Das neue Europa in der Krise
Eine Zwischenbilanz der Transformation

Wie die Europa-Bank zur Feier von „zwanzig Jahren Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa“ bemerkt, ist eine „Krise eine merkwürdige Art, den Jahrestag zu feiern.“

Der Anschluss – ein Entwicklungsmodell? Bei dem es um Wohlstandsförderung gegangen sein soll?

Was da jetzt in die Krise geraten ist, ist kein Modell, es sind die Geschöpfe der EU, eine spezielle Euro-Zone, nämlich Produkte ihrer Kapitalisierung durch Anschluss, also auch eine Abteilung Euro-Kapital.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung

Das neue Europa in der Krise
Eine Zwischenbilanz der Transformation

Wie die Europa-Bank zur Feier von zwanzig Jahren Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa bemerkt, ist eine Krise eine merkwürdige Art, den Jahrestag zu feiern.[1] Das Weltblatt aus Zürich zieht aus Anlass der Krise eine Bilanz, in der es eine gut gemeinte Sache für gescheitert erklärt:

„Ein wohlstandsförderndes Entwicklungsmodell stösst an seine Grenzen
Die Länder, die der EU bereits angehören oder den Anschluss suchen, sind gehalten, die marktwirtschaftlichen Spielregeln zu respektieren, den Kapitalverkehr zu liberalisieren und eine stabilitätsorientierte Geldpolitik zu betreiben. Das hat sich jahrelang gelohnt. Die Anleger haben Vertrauen gefasst, ausser Direktinvestitionen strömten grosse Mengen von Portfolioanlagen in den Raum. Und den lokalen Banken war es ein Leichtes, sich auf den internationalen Finanzmärkten Mittel für Ausleihungen zu beschaffen. Doch im Spätsommer letzten Jahres wurde auch Emerging Europe von den Folgen der Finanzkrise erfasst. Die Risikobereitschaft der Investoren verschwand, der Geldzustrom versiegte. Das wohlstandsfördernde Entwicklungsmodell ist als spätes Opfer der Finanzkrise an seine Grenzen gestossen.
Seit dem Platzen der Rohstoff-Preisblasen im Spätsommer 2008, dem Zusammenbruch von Lehman Brothers Mitte September und der Verstaatlichung der beiden grossen amerikanischen Hypothekenfinanzierer ist die Welt nicht mehr die gleiche: Der damals ausgelöste Misstrauensschub lähmte den ohnehin schon angeschlagenen Interbankenmarkt, die Finanzkrise wurde zur Wirtschaftskrise. Und in den rohstoffarmen ehemals kommunistischen Transformationsstaaten Zentraleuropas (Emerging Europe) stürzte ein interessantes, von anderen Entwicklungsräumen scharf beobachtetes Modell in die Krise: Die Regel gilt nicht länger, dass, wer bereit ist, den Kapitalverkehr zu liberalisieren und sichere institutionelle Rahmenbedingungen einzurichten, mit Direktinvestitionen und auch mit billigen Mitteln zur Finanzierung von Konsum und Haushaltsdefiziten versorgt wird...
Fazit: Das über einige Jahre sehr erfolgreiche Entwicklungsmodell von Emerging Europe kann nur unter den Bedingungen ungewöhnlich liquider internationaler Finanzmärkte funktionieren; es war ein Schönwettermodell.“ (Heftige Nachbeben der Finanzkrise in Osteuropa., NZZ, 29. Mai 2009)

Der Anschluss – ein Entwicklungsmodell? Bei dem es um Wohlstandsförderung gegangen sein soll?

Das entscheidende Subjekt, die EU, hat da doch wohl eher ein Programm von eminent strategischer Qualität verfolgt, nämlich die Erweiterung ihrer politischen Macht in den Herrschaftsbereich einer anderen Macht hinein. Sie hat die einmalige Gelegenheit ergriffen, die eigene Zuständigkeit auf Kosten der östlichen Großmacht auszudehnen und sich deren frühere Bündnispartner einzuverleiben. Dabei war die Aufnahme in die EU die Methode, diese Besitznahme irreversibel zu machen, eine friedliche Eroberung,[2] ihrerseits ergänzt und abgesichert durch die Aufnahme in die NATO.

Die Heuchelei von der wohlstandsfördernden Absicht eines Entwicklungsmodells bedient sich des Sachverhalts, dass sich die EU mit der Methode, eine ökonomische Perspektive zu bieten, den Nationalismus dieser Staatenwelt eingekauft hat: Schließlich waren die dortigen Wende-Politiker wild entschlossen, die Herrschafts- und Wirtschaftsweise der potenten Europäer zu kopieren, um sich dieselben beeindruckenden Machtmittel verfügbar zu machen. Mit der Realisierung dieser Wende hatten sie sich aber geradewegs in eine ökonomische Notstandslage hineinmanövriert, nämlich einen Kapitalmangel der besonderen Art offenbart – die betreffenden Staaten verfügten ja nicht nur über zu wenig Kapital wie viele andere, sondern über gar keines, eben wegen ihres anderen „Systems“, was auch westliche Instanzen mit ihrer begriffslosen Redeweise von den „wegbrechenden Märkten“ registrierten. In dieser Lage setzten sie alternativlos auf die kapitalmächtigen Nachbarn: Die EU sollte ihnen behilflich sein und sie erschließen. Das Projekt wird – wie ein Echo auf den langjährigen Systemvergleich zwischen vollen und leeren Schaufenstern – als Anschluss an den westeuropäischen Wohlstand verstanden, und die Auffassung wird auch von der EU nicht zurechtgerückt. Vielmehr verewigt sich die verlogene Deutung des strategischen Interesses der EU als Hilfsprogramm für eine rückständige Staatenwelt in Sprachregelungen wie der vom Aufholprozeß.

Was da jetzt in die Krise geraten ist, ist aber kein Modell, es sind die Geschöpfe der EU, eine spezielle Euro-Zone, nämlich Produkte ihrer Kapitalisierung durch Anschluss, also auch eine Abteilung Euro-Kapital.

Die Konstruktion einer Euro-Zone: Einführung der nötigen Geschäftsbedingungen und des entscheidenden Geschäftsmittels

Die EU weiß, wie der prinzipielle Mangel an Kapital zu beheben geht; die Staaten müssen dem woanders ja reichlich vorhandenen Kapital nur die nötigen Rechte einräumen, um seine Dienste für ihren Aufbau in Anspruch zu nehmen. Mit den Parolen von Liberalisierung und Öffnung wird das grenzüberschreitende Geschäft des Kapitals als Erfolgsrezept für Nationen propagiert. Alle Hindernisse fürs auswärtige Kapital, dessen Zugriff ja bislang von der staatlichen Hoheit über ein anderes System verhindert wurde, sind wegzuräumen, damit es ungehindert dorthin strömt.

Die Einrichtung solcher Freiheiten fürs Kapital schließt allerdings umgekehrt für das ökonomische Leben der dortigen Nationen einige drastische Imperative ein, wie die Gesellschaft und die Lebensbedingungen der Insassen zum Mittel fürs internationale Geschäft herzurichten sind. Gedrungen wird da z.B. auf die radikale Beseitigung von Staatseigentum, das Gebot heißt Privatisierung, alles ist in die Form der Käuflichkeit zu bringen, alles dem Maßstab der Rentabilität zu unterwerfen, und wenn es dem nicht genügt, wenn Staatsbetriebe keinen potenten kapitalistischen Käufer finden, sind sie wertlos und müssen stillgelegt werden – unter dem Titel ‚Transformation‘ ist also nach der Seite hin eine gewaltige Enteignung verlangt.[3]

Des weiteren sind Geschäftsbedingungen nach Zuschnitt der EU zu schaffen; sachliche, wie z.B. Infrastruktur, wozu die beteiligten Staaten auch Unterstützung von Seiten der EU erhalten und aus deren Fonds bezuschusst werden. Vor allem aber haben die Kandidaten sich um die rechtlichen Bedingungen zu kümmern, d.h. den gesamten gemeinschaftlichen Gesetzesbestand zu übernehmen: Sie haben sämtliche Reglements des europäischen Binnenmarkts bei sich einzuführen. Und damit eröffnen sie sich nicht einfach den Zugang zum Paradies eines freien Verkehrs von Menschen, Waren und Kapital, sondern unterwerfen sich einem europäischen Stand der Ausschaltung von Standortkonkurrenz, dem Verzicht auf Instrumente des ökonomischen Nationalismus. Der Imperativ der Öffnung bedeutet schließlich in der Sache, dass die betreffende Staatenwelt ihren Standort und dessen Inventar umfassend dem vom Kapital veranstalteten Vergleich auszusetzen und den Entscheidungen der Fachleute für lohnendes Produzieren zu überantworten hat. Und der von der NZZ liebevoll mit „Spielregeln“ bezeichnete ökonomische Gesetzeskorpus der EU schreibt den weitgehenden Verzicht auf den Einsatz politischer Machtmittel zur Korrektur von und Einflußnahme auf Konkurrenzresultate vor. Diese Errungenschaften des Binnenmarkts, die Reduktion der staatlichen Konkurrenztechniken, die sich die Alt-Europäer in jahrzehntelangen zähen Streitigkeiten abgerungen haben, dürfen die Ostler nun gleich im Paket namens acquis communautaire übernehmen. Und den EU-Vertretern ist auch nicht unbekannt, was das bedeutet; dass da ziemlich gering bemittelte Nationen der ökonomischen Übermacht der westeuropäischen Nationen gegenübertreten. Als ein Kriterium für den Beitritt haben sie ja immerhin die Fähigkeit definiert, den Marktkräften standzuhalten.

