werden.

Die politische Zielsetzung, welche die „neue Triade“ der strategischen Abschreckung verwirklichen soll, wird freimütig mitgeteilt:

„Die Fähigkeit der (kriegstechnologischen) Infrastruktur, vorhandene Waffensysteme zu modernisieren, die Waffenproduktion gewaltig zu steigern oder ganz neue Systeme für die Neue Triade zu entwickeln und zum Einsatz zu bringen – alles das wird andere Staaten entmutigen, mit den USA auf militärischem Gebiete zu konkurrieren.“ (14)

Die USA, selbst eine kapitalistische Nation, die um Macht und Reichtum und mit ihrer wachsenden Macht um die Mehrung ihres Reichtums konkurriert, verfolgen kein geringeres Programm, als andere Staatsgewalten daran zu hindern, Amerika militärisch Konkurrenz zu machen. Sie selbst bekennen sich zu dem Standpunkt, dass sich Erfolg und Misserfolg in der Konkurrenz zwischen den Nationen an der Gewaltpotenz, die sie gegeneinander ins Feld zu führen haben, entscheidet. Und gerade deswegen bringen sie ihre überlegene Macht in Stellung, um dem Rest der Staatenwelt das Recht zu bestreiten, dasselbe zu tun. So beanspruchen sie das Monopol einer über der Konkurrenz stehenden Aufsichts-Gewalt, die deren Ordnung festlegt und damit alle Beteiligten auf den Nutzen der amerikanischen Nation verpflichtet.

Dass dieses Programm es gebietet, den anderswo beheimateten Willen zur militärischen Selbstbehauptung von den Mitteln seiner Verwirklichung fern zu halten bzw. zu trennen, also auszuschließen, mithin eine Angelegenheit purer Gewalt ist, das ist für die Realisten der Weltmacht sonnenklar. Mit ihrer Kriegserklärung gegen die „Massenvernichtungsmittel“ in falschen, nicht-amerikanischen Händen ist nichts anderes beschlossen. Die moralische Hetz-Version des Entmachtungs-Auftrags, die derzeit die „zweite Phase des Kriegs gegen den Terrorismus“ einläutet, lautet so:

„Menschen ohne Achtung vor dem Leben darf nie erlaubt werden, die ultimativen Werkzeuge des Todes zu kontrollieren.“ (Bush, 11.3.02)

Die Wahrheit der Sache bedarf keiner Entlarvung, sie wird von den Militärstrategen offen ausgesprochen. Dass es nicht um die mehr oder weniger große Bereitschaft zur Vernichtung von Menschen-Massen geht, sondern darum, dass Amerika die fremde Verfügung über die entscheidenden Werkzeuge der staatlichen Gewaltkonkurrenz als nicht hinnehmbare Schranke seiner Machtentfaltung betrachtet. Aus diesem Grunde wird schon der Versuch anderer Staaten, sich ebenfalls wenigstens ein paar Exemplare dieser Güteklasse anzueignen, als anti-amerikanische Herausforderung gewertet, die beseitigt gehört, „bevor es zu spät ist“. Mit der von den USA offiziell proklamierten Option, zur Durchsetzung der „Nonproliferation“ von ABC-Waffen selbst vor dem Einsatz von Atombomben nicht zurückzuschrecken, ist den entsprechenden Kandidaten für den Fall der Missachtung der erpresserischen Drohung die Vernichtung in Aussicht gestellt. Sie müssen – mindestens – ihre Gewaltausstattung samt Forschung und Entwicklung, und damit den harten Kern ihrer Souveränität, der amerikanischen Kontrolle ausliefern, sprich der Disposition des einzig befugten Lizenzverteilers für Tötungsgerät unterstellen. Wenn nicht gleich selbst für den nötigen „Regimewechsel“ sorgen, weil sie das Vertrauen der Weltmacht längst verwirkt haben. Andernfalls steht die „Befreiung“ der Bevölkerung, der Hungernden, der Frauen, der Analphabeten etc. von ihrem Unterdrücker mittels Einsatz der US-Army auf dem Terminkalender.