Für den Gebrauch dieser Bedingungen im Sinne der geplanten Transformation ist dann noch ein ziemlich entscheidendes Geschäftsmittel erfordert: Geld. Auch darum kümmert sich die EU. Allerdings nicht in dem Sinn, wie es sich der erste polnische Präsident eigentlich als selbstverständliche Würdigung der Leistungen seiner Nation beim Auflösen des sozialistischen Blocks erwartet hatte; ein Marshall-Plan für die Region war nicht im EU-Programm. Der entscheidende Beitrag der EU zur kapitalistischen Inbetriebnahme dieser Gegend besteht vielmehr in einer Starthilfe für die nationalen Gelder, damit die von den Instanzen des internationalen Kredits, den Finanzmärkten als Geschäftsartikel gewürdigt und für Wachstum eingesetzt werden, während deren Hüter gleichzeitig auf einen Katalog guten Benehmens verpflichtet werden, um ihren Geldern das Zutrauen der Märkte auf Dauer zu sichern. Die entscheidende

Garantie der Gelder

leistet die EU in Gestalt ihrer politischen Inbeschlagnahme der Region. Der Anspruch der EU, diese Staaten dem eigenen Machtbereich zuzuschlagen, ist es, der nach der Umdefinition der nationalen zu kapitalistischen Geldern denen zu einer geschäftstauglichen Glaubwürdigkeit verhilft – oder, wie die Kenner so schön sagen, Vertrauen importiert. Denn bei allen Wirren der Transformation und Anfällen von Hyperinflation sind sie als Gegenstand des politischen Interesses der EU, als Bestandteil einer zukünftigen Eurozone, und insoweit als Anhängsel des Euro definiert. Osteuropäische Staatsanleihen spiegeln die Reformerfolge... Viele Investoren glauben – zu Recht oder nicht –, ‚dass die EU diese Länder auffängt, wenn sie in Schwierigkeiten geraten‘. (FAZ, 05. Mai 2003)

Mit den in den Assoziationsabkommen vereinbarten Förderprogrammen und Zuschüssen aus Euro-Fonds stiftet die EU des weiteren ein gewisses Quantum garantierter internationaler Zahlungsfähigkeit dieser Staatenwelt; und die Verfahren der Währungsanbindung schaffen schließlich eine berechenbare Grundlage für die internationale Geschäftswelt; entweder durch die Bindung der nationalen Währung an einen Währungskorb, was diesen EU-Anhängseln für eine Zeit größere Tests auf die Haltbarkeit dieser Bindung erspart hat. Oder per Currency Board – ein Regime, um Geldwertstabilität und Vertrauen zu importieren, [4] mit dem die frisch gegründeten Staatswesen sich auf einen fixen Kurs zum Euro verpflichten und darauf, eigenes Geld nur in dem Maße zu schöpfen, wie ihnen Devisen zufließen. Auswärtige Geschäftemacher sollen damit angelockt werden, dass ihnen aus dem Gebrauch der Landeswährung kein „Risiko“ entstehen kann.

Die Frage, woher bei einem solchen Regime die Devisenzuflüsse kommen, an deren Menge die Emission des nationalen Geldes geknüpft ist, das es ja auch irgendwie zur Bewirtschaftung des Standorts braucht, ist im Fall des Baltikums mit den auswärtigen Patronen und Förderern schon entschieden: Für die skandinavischen Ostseeanrainer sind die Staatsgründungen eine einmalige Gelegenheit, die Gegenküste unter die eigene Fuchtel zu bekommen und den russischen Zugang auf St. Petersburg einzugrenzen. Gemessen an diesem strategischen Gewinn sind Currency Boards, in deren Rahmen man die Regierungen kreditiert, die Verankerung von 7 Millionen Balten in der Marktwirtschaft absichert und auf die Weise dort das europäische Regime befestigt, eine wohlfeile Investition. Die zahlen schwedische Banken mehr oder weniger aus der Portokasse, zumal sie sich damit gleich auch noch das neu eröffnete Geldgeschäft der Region einkaufen. Bei Bulgarien, seit seinem drohenden Staatsbankrott Ende der 90er Jahre ebenfalls mit einem Currency Board versehen, liegt die Sache etwas anders. Von irgendeinem Boom war da nie die Rede, mehr von Kriminalität und Verwahrlosung.

Die Eingliederung in die Beitrittsprozeduren weist die marktwirtschaftlichen Neugründungen als Standorte mit einem Geld aus, mit dem sich wirtschaften lässt, also als kommende Anlagesphäre. Anstelle eines Marshall-Plans, eines politischen Kredits, haben die Euro-Macher ihren Schützlingen damit gleich einen modernen Weg zum Wachstum geboten, die Überantwortung ans Finanzkapital.

Die EU-Perspektive für die neuen Mitglieder: Spekulationsobjekte des internationalen Finanzkapitals

Mit ihrer durch die EU gestifteten Kreditwürdigkeit sollen sich die Beitrittskandidaten für die sogenannte „Wohlstandsförderung“, also das von ihnen angestrebte kapitalistische Wachstum, die Dienste des Finanzkapitals zunutze machen. Kredit ist schließlich der Hebel, ein Wachstum zu inszenieren, das man will, aber noch gar nicht hat. Europa eröffnet sich damit eine neue Anlagesphäre von Euro-Kredit und nützt die den Staaten als Anhängsel des Euro verliehene Kreditwürdigkeit als Mittel seiner ökonomischen Besitzergreifung.

Mit ihren Bankniederlassungen und Osteuropafonds machen europäische Banken die Infrastrukturprojekte und Zurichtungsprogramme der nationalen Ökonomien, die von der EU kreditiert und von diesen Staaten ko-finanziert werden, zu ihrer Geschäftssphäre; sie leisten die finanzkapitalistische Betreuung der Auslandsinvestitionen, so dass die sich auch in europäischer Finanzmacht niederschlagen.

Darüber hinaus ist das gesamte dortige Finanzwesen das Produkt auswärtigen Finanzkapitals: Unter dem absurden Titel ‚Beteiligung‘ [5] wird registriert, dass sich das dortige Kreditwesen überwiegend bis komplett in auswärtiger Hand befindet, als Ableger der Euro-Kreditinstitute funktioniert: EU-Banken haben das umgemodelte bescheidene realsozialistische Spar- und Abrechnungswesen aufgekauft oder den Sektor mit ihren Töchtern bestückt. Die zitierten Eigentumsverhältnisse sind aber nur Indiz für ein ganz anderes Verhältnis: Das europäische Finanzkapital hat den Nationen gewissermaßen die Mühsal abgenommen, sich ein Leihkapital national zusammenzuakkumulieren, es hat seine Kreditmassen auf diese Sphäre geworfen und denen damit ein Geldwesen spendiert, das selbstredend als seine Bereicherungssphäre funktioniert, seinen Rechnungen gehorcht, nur sehr bedingt einer nationalen Geld- und Kreditpolitik zur Verfügung steht und die lokalen Gelder einer Währungskonkurrenz eigener Art unterzieht.

Gleichzeitig werden die Inhaber dieser lokalen Gelder auf die Pflege ihrer Kreditwürdigkeit verpflichtet:

Haushaltsdisziplin im Namen eines stabilen Geldes

In schöpferischer Anlehnung an den Stabilitätspakt der Altmitglieder hat die EU die Ziele für Haushaltsdefizit, Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP und zu den investiven Haushaltsausgaben, Inflationsraten und Währungsschwankungen im Verhältnis zum Euro den Beitrittsländern zwar nicht als verpflichtende Maßgaben, wohl aber als Richtlinien soliden Wirtschaftens vorgegeben. Die verlangten Prozentverhältnisse sind in erster Linie das Resultat von Kapitalbewegungen: Von denen hängt es ab, wieviel Steuern die kapitalistischen Niederlassungen direkt oder indirekt auf diesen Standorten hinterlassen und was für ein BIP zustandekommt; der nationale und internationale Handel macht die Preise, die ihm passen, die internationalen Geldmärkte ermitteln die Währungsschwankungen, die die Kapitalbewegungen hervorrufen und beteiligen sich an deren Herstellung. Das sind also alles Größen, die die lokale Obrigkeit serviert bekommt und mit ihrer Haushalts- und Geldpolitik bestenfalls als zusätzlichem Faktor anreichern kann, die aber die EU wie ein Produkt guten Regierens behandelt.

Die laufende Bewertung des Finanzgebarens der Länder, als ob die Beachtung dieser Kennziffern im Prinzip den Weg zu einem soliden Wachstum weisen würde, ist in der Sache ein bodenloser Idealismus, dem aber seine Herkunft aus dem Risikobewußtsein der Euro-Besitzer anzumerken ist: Mit diesem Verfahren, das die Führungsnation unter den Alteuropäern den anderen zur Herstellung des Euro aufgezwungen hat, wird deren ökonomischer Nationalismus als Gefährdung des guten Euro-Geldes definiert und ihr Umgang damit auf die Begrenzung „schlechter Schulden“ verpflichtet; mit demselben, aber gesteigerten Mißtrauen – dort ist ja immerzu der „Rückfall in die Staatswirtschaft“ zu fürchten! – traktiert das Bündnis seine kommenden Bündnispartner und bringt das Verfahren dort schon präventiv zum Einsatz: Den Anwärtern wird ein Umgang mit Geld nahe gebracht, der ihre Fähigkeit, sich zu einer Belastung für den Euro-Kredit auszuwachsen, schon im Vorfeld einzäunen soll. Die Eignung für den Euro wird ihnen als Staatszweck und oberster Gesichtspunkt der Haushaltsabfassung verordnet, die nationale Geldhoheit, der Einsatz von Staatskredit für die Standorte unter diesen Vorbehalt gestellt – ein interessanter Auftrag für die Transformationsländer: Ihre staatlichen Dienste für ihr nationales Wachstum haben sich von Haus aus an der Berücksichtigung der Kriterien zu relativieren, mit denen die EU ihr gutes Geld gegen eine liederliche Benützung schützen will.

Auf die Weise hat Europa die Haushalte seiner neuen Mitglieder von Beginn an dem Beweis der Kreditwürdigkeit unterworfen, die Konvergenzkriterien als institutionalisierten Zweifel an der Güte dieser Gelder eingeführt. Der Auftrag an die Beitrittskandidaten lautet, sich die von der EU verliehene Kreditwürdigkeit auch zu verdienen: Sie sollen Kapital bei sich heimisch machen, zur Geldquelle für sich umfunktionieren, das allerdings unter den Bedingungen des EU-Binnenmarkt-Reglements und unter Respekt vor den Soliditätsgeboten der Euro-Anwartschaft.

Verpflichtung auf eine Konkurrenz mit beschränkten Mitteln: Sonderangebote fürs Kapital und ihre Wahrnehmung

Mit ihren von Europa als Betreuungsobjekten definierten Geldern, mit europäischen Hilfen für die Herrichtung der Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die anspruchsvollen Maßstäbe von Weltmarktfirmen beteiligen sich die Staaten an der internationalen Konkurrenz um Kapitalanlage und mobilisieren, was ihnen zu Gebote steht, um sich im weltweiten Vergleich von Anlagesphären als attraktives Angebot bemerkbar zu machen.

Das erste und wichtigste Angebot besteht in einer kompletten, ausgebildeten Arbeiterklasse, die auf Grund des Systemwechsels und ökonomischen Zusammenbruchs in Existenznot versetzt wurde: Die Staaten präsentieren

ein enormes Reservoir von Billiglöhnern.

Das sticht sogar billige Asiaten aus, denn es wohnt ja direkt hinter der europäischen Ostgrenze.[6] Das Angebot ist vom internationalen, vorwiegend europäischen Kapital wahrgenommen worden: Ein paar Nationen sind im wesentlichen Autostandort geworden, die Billiglohn-Dependancen der internationalen Autoindustrie. Schöne Erfolge haben dabei die Slowakei und Tschechien zu verzeichnen: Die meisten Autos pro Kopf der Bevölkerung weltweit werden in der Slowakei produziert, an zweiter Stelle folgt Tschechien. Der Konsum der Ware findet natürlich woanders statt, wo die entscheidende Zahlungsfähigkeit zum Kaufen der Schlitten beheimatet ist. Mit den Konjunkturen der westeuropäischen Automärkte ist dann auch schon das meiste über die Konjunkturen gesagt, die diese Standorte samt Nationen durchmachen.[7] Ebenso ist Polen inzwischen der größte europäische Produzent von elektrischen Haushaltsgeräten sowie Unterhaltungselektronik geworden; alle internationalen Konzerne haben hier eigene Produktionsstätten aufgebaut. (SZ, 18.3.09) In den letzten Jahren haben Euro-Kapitale den Einsatz dieser Arbeitskräfte auch auf andere Geschäftsbereiche ausgedehnt; in der Kombination mit ebenso billigen nationalen Rohstoffen, in der Landwirtschaft, für Dienstleistungen und Call-Center aller Art.[8]

Nachdem sich die Billiglöhner aber gleichzeitig massenhaft in Richtung Westeuropa in Bewegung gesetzt haben, sind aus Brüssel auch schon Warnungen vor einer Verschlechterung dieser Standortqualität laut geworden. Gerade waren die Völker noch viel zu zahlreich, um einen Lebenserwerb zu finden – sie sind auch immer noch viel zu zahlreich, was die Kosten ihres Durchfrettens betrifft, die beim Staat anfallen; siehe das Stichwort Reformbedarf –, aber auf dem Arbeitsmarkt hat die EU-Kommission vor der Krise eine bedenkliche Verknappung ausgemacht, messerscharf geschlossen aus steigenden Löhnen. Eine klare Auskunft über die Perspektiven, die Europa für die Völker zu bieten hat: Kaum ergibt sich für die Billiglöhner eine Gelegenheit, einen gewissen Druck zur Steigerung der Löhne auszuüben, schon sind sie eine Gefahr für den Standort, den sie bewohnen.[9]

Zum kundenfreundlichen Klima, mit dem sich die Beitrittsländer empfehlen, gehören des weiteren preiswerte Dienste als Mülleimer für die verschiedensten Entsorgungsgeschäfte, in der Vergnügungsindustrie und in all den sonstigen Fällen, wo rechtsstaatliche Grauzonen nützlich fürs Geschäft sind. Ein weiterer entscheidender Beitrag bei der Herrichtung zu einem komfortablen Standort ist schließlich das sensationell niedrige Kostenniveau, was die staatlich verursachten Kosten angeht.

Steuerparadiese

Die Staaten konkurrieren damit, sich möglichst wenig als ökonomische Belastung für Anlage suchendes Kapital bemerkbar zu machen. Mit der Einführung der flat tax in einigen Staaten und zahlreichen Steuerbefreiungen in anderen haben sie eine Art groß angelegtes Experiment gestartet, wie weit man den Staat als hinderliche Kost drücken kann. In dieser Konkurrenz vermittels Steuer-Senkung sieht die EU keine Wettbewerbsverzerrung, dieses kapitalfreundliche Mittel haben sich ihre Mitglieder genehmigt und damit die Standortkonkurrenz – zwischen altem und neuem Europa und innerhalb des neuen Europa – einigermaßen belebt:

„Da maßgebliche Entscheidungsgrößen für kostenorientierte ausländische Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa die Arbeitskosten (darin enthalten die Sozialversicherungsabgaben) sowie Art und Umfang der Unternehmensbesteuerung sind, werden auch von den neuen Mitgliedsländern Steuern und Abgaben als Instrument der Standortpolitik eingesetzt...
Die neuen Mitgliedsländer haben seit 1995 die Gewinnsteuersätze zum Teil erheblich um teilweise über 20 Prozentpunkte gesenkt. Deutschland hat (allerdings von einem höheren Niveau aus) mit der Unternehmenssteuerreform von 2008 reagiert und eine noch stärkere Reduzierung von 27 Prozentpunkten vorgenommen (Irland 27,5 Prozentpunkte)...
Seit ihrem EU-Beitritt haben einige mitteleuropäische Länder den Steuerwettbewerb nochmals forciert und ihre Gewinnsteuersätze weiter reduziert. So sank der Steuersatz in Tschechien von 31 % (2003) inzwischen auf 21 % (2008). 2010 werden 19 % anvisiert. Im Zuge der Reformen reduzierte man die Quellensteuer auf 15 % und führte eine Steuerbefreiung für Unternehmensbeteiligungen ein. Die Slowakei hat 2005 den Gewinnsteuersatz von 25 % auf 19 % vermindert und gleichzeitig Ausnahmeregelungen beseitigt. In Slowenien sank 2008 die Gewinnsteuer auf 22 % (10 % für Unternehmen in Sonderwirtschaftszonen und 0 % für Pensionsfonds unter bestimmten Bedingungen). 2010 soll der Steuersatz nur noch 20 % betragen. Verlustvorträge sind nunmehr unbegrenzt möglich. Unternehmen profitieren von Abschreibungsmöglichkeiten für Gebäude (Maximalsatz 3 %) und Anlagen (Maximalsatz 20 %) sowie von steuerlichen Anreizen für F&E. In Polen wurde 2004 der Gewinnsteuersatz ebenfalls deutlich von 27 % auf 19 % reduziert und die Steuerbasis verbreitert. Ungarn nimmt innerhalb der EU-5-Länder insofern eine Sonderrolle ein, als es bereits seit 1995 mit 19,6 % den damals niedrigsten Gewinnsteuersatz innerhalb der EU aufwies. Mit Einführung einer Solidaritätssteuer stieg dieser 2007 allerdings auf 21,3 %.“ [10]
In den EU-5-Ländern fällt die effektive Steuerbelastung deutlich geringer aus als im EU-Durchschnitt, in den hier nicht im Einzelnen behandelten baltischen Staaten sogar noch niedriger... So gilt in Tschechien ab 2008 ein Pauschalsteuersatz von 15 %, womit das Land nunmehr den geringsten Einkommensteuertarif in der EU aufweist. Bereits 2004 hatte die Slowakei eine Pauschalsteuer von 19 % eingeführt.“ [11]

Weitere Anreize

Die Staaten konkurrieren aber nicht nur damit, dem auswärtigen Kapital möglichst wenig Kosten zu verursachen. Sie tun auch ihr Bestes, um ihm Kosten abzunehmen. Wenn da ein Multi vorbeikommt und zu verstehen gibt, er könnte sich vorstellen, sesshaft zu werden, steht die lokale Staatsmacht nicht an und präsentiert ihm die entgegenkommendsten Bedingungen. Sie stellt z.B. Autobahn- und Bahnanschluss direkt vorm Werkstor zur Verfügung,[12] sie organisiert Sonderwirtschaftszonen, die ein Ensemble von Ausnahmen aus staatlichen Steuergesetzen und anderen Vorschriften präsentieren:

„Polens Sonderwirtschaftszonen (SWZ) bieten unter anderem Befreiungen von der Einkommen- und Immobiliensteuer.“ (Gtai Wirtschaftstrends, Jahreswechsel 2008/09)

Sie leistet auch Zuschüsse:

„Unternehmen, die sich in der Sonderwirtschaftszone Lodz niederlassen wollen, erwartet ein wahres Füllhorn an Subventionen. Neben der grundsätzlichen Befreiung von der Grundsteuer können diese Unternehmen, je nach Grösse, bis zu 70 % ihrer Investitionskosten erstattet bekommen... Es ist also nicht verwunderlich, dass zahlreiche transnationale Konzerne dem Ruf von Lodz gefolgt sind. Gillette, Bosch, Siemens, Procter & Gamble u. a. produzieren in Lodz. Zuletzt erregte der Computerhersteller Dell Aufsehen, der seine Fertigung vom irischen Limerick nach Lodz verlegte. Neben grossen Konzernen sind aber auch überraschend viele deutsche Mittelständler in der Sonderwirtschaftszone der zweitgrössten polnischen Stadt aktiv.“ (Infoseite Polen, 20.Mai 2009)

Diese Zonen zeichnen sich durch ein flexibles Flächenmanagement aus und finden sich genau da ein, wo ein Kapital sich niederlassen möchte:

„‚Liegt das gewünschte Gebiet außerhalb der Zone, dann dehnen wir sie eben entsprechend aus‘, erklärt ein Vertreter der zuständigen Behörde schmunzelnd.“ (FAZ 8.4.09)

Hauptsache, das auswärtige Kapital nimmt möglichst viel der eigenen nutzlosen Bevölkerung in Betrieb: Bei der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze werden den Unternehmen darüber hinaus bis zu 70 % der dafür anfallenden Lohnkosten für zwei Jahre subventioniert. Beide Subventionen werden in Form von Steuergutschriften erteilt. Die Arbeitsämter übernehmen darüber hinaus die Kosten für Qualifizierungsmassnahmen. Wenn aber der werte Gast keinen Sinn mehr im Beschäftigen von eingangs einmal ausgemachten Portionen Volk sieht, hat der Gastgeber selbstverständlich auch dafür viel Verständnis: Ferner ist es möglich, von der eingangs deklarierten Angestelltenzahl bis zu 20 % (in ostpolnischen SWZ sogar bis zu 30 %) abzuweichen – denn oft sind Investoren nicht imstande, ihre bereits vor mehreren Jahren eingegangenen Beschäftigungsverpflichtungen einzuhalten. (Infoseite Polen, 20.Mai 2009)

„Ein wohlstandsförderndes Entwicklungsmodell“...