So machen die USA sich zielstrebig an dem Ideal zu schaffen, ihre konkurrenzlos-überlegene Gewaltmaschinerie zum Hebel für die Errichtung einer Weltgewaltordnung zu machen, welche das amerikanische Kommando über die Staatenwelt regelrecht institutionalisiert. Wenn die Souveräne dieser Welt auf eine von den USA genehmigte, also „legitime“ Gewaltausstattung beschränkt sind, die sie von eigenmächtigen Ambitionen abhält, ihnen die Fähigkeit zur Gegenerpressung vorenthält und so die Existenz von lauter Hoheiten verbürgt, die aus eigener Kraft nichts könnendas wäre aus Sicht der Regierung der USA ein Zustand namens Weltfrieden. Ein Zustand, in dem der Status der USA als alleiniger Weltordnungsmacht unbestritten gilt.

Kampfansage an den Rest der Welt – ob Feind oder Freund

Die neue Militärstrategie der USA, die sich auch als passende Schlussfolgerung aus der terroristischen Attacke vom 11.9.2001 präsentiert, kündet von einem politischen Standpunkt, der Anstoß nimmt an den überkommenen Verlaufs- und Rechtsformen der Staatenkonkurrenz und deshalb deren Korrektur auf die Tagesordnung gesetzt hat. Die den Nationen zugestandene und/oder geduldete Freiheit zur Verfolgung eigener Machtambitionen betrachtet der Nutznießer und Überwacher dieser Freiheit heute als Gefahr für seine Sicherheit. Hat sie doch – in Form eigenmächtiger „Regime“, akkumulierter Gewaltmittel oder einer Kombination aus beiden – lauter akute oder latente Bedrohungen der Rechte und Interessen Amerikas hervorgebracht. Der von Präsident Bush eingeleitete „globale Krieg gegen die Feinde Amerikas“ richtet sich deshalb keineswegs nur gegen jene Staaten, deren Willen und/oder ungenehmigte Machtmittel die beanspruchte Autorität der Führungsmacht untergraben. Obwohl deren Anzahl und Kaliber, wie aus der (in das Strategiedokument demonstrativ eingebauten) Liste der „aktuellen und potentiellen“ Adressaten für einen amerikanischen Nuklearschlag hervorgeht, nicht gerade gering ausfällt.[2] Die einzig verbliebene Weltmacht stört sich ja grundsätzlich daran, dass fremde staatliche Souveräne, „bloß“ weil sie über ein Gewaltmonopol nach innen sowie Gewaltmittel gegen die Missachtung durch ihresgleichen verfügen, ein Recht auf Anerkennung beanspruchen, welches die Zubilligung eigener, inklusive abweichender Interessen einschließt. Den Schranken, die die Existenz auswärtiger hoheitlicher Gewalten für die universelle Gültigkeit der eigenen Macht – und damit für die freie Verfügung über die Reichtumsquellen der Welt – setzt, entnimmt sie den Imperativ, jene aus dem Weg zu räumen. Mit dem Recht der zu keinem Kompromiss oder „Ausgleich“ (mehr) gezwungenen überlegenen Macht geht sie dazu über, die in fremden Hauptstädten erhobenen Ansprüche auf Respekt vor ihren „vitalen Interessen“ mit dem Hinweis auf die doch wohl eindeutigen militärischen Kräfteverhältnisse zu bescheiden und vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sie macht Schluss mit der Berücksichtigung auswärtiger Staatsinteressen: Der Zwang hierzu soll ja gerade durch den laufenden Krieg gegen die Feinde einer von Amerika etablierten, verteidigten, also auch definierten Zivilisation überwunden werden.

Kein Wunder, dass auch die Freunde der USA mit der Praxis dieser „Entrechtung“ konfrontiert werden, welche die amerikanische Selbstverteidigungs-Offensive begleitet und als „Unilateralismus“ beargwöhnt wird. Der Status, der ihnen laut strategischem Konzept der USA zugewiesen wird, ist ein einziger Affront gegen jede Art von Bündnis-Kooperation, wie sie die Partner fordern.