Das Resultat des angeblichen Modells ist ein Wachstum, das sich dank der Radikalität der „Öffnung“ vor allem in auswärtigen Bilanzen niederschlägt. Fürs europäische Kapital hat sich die Erweiterung auf jeden Fall gelohnt, nicht zuletzt übrigens durch den nachhaltigen Beitrag zur Senkung des Lohnniveaus in Westeuropa. Die anfänglichen Vorwürfe von wegen „Lohn- und Steuerdumping“ sind selten geworden; solange wie das Euro-Kapital mit diesen Standorten Erfolge einfährt, wollen ihm die Nationalisten der Heimatländer offensichtlich nichts Übles nachsagen.

Für die Verwalter der neuen Standorte sieht die Bilanz etwas anders aus: Die Attraktion von Kapital hat stattgefunden, gewisse Probleme beim Importieren von Rentabilität haben sich damit allerdings auch eingestellt: Was Zulieferer und Märkte angeht, bedienen sich die Kapitale europaweit, ganz frei nach ihren Kosten-Ertrags-Rechnungen. Bei dieser Sorte Benützung – die Fachwelt redet von einem ‚importlastigen‘ Exportboom [13] – figurieren die östlichen Standorte als Durchgangsstufe der internationalen Kapitalbewegung, die im wesentlichen auf Ausnützung des Billiglohns zielt und auch nur ungefähr so viel an Reichtum im Land hinterlässt. Wieweit ein weiterer kapitalistischer Aufbau im Land zustande kommt, ist da kein Gesichtspunkt. Schließlich hat die EU nationalstaatliche Unsitten wie die Rücksichten einer Standortpflege, die sich Staaten anderer Statur mit der Durchsetzung von ‚local content‘-Klauseln leisten, bei ihren Beitrittskandidaten von Beginn an verboten. Verbliebene nationale Betriebe werden mit weit überlegener Kapitalgröße niederkonkurriert. Das gilt ebenso für den Binnenmarkt der Anschlussländer: Auch da haben heimische Lieferanten wenig Chancen gegen westeuropäische Konzerne. Zu den „Importlasten“, die der „Exportboom“ mit sich bringt, addieren sich die Defizite, die die Öffnung in Sachen Handel verursacht.[14] Die kapitalistische Benützung dieser Standorte durchs produktive und Handelskapital schlägt sich nun in Gestalt beständiger nationaler Defizite und einer ebenso beständigen Notwendigkeit zur Verschuldung nieder.

... mit der Notwendigkeit von „Reformen“ als Dauerprogramm

Bei Staaten, die erstens damit konkurrieren, sich als Kostenfaktor zu reduzieren, also als Steuerstaat zurückzuhalten, die sich zweitens der Tugend der Verringerung von Haushaltsdefiziten befleißigen, stellen die Haushalte so etwas wie ein dauerhaftes Experiment dar, mit wie wenig Staat man auskommen muss.

Als Standorte mit sensationellen Niedrigsteuern und Niedriglöhnen partizipieren die Staaten am Wachstum auch nur mit einem sensationell niedrigen Steueraufkommen:

„Der internationale Unternehmenssektor fällt als Finanzier des Staates praktisch aus. Aber auch die lokale Rest-Ökonomie generiert nur geringfügige Steuereinnahmen. Für die Unternehmer, Selbständigen und Arbeitnehmer der lokalen Wirtschaft ist die Umgehung von Steuern, Abgaben und Auflagen eine Bedingung des wirtschaftlichen Überlebens.“ [15]

Andererseits gibt es unabweisbar notwendige Ausgaben wie die Finanzierung der EU-Reformen, die Förderung von Kapitalanlagen und Infrastruktur. Also sind entsprechende Künste erfordert beim Sortieren, was notwendig und finanzierbar ist. Und selbst da, wo die EU Förderprogramme für die Staaten auflegt, geraten die Erfordernisse der von der EU verlangten Aufrüstung des Standorts in Gegensatz zur verordneten Finanzdisziplin: Die Zuweisung von EU-Geldern unterliegt dem Prinzip der Ko-Finanzierung; d.h. die Länder müssen als Bedingung für die Zuteilung von EU-Mitteln eigene Mittel aufbringen. Die EU verlangt also, dass sie bereits Erfolge in Sachen Wachstum erreicht haben, damit sie ihnen ihre Unterstützung zur Herstellung von Bedingungen für Wachstumserfolge zukommen lässt. So kommt das nicht besonders rätselhafte Resultat zustande, dass die Länder immer weitaus weniger Mittel aus Brüssel abrufen, als ihnen zustehen, weil sie die erforderliche Ko-Finanzierung nicht aufbringen können.[16]

Schließlich gibt es irgendwie auch notwendige, aber unter den Bedingungen kaum finanzierbare Kosten, die für die elementaren Reproduktionsnotwendigkeiten der Völker aufgewendet werden müssten. Ein gewisses Maß an Sozialstaat ist auch da unabdingbar, weil die Herrschaften nicht umhin kommen, sich um den schieren Bestand ihrer Völker zu kümmern, denen ja zu großen Teilen der Lebensunterhalt abhanden gekommen ist. Ein Umlageverfahren, das Anteile vom Lohn der Beschäftigten zwecks Existenzsicherung der Nicht-Beschäftigten beschlagnahmt, widerspricht schließlich dem Programm der Attraktion von Kapital durch Billiglöhne. Andererseits wachsen sich diese Kosten zu einer Belastung des Staatshaushalts aus und gefährden dauerhaft die Einhaltung der Vorgaben für solide Finanzen. Als entlastendes Element macht sich zwar die Fähigkeit der Völker bezahlt, als Billiglöhner auf Wanderschaft zu gehen, die für beachtliche Zuflüsse in der Leistungsbilanz sorgt.[17] Aber bei der periodischen Überprüfung, ob diese Staaten mit ihrer Haushaltsführung auch die Vorschriften bezüglich solider Finanzen einhalten, kommen regelmäßig die Kosten des Sozialstaats als übermäßige Belastung des Haushalts in die Schusslinie. Alle Staaten laborieren an Versuchen, Teile des Gesundheitswesens zu privatisieren, die regelmäßig mit Streiks quittiert werden,[18] mal an mangelnden Verdienstmöglichkeiten der privaten Betreiber scheitern, mal an verfassungsgerichtlichen Zweifeln – jedenfalls kommt die erwünschte Entlastung des Haushalts nie so recht zustande. Politikberater erklären ein ums andere Mal, dass das „wohlstandsfördernde Entwicklungsmodell“ die Notwendigkeit zur Reform eines überproportionierten Sozialstaats einschließt und monieren den

„Umstand, dass in den postkommunistischen Reformländern nach wie vor ein hoher Anteil des Bruttoinlandsprodukts für Sozialausgaben aufgewendet wird und in Wirklichkeit immer noch ein ‚hybrides‘ Wohlfahrtsregime besteht, das die sozialistische Vergangenheit mit einer liberalen Zukunft kombiniert... Die Beiträge zur Sozialversicherung und die Anteile der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt liegen in den postkommunistischen Ländern höher als in anderen Ländern mit vergleichbarem Einkommensniveau, weswegen Kornai auch von ‚frühreifen Wohlfahrtsstaaten‘ sprach.“ (SWP-Berlin: Ostmitteleuropa nach dem Beitritt, 2.06)

Wenn die Staaten gerade wegen ihres ökonomischen Zusammenbruchs explodierende Kosten bei der notdürftigen Volksbetreuung zu verzeichnen haben, erkennt der Fachmann nicht den Notstand, sondern den Fehler einer ‚hybriden‘ Kombination; die glänzende „liberale Zukunft“ würde aktuell noch viel mehr an energisch durchzusetzender Volksverarmung verlangen – das liest der Ökonom an den Prozenten im Haushalt ab. Und wenn auch einerseits völlig klar ist, dass sich die Staaten als junge Marktwirtschaften nicht mehr das leisten können, was sie sich früher als realsozialistisches Versorgungswesen geleistet haben; so hindert das den Fachmann nicht im geringsten, sie andererseits zu frühreifen Wohlfahrtsstaaten zu erklären. Es gilt einfach das Dogma, dass echte Wohlfahrt nur in Marktwirtschaften zu haben ist. Bei ihren vielen guten Ratschlägen haben die betreffenden Institutionen ebenfalls kein Problem damit, einerseits Kürzungen beim Staatssektor, vor allem am Einkommen der dort Beschäftigten zu verlangen und sich dann andererseits über das Grundübel der Korruption zu entrüsten.

Jedenfalls geraten die elementaren Reproduktionserfordernisse der Völker in Widerspruch zu den europäischen Vorschriften, wie sich die Kandidaten das gute Geld zu verdienen haben. Reform des Sozialstaats und entsprechende Verarmung stehen immerzu auf der politischen Tagesordnung.

Die Kombination von Euro-Stabilitätsimperativen und finanzkapitalistischer Kreativität

Gelohnt hat sich die Veranstaltung wiederum für die Finanzakteure. Nach anfänglicher Zurückhaltung des Finanzkapitals, insbesondere wegen der polnischen Schulden, seit dem Beitritt aber begleitet von Meldungen über ein sprunghaftes Wachstum, gelten die Länder zunehmend als kreditwürdig: als Eurozone von etwas schlechterer Art, die dafür aber mit höheren Zinsen aufwartet und bei deren Zahlungsfähigkeit man mit Garantien seitens der Euro-Mächte rechnen darf. Auf dieser Grundlage haben die Finanzakteure die Notstandsgebilde im Osten zu einem Emerging Europe befördert.

Einer Kundschaft, die Devisen verdienen muß, um ihre Schulden zu bedienen, wird angesichts ihrer diesbezüglich beschränkten Fähigkeiten vom Finanzkapital der Weg eröffnet, die Schulden mit neuen Schulden zu bedienen. Damit haben sich die Staatsgründungen zunehmend zu Spekulationsobjekten entwickelt, deren Schuldenwirtschaft und deren Währungen als Geschäftsartikel der Begutachtung auswärtiger Instanzen unterliegen, was einen anderen Widerspruch ihres EU-Anschlußstatus zur Entfaltung bringt: Die Beitrittsländer sollen schließlich Vorleistungen für die Einführung des Euro erwirtschaften, indem sie ihrer eigenen Währung, dem eigenen Nationalkredit eine gewisse Stabilität verschaffen, Währungsschwankungen vermeiden – das aber unter Bedingungen der Konkurrenz zu den etablierten Weltwährungen, v.a. zum Euro, die dank der Öffnung im Kreditwesen gleich in den Nationen installiert sind. Krone, Zloty, Forint etc. werden ein bißchen garantiert und zugleich der übermächtigen Konkurrenz mit anderen schlagkräftigen Nationalkrediten ausgesetzt.

Als Mittel zur Attraktion von Finanzkapital und zur Kurspflege steht den Nationen nur eine vergleichsweise höhere Verzinsung ihrer Schuldtitel zur Verfügung, was einerseits für die nationale Geschäftswelt die Kreditaufnahme teuer macht und damit andererseits sofort wieder eine Geschäftsgelegenheit fürs internationale Finanzkapital schafft. Das nimmt alle Freiheiten des Vergleichs in Anspruch, indem es mit seinen sogenannten „carry-trades“ Zinsdifferenzen zwischen Yen oder Schweizer Franken und den mitteleuropäischen Geldern zu seinem Geschäftsmittel macht und die dortige Kundschaft in anderen Währungen verschuldet. Weltläufige Banken haben sich mittlerweile auch darauf verstanden, den bescheidenen Privatkonsum in diesen Billiglohnländern zum Geschäftsmittel zu machen.[19] Der billigere Kredit in auswärtiger Währung konkurriert mit dem dortigen Nationalkredit in dessen eigenem Umlaufsbereich, beschränkt damit die Fähigkeit der Staaten, Schuldtitel in ihrer eigenen Währung aufzulegen, und damit wiederum deren ökonomische Potenz, per Kredit den Standort aufzurüsten.

Die Finanzagenturen haben einige dieser Währungen auch als brauchbare Objekte für Geschäfte der höheren Art entdeckt, nämlich für die Spekulation auf Währungsschwankungen.[20] Die Kursbewegung dieser Gelder ist dann entscheidend durch die Volumina bestimmt, die das Finanzkapital für solche spekulativen Geschäfte verwenden oder aus ihnen abziehen mag; diese Übermacht des Finanzkapitals schlägt sich in der Volatilität der Währungskurse nieder und überläßt den dortigen Geldhütern die dankbare Aufgabe, für die Stabilität zu sorgen, die die EU von ihren in Sachen eigener Kreditmacht eher minder bemittelten Kandidaten sehen möchte.

Schließlich ist und bleibt die EU wiederum die entscheidende Instanz bei der Ermittlung der Kreditwürdigkeit dieser Sorte Schuldnerstaaten: Die Europäische Zentralbank (EZB) gibt mit ihrer Kontrolle des Finanzgebarens so etwas wie ein hochoffizielles Rating ab, mit dem über den Grad der Kreditwürdigkeit der neuen Mitglieder und damit über die Kosten des Kredits entschieden ist, den die sich leisten können müssen. Europa hat auf diese Weise selber die Indizes geliefert, die in der Welt der Spekulanten schließlich für Zweifel an der Tauglichkeit dieser Anlagesphären und als Signal für den Rückzug aufgefaßt worden sind: Der Konvergenzbericht der EZB hat schon vor der Lehman-Pleite in einigen Ost-Nationen Hinweise auf ein „überhitztes“ Wachstum entdeckt und bei einigen anderen Verstöße gegen die Kriterien moniert.[21]

Die Krise zieht jetzt gewissermaßen Bilanz über die europäische Betreuung der Länder mit ihren schönen Kennziffern für eine solide staatliche Geldwirtschaft: Die hat zwar der Haushaltspolitik der Regierungen gewisse Hindernisse aufgenötigt, aber das freiheitliche Finanzgewerbe nicht im geringsten daran gehindert, die Länder mit einem so schwunghaft explodierenden privaten Schuldenberg zu versehen, dass schließlich die EZB und andere Agenturen Zweifel an der Solidität dieser Schulden anmelden. Den Staaten wird nun die Rechnung für den Erfolgsweg präsentiert, auf den die EU sie festgelegt hat: Die per Kredit vollzogene Prospektion hat zwar lauter Geldgeschäfte aufgetürmt, aber damit gar nicht so ohne weiteres nationale Geldquellen gestiftet. Wenn der Kredit wg. Krise teurer oder nicht mehr prolongiert wird, kommt die Tatsache zum Vorschein, dass das Wachstum der Kreditgeschäfte die eine Sache ist, die Fähigkeiten der Nationen, sie zu bedienen und sich als vertrauenswürdige Schuldner im Geschäft zu halten, eine ganz andere. Und sofort sind sich die Zuständigen und ihre öffentliche Meinung darüber klar, dass der Grund in einem Fehlverhalten dieser Länder zu finden sein muß. Gerade noch hat man die erfolgreiche Rückkehr auf den internationalen Kapitalmarkt im Jahr 2003 gefeiert, die auch privaten Schuldnern die Kreditaufnahme im Ausland erleichtert (bfai Wirtschaftstrends, Januar 2008), und jetzt kursiert das Urteil, nach dem die dort über ihre Verhältnisse gelebt haben.

Die Abrechnung in der Krise

In der Krise macht sich schlagartig geltend, wie sehr das Wachstum in diesen Ländern auf fremdem Kredit beruht: Der fließt ab.

Die west-europäischen Regierungen verpflichten mit ihren Krisen-Maßnahmen ihr Finanzkapital auf den eigenen Standort, und die Banken verringern oder stellen die Kreditierung ihrer Kundschaft im Osten ein.[22] Ob sie ihr Kapital nun benötigen, um zu Hause ihre Liquidität zu garantieren oder sich unter die Schutzschirme potenterer Staatsgewalten zu begeben, ob sie lieber in Staatsanleihen der Weltmarktführer gehen, die sich wegen deren Krisenbewältigung explosionsartig vervielfachen – der Vergleich schlägt jedenfalls gegen die Ostanlagen aus.

Das Mittel für Wachstum betätigt sich jetzt als Destruktivkraft: Das Finanzkapital stößt Anlagen ab und lässt die Börsenwerte einbrechen, während gleichzeitig die anderen Geldzuflüsse zurückgehen. Die Produktion wird zurückgefahren, weil die entscheidenden Märkte in Westeuropa schrumpfen, wenn nicht gerade die deutsche Abwrackprämie einen Zwischenboom in Tschechien verursacht; und schließlich schrumpft auch der Beitrag zu den nationalen Bilanzen, der aus der Wanderschaft von Volksteilen zu Arbeitsplätzen in anderen Ländern resultiert, in dem Maß, in dem diese Arbeitsplätze krisenbedingt dezimiert werden.

Die Bedingungen für die Attraktion von Finanzkapital, die große Errungenschaft der ‚Konvertibilität‘ der Gelder, die Freiheit also, die die Staaten den auswärtigen Banken eingeräumt haben, erlauben denen selbstredend auch die Spekulation gegen die Anlagen/Währungen. Jetzt macht sich die Macht der Geldmärkte als Mißtrauen gegenüber Nationen in Gestalt ihres Geldes geltend und entwertet die Währungen. Mit dem Herunterspekulieren der Währungen werden weitere Teile der neuen Kundschaft ruiniert, z.B. über die Kosten der Exportfinanzierungen;[23] in ihrem Emerging Europe hinterlassen die Geldmärkte massenhaft zahlungsunfähige Schuldner, die mit ihren Forint- und Zloty-Verdiensten einer dank dem Kursverfall explodierenden Verschuldung in Schweizer Franken, Yen oder Euro gegenüberstehen.[24]

Das Finanzgewerbe bestätigt sich sein gegen diese Anlagesphären praktiziertes Mißtrauen in einer neuen Qualifizierung: Es bringt ein verschärftes „Währungsrisiko“ in Anschlag, was für die so Qualifizierten den Kredit verteuert, den sie brauchen. Das allerdings auf differenzierte Weise; die Krise offenbart und verschärft die Unterschiede zwischen den Staaten: Das Verhältnis von Verschuldung zur Installation nationaler Geldquellen fällt unterschiedlich aus, was die Geldmärkte dann auch wieder höchst gerecht in ihren quantifizierten „Risikoaversionen“ zum Ausdruck bringen. Die Skala reicht von einem verlangsamten Wachstum, was inzwischen Polen und Tschechien wieder Komplimente einträgt, über Wachstumsschwächen bis zu den Beinahe-Staatsbankrotten in Ungarn, Lettland und Rumänien: Deren Staatsanleihen werden nur zu entsprechend hohen Zinsen, und dann bei wachsenden Zweifeln gar nicht mehr gekauft, die Staaten stehen vor der Erklärung der Zahlungsunfähigkeit und ersuchen den IWF um Beistand.