Die Vormacht aller tradierten westlichen Bündnissysteme schreckt nicht davor zurück, ihren Verdacht – Betreff: unlautere Konkurrenzabsichten in Gewaltfragen – auf ihre NATO-Partner auszudehnen. Nicht, dass sie zu den „aktuellen“ oder „plausiblen“ Bedrohungs-Kandidaten gezählt würden. Im Gegenteil: Sie firmieren als „Alliierte“ und dürfen sich einer besonderen Betreuung erfreuen. Allerdings verrät schon deren scheinbar harmloses Motto – Wir lassen nicht zu, dass die USA, ihre weltweit stationierten Truppen und ihre Verbündeten bedroht werden. – nicht nur eine wie selbstverständlich daher kommende Zuständigkeitserklärung, sondern auch einen gewaltigen Verfügungsanspruch über die geschätzten Freundstaaten. Wenn sie als Schutzobjekte in einer Reihe mit dem US-Heimatland und den überall auf dem Globus verteilten US-Militärbasen auftauchen, so zeugt das von einer echten imperialistischen Wertschätzung: Sie werden als dem strategischen Besitzstand der Weltmacht USA zugehörig betrachtet und eingemeindet, womit klar ist, dass sie auch der Oberkontrolle der USA unterliegen. Deshalb spielt es auch weder eine Rolle, ob die Freunde diesen Schutz bestellt haben, noch, ob sie sich gegen die „Achse des Bösen“ oder für die Neue Weltordnung stark machen wollen, welche der mächtige Partner gerade herbeikämpft. Ihre „wohl verstandenen“ Interessen werden in Washington interpretiert, d.h. ihre wirklichen offensiv ignoriert und auf diese Weise unmissverständlich (und ganz ohne diplomatische Konsultation) zurückgewiesen. Das gilt insbesondere für die vom Weißen Haus keineswegs ignorierten Emanzipationsbestrebungen der europäischen Verbündeten – man erinnere sich: Eine „eigene Sicherheitsidentität“ samt autonomer Kriegskompetenz war die dringende Lehre der EU-Staaten aus dem dominanten Schutzbeitrag der USA im Balkan-Krieg. Diese Absichten fallen in Amerika unter die Rubrik ‚gefährliche und deshalb verbotene Versuche, die militärische Konkurrenz mit den USA aufzunehmen‘! Sie, und damit erst recht alle etwaigen, wirklich ans Eingemachte gehenden Weltmacht-Ambitionen, sollen sich, so das strategische Ideal, gleich mit erledigen, und zwar umso gründlicher, je besser die USA ihr Kriegs- und Abschreckungs-Programm gegen das antiamerikanische Böse vorantreiben, sozusagen als Kollateralnutzen des „Kreuzzugs für die Freiheit“:

„Die Nuklearwaffen der USA werden weiterhin den Schutz unserer Sicherheitspartner bereitstellen; insbesondere angesichts der bekannten oder vermuteten Bedrohung durch nukleare, biologische oder chemische Angriffe oder im Falle überraschender militärischer Entwicklungen. Dieser Schutz wird die Anreize für befreundete Staaten mindern, sich eigene Nuklearwaffen zu beschaffen, um damit solche Bedrohungen oder Bedrohungslagen abzuschrecken.“ (Nuclear Posture Review, 12)

Die Erwartungen, welche die USA an die großzügig in Schutz genommenen Alliierten richten, entsprechen dem ihnen diktierten Status. Sie beruhen und berufen sich nicht mehr auf die überkommene Bündnisdisziplin, die aus den Zeiten des Kalten Krieges gegen den gemeinsamen Feind im Osten herrührt. Die alte NATO-Bündnisräson unterstellte ja noch die Existenz unterschiedlicher politischer Willen und die Berücksichtigung spezifischer Interessen der Beteiligten, außerdem einen gemeinsamen Zweck, sprich Feind, sowie die „Bündnispflicht“ der Abstimmung mit den Partnern, die man braucht – lauter Prämissen, welche für die neue, von den USA auch den Freunden aufgeherrschte globale Kriegslage nicht mehr gelten. Weshalb diese Sorte Kriegs-Allianz, die aus der heutigen Sicht des Bündnis-Leaders unvermeidlich eine schädliche Unfreiheit und Ineffizienz zur Folge hat, endlich über Bord geworfen gehört. Für die NATO-Partner gilt ab sofort im Prinzip dasselbe wie für sonstige subalterne Freundstaaten in aller Welt: Sie werden erst – je nach geographischer Lage, ökonomischer Potenz und strategischer Funktion mal mehr und mal weniger – von Amerikas kriegerischem Säuberungsprogramm in Unsicherheit versetzt und dann in den Zustand einseitiger Abhängigkeit von Amerikas gewalttätigem Schutz hineindefiniert, dem sie sich nicht entziehen können. Als Alliierte guten Willens haben sie sich für den amerikanischen Weltordnungskrieg zur Verfügung zu halten und dürfen Beiträge anbieten, falls die Amerikaner die eine oder andere Assistenz wünschen. Ein Recht auf Mitentscheidung über die weltpolitische Tagesordnung wie über die Kriegsführung erwächst daraus nicht, das würde bloß den Erfolg des Unternehmens sabotieren:

„Viertens können Kriege sicherlich von Bündnissen mit denjenigen profitieren, die sich am Krieg beteiligen wollen. Aber sie sollten nicht von einem Komitee[3] geführt werden. Die Mission muss die Koalition bestimmen und nicht umgekehrt das Bündnis den militärischen Auftrag. In diesem Falle würden die Kriegsziele auf den kleinsten gemeinsamen Nenner begrenzt, und das können wir uns nicht leisten.“ (Rumsfeld, a.a.O.)

Dies also die vierte „Lehre“ aus dem Krieg in Afghanistan: Auch die NATO-Partner der USA sollen spüren und hinnehmen, dass die USA traditionelle UNO-Vorbehalte, Bündnispflichten und gemeinsam geführte „Komitee-Kriege“ (à la Balkan) als lästige Beeinträchtigung ihrer Freiheit betrachten – und dass gerade amerikanische „Alleingänge“ nur zu ihrem Vorteil sind und letztlich dem Wohle der ganzen Welt dienen.

Das sehen die bekanntlich anders.

[1] „Totrüsten“ ist also angesagt – diesmal nicht gegen das „Reich des Bösen“, sondern im Verhältnis zum ganzen Rest der Welt: Unter Nutzung der inzwischen erreichten sowie mit Hilfe der von Wissenschaft und Kredit angestrebten Fortschritte der Kriegstechnik soll der Vorsprung der US-Macht vergrößert und uneinholbar gemacht werden. Für die nötige Um- und Aufrüstung darf kein Preis zu hoch sein. Selbstkritik ist fällig an den Versäumnissen der Vorgänger-Regierung: Die Vorstellung, dass wir ein Jahrzehnt lang unseren Verteidigungshaushalt reduzieren und gleichzeitig unsere Streitkräfte umgestalten könnten, war verführerisch, aber falsch.

[2] Nordkorea, Irak, Iran, Syrien und Libyen zählen zu den Ländern, die in die Kategorie der unmittelbaren, möglichen oder unerwarteten Eventualitäten gehören (bei denen ein Einsatz von Atomwaffen in Frage kommt). Alle pflegen eine lang anhaltende Feindseligkeit gegen die USA und ihre Sicherheitspartner; besonders Nordkorea und Irak waren chronische militärische Problemfälle. Alle sponsern oder beherbergen Terroristen und alle unterhalten aktive Programme für Massenvernichtungsmittel und Raketen. (Nuclear Posture Review,16) „Angesichts der (gefährlichen) Verbindung von Chinas strategischen Zielen, die immer anspruchsvoller werden, mit der Tatsache fortlaufender Modernisierung seiner nuklearen und nicht-nuklearen Streitkräfte ist China ein Land, das zu den unmittelbaren oder möglichen Eventualitäten gehören könnte.“ (16f) Russland unterhält die gewaltigsten Atomstreitkräfte, abgesehen von den USA, sowie substantielle, wenn auch weniger eindrucksvolle konventionelle Fähigkeiten. Zur Zeit gibt es jedoch keine ideologischen Quellen für einen Konflikt mit Moskau, wie es im Kalten Krieg der Fall war.(…) Im Ergebnis ist ein nuklearer Schlag, Russland betreffend, zwar plausibel, wird aber nicht erwartet. (17)

[3] Die von amerikanischen Politikern neuerdings gepflegte verächtliche Ausdrucksweise vom „war by committee“ stammt aus Zeiten des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien. Dieser erste Allianz-Krieg hat den Amerikanern überhaupt nicht gefallen, weil das formell gemeinsame Kommando über den Krieg die Zumutung beinhaltete, dass sich die Führungsmacht dauernd mit ihren militärisch minderbemittelten Bündnis-Partnern beraten musste und bei jeder Eskalation oder Zielauswahl irgendwelche Angsthasen und Besserwisser aus Europa ihren Senf dazu gaben. So ein „Komitee“-Krieg, in dem die USA nicht als allein entscheidendes Subjekt des Krieges fungieren, soll sich nicht mehr wiederholen.