Die Rechnung, die im Baltikum mit den Currency Boards aufgemacht worden ist – „stabiles Geld attrahiert Geschäft“ –, ist auch nicht so ganz im Sinne der Erfinder aufgegangen. Das Wachstum, das die kleinen Völker im wesentlichen der Einrichtung ihrer neuen nationalen Herrschaften in einer repräsentativen Hauptstadt und einem entsprechenden Immobilienboom verdanken, hat auf dem schlichten Mechanismus beruht, dass die Spekulation in den Hauptstädten die Immobilienpreise in die Höhe treibt, die dann ihrerseits neue Schulden rechtfertigen,[25] solange bis sich schließlich die Sachverständigen wundern, wie schnell die Preise dort europäisches Niveau erreicht haben. Dann veranlassen die Preissteigerungsraten die EU-Kommission zu Warnungen von wegen ‚überhitzt‘, so dass das Vertrauen der Kreditgeber in die Solidität ihrer Kundschaft schwindet – und auf einmal war das schöne Wachstum eine „Blase“.[26] Wenn die Currency Boards dann nur mehr in der einen Richtung beansprucht werden und die Nationalbanken die behauptete Währungsrelation durchs Herausgeben von Devisen wahrmachen müssen, kommt prompt zum Vorschein, dass sie die gar nicht haben, und entsprechende Rückwirkungen auf die auswärtigen Finanzinstittute nötigen z.B. Schweden, ein Programm zur Rettung seiner Banken aufzulegen.

Die Krisen-„bewältigung“ unterliegt – weil der Laden auf fremdem Kredit beruht – der Entscheidung auswärtiger Instanzen: EU und IWF

Mit dem Kapitalabfluss veranstalten die Geldmärkte gleichzeitig einen Test auf die europäische Garantie für die Gelder der neuen Mitglieder, ob und wie die EU für die Zahlungsfähigkeit der Nationen, die Haltbarkeit ihrer Gelder einzustehen bereit ist. Der fällt zwiespältig aus.

Schließlich konkurrieren in diesem Bündnis sowohl alle gegen alle in Sachen Standortrettung, des weiteren konkurrieren die in Osteuropa engagierten mit den weniger engagierten Alt-Europäern um die nötigen Aufwendungen für ihre Zugewinne, und schließlich bauen sich die Euro-Besitzer gemeinsam gegenüber den Aspiranten auf, die mit ihren geschädigten Finanzen jetzt erst recht als Belastung der europäischen Fonds und des guten europäischen Geldes betrachtet werden. Anträge, die Aufnahme der Nationen in den Euro irgendwie zu erleichtern und damit ihre Kreditwürdigkeit aufzubessern, lehnt die EU kategorisch ab. Man denkt nicht daran, die Kriterien zu relativieren und diesen Ländern bloß wegen Krise ähnliche Ausnahmen von den Kriterien für Finanzdisziplin zuzugestehen wie den gewichtigen Altmitgliedern.

Teile des alten Europa müssen allerdings feststellen, dass sie einem erheblichen Risiko von Rückwirkungen des osteuropäischen Einbruchs ausgesetzt sind; schließlich sind es die eigenen Banken, die das Osteuropageschäft in Schwung gebracht haben und nun darüber selber in eine prekäre Lage geraten. Österreich, Italien, Deutschland, Schweden haben gestiegene Bankrisiken aus dem Ostgeschäft zu verbuchen; Österreich kommt sogar als Kandidat für einen weiteren Staatsbankrott ins Gerede.[27] Schließlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass im Osten eine Euro-Geschäftssphäre und Euro-Kredit mit drastischer Rückwirkung auf Alteuropäer kaputtzugehen droht. Die Länder sind ja gar nicht nur Kostgänger der EU, sondern haben als Anlagesphäre für Euro-Kapitale aller Art getaugt.

Auf Grundlage dieses innereuropäischen Gezerres und amerikanischen Drängens kommt die Neuerung zustande, dass sich der IWF in die bisher ausschließliche Zuständigkeit Europas für seine Geldfragen einschaltet: Was sich die Euros in ihrem Kunstwerk eines konkurrenzlerischen Dienstes am gemeinsamen Geld verboten haben – ein bail-out, das Herauskaufen einzelner Mitgliedsstaaten aus Krisen – überlässt Europa einerseits dem IWF, um dann andererseits auf seiner Zuständigkeit zu bestehen; im Rahmen der IWF-Programme und mit zusätzlichen Maßnahmen wird die EU aktiv. Der IWF legt ein Sonderprogramm in Höhe von 750 Mrd. Dollar auf auch im Hinblick auf den wachsenden Bedarf im Transformationsgebiet, die EU-Kommission erhöht ihre Mittel zur Unterstützung von Zahlungsbilanzen um das Vierfache auf 40 Mrd. Euro. Beide zusammen verordnen Ungarn, Lettland und Rumänien sogenannte Stabilisierungsprogramme.

Die EU-Kommission hat bemerkt, dass die Verteilung der Mittel des EU-Regionalfonds ins Stocken geraten ist. Das liegt auch daran, dass viele Staaten nicht mehr genug Geld haben, um ihren 50 %-Anteil an den Projekten zu finanzieren. Deshalb macht sie 6,6 Mrd. Euro an zusätzlichen Mitteln locker und erlaubt sich die Ausnahmeregelung, Regionalprojekte bis zu 100 % zu finanzieren. Aber auch nur vorläufig: Wer jetzt mehr Geld aus den EU-Töpfen erhält, soll in den Folgejahren entsprechend weniger erhalten. Die Bundesregierung, immer vorne dran, bei anderen auf Finanzdisziplin zu bestehen, hält auch das für viel zu großzügig und fordert, die Hilfe auf die Staaten zu beschränken, die Hilfen vom IWF erhalten. Das sind derzeit Rumänien, Ungarn und Lettland. (FAZ 23.7.)

Die osteuropäischen Regierungen selber sind zwar dazu in der Lage, eine nationale Einlagensicherung zur Verhinderung von Bankenkrächen zu beschließen, aber nun einmal grundsätzlich nicht dazu, die Töchter der auswärtigen Banken in den Geldern zu refinanzieren, auf die es auch und gerade bei ihnen ankommt. Daher sehen sich die Chefs der EU dazu genötigt, den Kapitalabfluss aus der Region zu bremsen, indem sie die Maßnahmen zur Liquiditätssicherung ihrer Banken ausdrücklich auf die ausländischen Töchter dieser Banken ausdehnen. Die internationalen Finanzbehörden IWF und Weltbank sowie die EU-Kommission samt ihren Euro-Banken, EBRD und Europäische Investitionsbank (EIB), bestellen die Vertreter der Herkunfts- und die der Gastländer der größeren EU-Banken sowie Repräsentanten der Banken ein und lassen sie eine Wiener Initiative unterschreiben: Das Risiko unkoordinierter nationaler Krisenreaktionen ist unbedingt zu vermeiden, und das Engagement der führenden Bankgesellschaften muss aufrechterhalten werden – „unter Aufsicht und mit finanzieller Unterstützung der Internationalen Finanzinstitutionen. Neben der Absicherung der staatlichen Zahlungsfähigkeit durch IWF- und EBRD-Kredite beteiligt sich die EBRD an der Refinanzierung dieser Bankentöchter, damit sie dort bleiben:

„– Die Regierungen der Gastländer haben zugesichert, Einlagensicherung und Liquiditätshilfen für Banken ohne Rücksicht auf deren Herkunft zu garantieren, ebenso wie eine unterstützende makro-ökonomische Politik (manchmal im Kontext von IWF-Programmen).
– Die europäischen Banken versprechen, ihre Tochtergesellschaften in den Transformationsländern zu rekapitalisieren und refinanzieren. Die Großbanken haben schriftlich versichert, in Ländern mit IWF-gestützten Programmen (die von EU-Mitgliedern werden durch die EU ko-finanziert) ihr Engagement solange aufrechtzuerhalten wie diese Programme umgesetzt werden.
– Die Regierungen der Herkunftsländer gewähren den Bankgesellschaften Zugang zu nationalen Stützungspaketen für ihre gesamten Operationen, das heißt ohne Einschränkungen, was die Ausstattung ihrer Tochtergesellschaften betrifft. Ein wichtiger Meilenstein war der Sondergipfel der EU-Führer März 2009, auf dem beschlossen wurde, dass nationale Unterstützungs-Pakete für Muttergesellschaften keine Einschränkungen für die Aktivitäten der Tochtergesellschaften in EU-Gastländern enthalten dürfen.“ [28]

Die verlangte Fürsorge der Länder und Mutterbanken für die angeschlagenen Standorte im Osten wird abgesichert durch einen Joint IFI Action Plan von EBRD, EIB und der Weltbank zur Unterstützung der Stabilität des Bankensektors und der Kreditierung der Realwirtschaft mit einem Budget von 25 Mrd Euro. (EBRD: Transition report 09)

Eine deutliche Klarstellung, wie wenig die neuen Mitglieder Herr ihres Geldwesens sind: Wenn IWF und Europäische Zentralbank die auswärtigen Banken dazu vergattern müssen, im Land zu bleiben, damit dort weiterhin ein Zahlungsverkehr stattfinden kann, dann steht und fällt die kapitalistische Brauchbarkeit dieser Standorte mit der Präsenz dieser Geldinstitute. Deren Zweifel stellen unmittelbar das Funktionieren der Nationen in Frage. Ganz nach der Logik der EU-Erschließung der Region brauchen dann die Banken sehr viel Hilfe, denn sie verwalten ja das kapitalistische Lebensmittel auch der Transformationsstaaten. Und damit diese Gegend weiter bewirtschaftet wird, damit nicht etwa Banken im Rahmen ihrer Sanierungsbemühungen das Geschäft dort als unrentables Auslandsengagement abstoßen, müssen sie mit Garantien und Finanzen zur Fortsetzung ihres dortigen Geschäfts ermutigt werden. Und eine solche Gemeinschaftsaktion der führenden Staaten und Weltfinanzbehörden zur Sistierung der Konkurrenz nicht nur zwischen den Banken, sondern ebenso zwischen den europäischen Herkunftsländern der Banken, war offensichtlich notwendig zur Vermeidung von Kettenreaktionen. Außerdem sollen die Banken auch ihre Rolle als Instrumente der Besitzergreifung weiter ausüben, denn sonst könnte ja Osteuropa womöglich zur billigen Beute für irgendwelche Dritten werden.

Die europäischen Institutionen halten sich zugute, dass trotz dramatischer Einbrüche beim Nationaleinkommen Zusammenbrüche von Banken und Währungen bisher weitgehend vermieden werden konnten (Transition report), rühmen sich also, dass ihnen die Rettung ihres Bankenexports bisher geglückt ist.[29]

Ob das ein Glück für die Bewohner dieser Zonen ist, ist keine Frage, denn umgekehrt sollen sich die Länder jetzt in der Rolle von brauchbaren Euro-Schuldnerländern bewähren. Vom verlangten Respekt vor den Konvergenzkriterien wird kein Jota zurückgenommen; die in Europa üblich gewordene Gleichsetzung von Misserfolg mit einem fehlendem Willen zu Reformen, dem von den erfolgreichen Nationen mit Sanktionen nachgeholfen werden muss, wird auch in der Krise durchgezogen.

Krisenpolitik mit Austerity-Programmen – Was heißt da „sparen“?!

Das bisherige Wachstum im Beitrittsgebiet war auf fremden Kredit gegründet; von dem abgewertet, herunterspekuliert, kennen auch die nationalen Regierungen kein anderes Programm, als sich dessen Zuspruch zu erhalten oder wiederzugewinnen. Sich als Objekt der Spekulation im Geschäft zu halten oder sich in diesem Status nicht allzusehr zu verschlechtern, ist die nationale Aufgabe, an der sich die dortigen Regierungen in der Krise zu schaffen machen. Die Rettung des Standorts fällt gänzlich mit dem Kampf darum zusammen, sich als kreditwürdig zu erweisen durch das Bemühen, die Staatshaushalte jetzt erst recht unter die Konvergenzkriterien zu subsumieren. Auch wenn die Erfüllung der Kriterien jetzt noch weniger zu haben ist als vorher – es geht eben darum, „die Märkte“ zu beeindrucken oder sich zumindest das Wohlwollen der EU-Führungsmächte durch entsprechende Anstrengungen zu sichern.

Die Beitrittsstaaten, die zur Aufrechterhaltung der nationalen Zahlungsfähigkeit bereits die Hilfe des IWF benötigen, sich also unter die Aufsicht des IWF begeben haben und in die Kategorie der anerkannten Problemfälle abgestiegen sind, müssen allein deswegen schon sparen. Andernfalls werden die ihnen zugesagten Kredittranchen zurückgehalten.[30] Keine ganz leichte Übung, die verlangten Prozentsätze zu erreichen, wenn gleichzeitig in der Krise die Einkünfte sinken. Dieses Jahr wird die Verschuldung am Bruttoinlandsprodukt von zuletzt rund 80 Prozent noch zunehmen. Doch geschieht das nicht, weil die Verschuldung zunimmt, sondern weil das BIP schrumpft.[31]

Die Anstrengungen, die eigene Kreditwürdigkeit zu retten, verbieten die Rücksichtnahme auf vorherige Bedürfnisse in Sachen Standortpflege, stattdessen agieren die Regierungen wie Konkursverwaltungen: Mit dem Kürzen oder Einstellen staatlicher Leistungen werden Teile des Standorts und seiner Bewohner abgeschrieben, so dass der Unterschied zwischen Gesundschrumpfen und Übergang zum failing state in machen Fällen kaum mehr auszumachen ist. Die Staaten kündigen bislang garantierte Reproduktionsbedingungen, sorgen damit für neue Grade von Armut und Verwahrlosung und setzen also die Krise gegen ihr Volk durch, das jetzt erst recht viel zu zahlreich ist, zu viele unbrauchbare Bestandteile hat, und in entsprechenden Quantitäten vom Billiglöhner zum Pauper herabgestuft wird.[32]

Was einem Staat blüht, der die vorgeschriebenen Ziffern nicht zustande bekommen will oder kann, führt der IWF exemplarisch am Fall Lettland vor:

„Im Ergebnis einer Prüfung der politischen und wirtschaftlichen Situation in Lettland durch eine Delegation des US-Finanzministeriums in der vergangenen Woche hat der Internationale Währungsfonds (IWF), der Riga ursprünglich einen Stabilisierungskredit in Höhe von 1,7 Milliarden Euro gewähren wollte, angedroht, die weiteren Kreditzahlungen einzustellen... Die USA bewerten den Wunsch des neuen lettischen Regierungschefs Valdis Dombrovskis, das Haushaltsdefizit auf sieben Prozent zu vergrößern, als eine grobe Verletzung der früheren Abkommen, wonach das Haushaltsdefizit Lettlands 2009 fünf Prozent nicht übersteigen darf... Lettland ist unter den EU-Ländern am stärksten von der globalen Finanzkrise betroffen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes schrumpfte im vierten Quartal 2008 gegenüber dem vierten Quartal 2007 um 10,5 Prozent. Viele Betriebe konnten der Krise nicht standhalten und gingen pleite. Vor dem Hintergrund der komplizierten wirtschaftlichen Situation kam es im Januar in Riga zu Massenunruhen.“ (RIA Novosti, 23.3.09)

So wird eine Art Finanzdisziplin mit Kürzungshaushalten durchgesetzt, die die Standorte tendenziell lahmlegt. Den Zuständigen ist es durchaus nicht unbekannt, wie sehr das Programm: „Der Staat spart“, auf das jeweilige Wachstum durchschlägt: Osteuropa spart sich schlank und krank, meldet die Financial Times Deutschland (2.11.09).

„In Litauen dürfte das BIP 2009 demnach um 18,1 Prozent, in Lettland um 18 Prozent und in Estland um 13,7 Prozent schrumpfen. Der Abwärtstrend soll sich 2010 fortsetzen mit einem Minus von 3,9 Prozent in Litauen, von 4,0 Prozent in Lettland und 0,1 Prozent in Estland.“ (3.11.09)

Die weniger von der Krise angeschlagenen Staaten, die trotz des Kapitalabflusses noch ein Wachstum oder geringere Einbrüche als die anderen zu verzeichnen haben, betreiben diese Konkurrenz demonstrativ gegen ihresgleichen, d.h. gegen die Subsumtion unter die finanzkapitalistische Kategorie Osteuropa: Sie tun alles, um die Unterschiede zwischen ihrem soliden Wachstum und den nichtsnutzigen Schuldenmachern herauszuarbeiten, damit die Kapitalströme in die richtige Richtung laufen. Tschechien und Polen protestieren lauthals gegen die ungarische Forderung nach einem gemeinsamen Krisenfonds; Tschechien betätigt sich demonstrativ als Kreditgeber im Rahmen des IWF.

Das Bestreben, der eigenen Nation eine bessere Kategorie von Kreditwürdigkeit zu sichern, sorgt ganz nebenbei für eine Linienkorrektur bei den beiden „Euro-Skeptikern“, Polen und Tschechien. Deren Führungen, die sich neulich noch die Freiheit herausgenommen hatten, zur Debatte zu stellen, ob sie überhaupt dem Euro beitreten möchten, müssen jetzt neu registrieren, wie sehr ihre Finanzlage auf der Zugehörigkeit zur EU beruht [33] und demonstrieren mit Haushaltssanierungsprogrammen ihre Bereitschaft, sich an die Vorschriften der EU anzupassen. Der polnische Finanzminister stellt seiner Nation vor Augen,

„dass die Konsequenz einer fehlenden politischen Zustimmung zur Verfassungsänderung – die die rechtlichen Hindernisse für den Beitritt Polens zur Eurozone aufheben würde – eine starke Entwertung des Zloty wäre“ und „dass die Interventionen einer einzelnen Zentralbank entschieden weniger wirkungsvoll sind, als die Interventionen, die auf den Währungsbestand des Eurosystems gestützt vollzogen werden, zu denen Polen mittelbaren Zugang nach dem Beitritt zum WKM II hätte.“

Die Euro-Gegner sollen sich einmal klar machen, dass die Beibehaltung einer eigenen Währung im Unterschied zum Euro die Nation einiges kostet,

„dass die Neuverschuldung von Polen bedeutend teurer ist als die amerikanische, deutsche oder französische Neuverschuldung, weshalb polnische Politiker umso vorsichtiger Ideen zur Erhöhung der öffentlichen Ausgaben auf Kosten der steigenden Verschuldung der polnischen Gesellschaft bei den Finanzunternehmen betrachten sollten.“ (Presseerklärung, 25.2.09)

– eine Anklage der euro-skeptischen Reden, in denen der amtierende polnische Präsident die Regierungslinie schlechtmacht. Die Regierung hält dagegen eindeutig am Plan fest, den Euro 2012 einzuführen. Unter anderem deshalb erhöht sie während der Krise nicht die Staatsausgaben, sondern will das Haushaltsdefizit auf umgerechnet knapp 4 Mrd. Euro beschränken, und meint, sich damit ein gewisses Recht auf Entgegenkommen von Seiten der EU verschaffen zu können:

„Ein Beispiel für die notwendige Solidarität der größeren EU-Länder mit Polen ist für Tusk der Beitritt seines Landes zum Wechselkursmechanismus WKM II. Polen muss dem WKM II angehören, damit es zwei Jahre später die gemeinsame Währung Euro übernehmen kann. Der zuletzt starke Wertverfall des Zloty, der gegenüber dem Euro über 32 Prozent einbüßte, stellt Polen vor ein Problem. Denn laut WKM II ist nur eine Schwankung von 15 Prozent zulässig. ‚Wir sollten überprüfen, ob wir die Regeln für die Aufnahme in das System nicht revidieren sollten‘, so Tusk.“ (FTD, 27.2.09)

Das „wir“ in der EU sieht die Sache aber gar nicht so.

Daneben bemühen sich die Regierungen um die Erschließung neuer Finanzquellen und radikalisieren ihre Sonderangebote: In Polen wird zur Beschaffung zusätzlicher Geldmittel ein neues Privatisierungsprogramm aufgelegt, d.h. der Staat verzichtet auf Anteile und Geldquellen, opfert Vorbehalte in Sachen nationales Eigentum der Aufrechterhaltung der eigenen Kreditwürdigkeit:[34] Der Standort lässt sich auch noch radikaler zum Angebot zurichten, mit noch weniger Auflagen fürs Auslandskapital, wenn man den Maßstab ‚Arbeitsplätze‘ einfach wegschmeißt und den Umgang mit der nationalen Arbeitskraft entschränkt:

„Ursprünglich wurden die hohen Subventionen, die unter den Marktpreisen liegenden Grundstückspreise und die weitgehenden Steuerbefreiungen für die Investoren in den Sonderwirtschaftszonen mit der Notwendigkeit, in strukturschwachen Regionen Arbeitsplätze zu schaffen, begründet. Nach einem dem Sejm vorliegenden Gesetzentwurf kann ein Unternehmen, das in einer Sonderwirtschaftszone eine Betriebsstätte unterhält, in Zukunft ohne besondere Begründung 40 % der Belegschaft im Rahmen einer Gruppenkündigung entlassen. Die Verpflichtung zur Erstattung erhaltener Subventionen entfällt... Die umstrittenen SWZ sollten eigentlich bis 2020 aufgehoben werden und auch ihre Fläche nicht mehr ausdehnen können. Letztgenannte Regelung wurde erst 2008 durch eine Gesetzesnovelle entkräftet, nach der die SWZ ihre Gesamtfläche von 12 000 auf 20 000 Hektar ausweiten konnten.“ (Infoseite Polen, 9. April 2009)

In diesem Sinne kümmert man sich um eine

„Flexibilisierung des Arbeitsrechts. Der Abrechnungszeitraum für die Arbeitszeit soll von drei Monaten auf ein Jahr ausgeweitet werden, was vorübergehend Verkürzungen erlauben würde, die dann in späteren Monaten durch Mehrarbeit wieder ausgeglichen werden können. Bei schlechter Auftragslage haben Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten nach geltendem Recht kurzfristig nur die Möglichkeit der so genannten Gruppenentlassung. Demnächst kann der Arbeitgeber innerhalb von maximal 30 Tagen abhängig von der Angestelltenzahl bis zu 30 Arbeitnehmer entlassen. Künftig soll Kurzarbeit mit Lohnabschlägen, jeweils bis zu 50 %, möglich sein. Ferner soll die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber im Krankheitsfall von 33 auf 14 Tage verkürzt werden.“ (gtai, 01.09)

Und wenn die Staaten nicht von sich aus die nötige Flexibilität an den Tag legen oder sogar renitent werden, wird nachgeholfen.

„Die Botschaften Deutschlands, der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens, der Niederlande, Japans, Norwegens und der Schweiz, der Länder, die ‚zusammen einen großen Teil der Auslandsinvestitionen in Ungarn repräsentieren‘, erklären ihr ‚große Sorge‘ wegen ‚politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen der letzten Zeit‘ und bemängeln vor allem ‚Intransparenz staatlicher Vergabeverfahren‘. ‚Als Freunde Ungarns, die Zeugen der derzeitigen Schwierigkeiten und der Bemühungen ihrer Behebung geworden sind, hoffe man, ‚dass die Maßnahmen für ein neuerliches Wachstum der ungarischen Wirtschaft Wirklichkeit werden‘. Davon hingen schließlich ‚Entscheidungen ab, die von derzeitigen und potentiellen Investoren getroffen werden, die aus den von uns vertretenen Ländern kommen.‘“

Die Propagandisten der segensreichen Wirkungen einer freien Konkurrenz können und wollen nicht mit ansehen, wenn irgendein Stückchen ihres Geschäftsimperiums Schaden leidet. So war man bei der amerikanischen Botschaft erbost darüber, dass bisher im Besitz eines Amerikaners befindliche Lizenzen für die Frequenzen eines privaten Rundfunksenders an neu eingerichtete heimische Konsortien verlorengingen. Und im südungarischen Pécs hatte es ein unverschämter Bürgermeister gewagt, den französischen Konzern Suez mit dem bodenlosen Argument, ‚unverschämt hohe Wasserpreise‘ zu verlangen, kurzerhand aus dem städtischen Wasserwerk zu entfernen. (FAZ, 21.11.)

Ihre eminente Hilfsbereitschaft rechtfertigt offensichtlich neue Rechte der Schutzmächte gegenüber den Schutzobjekten, Übergänge zu einem Umgang wie mit Bananenrepubliken.

*

Die Politik der EU zur Krisenbewältigung in den Beitrittsstaaten zielt auf Rettung dessen, was Anlagesphäre für Euro-Kapital ist, während man sich gleichzeitig um die Lokalisierung des Schadens bemüht. Den haben gefälligst die dortigen Währungen, Staatshaushalte, Völker zu tragen und die nationalen Ambitionen auf Teilnahme am Euro unter der Parole „Gesundschrumpfen“ in die Tat umzusetzen. Das ist ein Widerspruch: Die Verbilligung von allem, was da kreucht und fleucht, tangiert notwendigerweise die Brauchbarkeit der Standorte. So sorgt die Krise für eine deutliche Einstufung der Beitrittsländer in eine entschiedene Zweit- bzw. Drittklassigkeit in Europa, als europäische Hintersassen, die auf unabsehbare Zeit auf Zulassung zum Euro warten müssen und in eine Rangordnung bis hinunter zum Pleitier und IWF-Fall einsortiert sind. Europa hat sich eine Region mit dauerhaften Armenhäusern eingerichtet, die anstelle der versprochenen Aufholjagd eher in Richtung neuer Mezzogiorno tendieren, mit fließendem Übergang zu failing states. Mit den Einbrüchen von Wachstum und Währungen und der Exekution der Austerity-Politik wird nicht nur die ökonomische Tauglichkeit des neuen europäischen Besitzstands angegriffen, sondern auch ein bißchen die politische Zuverlässigkeit des neuen Europa, also auch das EU-Projekt der friedlichen Eroberung.

Es ist interessanterweise die Weltmacht USA, die die EU auf die politische Qualität der Krisenfolgen stößt und mehr Solidarität mit den neuen Mitgliedern oder notleidenden Austrobanken verlangt.[35] Die USA bringen sich als Fürsprecher der von der EU-Konkurrenz geschädigten Beitrittsländer gegen das alte Europa in Stellung und warnen seit der Ausdehnung der Krise in den europäischen Osten vor zersetzenden Wirkungen auf die europäische Einheit.[36] Schwer zu sagen, ob sich Amerika dabei mehr um die sichere Verankerung des strategischen Zugewinns im Osten in seine Weltordnung vermittels der EU sorgt, ob es Europa mehr Kosten und Lasten der Krisenbewältigung aufhalsen oder mit solchen Interventionen das neue Europa auf sich als die gewichtigere Schutzmacht ausrichten will. Auf jeden Fall sind die Staaten in ihrer Krisenlage erst recht Objekte der Konkurrenz der Führungsmächte: Amerika lässt den IWF mit der (inzwischen schon wieder verschwundenen) Idee eines einseitigen Beitritts zum Euro vorstellig werden und macht vor allem für Polen einen IWF-Kredit der besonderen Art locker, um seinen gewichtigsten osteuropäischen Partner und Beiträger zu den US-Kriegen zu stabilisieren.[37]

Aber auch ohne die amerikanischen Vorstöße hat man in Europa ein paar unschöne Krisenfolgen der politischen Art bemerkt.

Europäische Sorgen um die politische Kultur im Beitrittsgebiet

‚Den Grenzen das Trennende nehmen‘, ‚keine Wohlstandsgrenzen in Europa‘ – diese und ähnliche Botschaften sind zwar jetzt schon an die 20 Jahre alt; Partizipation am westeuropäischen Wachstum und seinen Machtmitteln war aber die Perspektive, die für die östlichen Nationalisten den Weg unwidersprechlich gemacht hat und wegen der sie sich alle Härten als notwendige Härten auf dem Weg dorthin verdolmetscht haben. Dieses Erfolgsversprechen hat sich blamiert, Enttäuschungen sind nicht ausgeblieben und werden auch immer wieder auf handfeste Weise vorgetragen.[38] Schließlich haben die Völker das Verschwinden ihres Volkseigentums, d.h. der schäbigen, aber garantierten Reproduktionsgrundlagen unter der Arbeiter-und-Bauern-Herrschaft und die Einrichtung einer Klassengesellschaft erleben dürfen, den kometenhaften Aufstieg einiger Volksgenossen, den Abstieg vieler und die Entvölkerung ihrer Heimat. Das gibt Anlass zu Befürchtungen, ob die das auch verkraften und nicht etwa ihre heutige Lage an den alten haltlosen Versprechungen messen:

„Nun wird Tusk an seinen nicht mehr zu erfüllenden Wahlversprechen gemessen. Sollte er scheitern, so dürften wieder euroskeptische Kräfte ans Ruder kommen. Auch in anderen EU-Staaten könnten sich die Dinge in diese Richtung entwickeln. Es geht in den Ländern, die bis vor zwei Jahrzehnten noch zum Sowjetblock gehörten, nicht nur um wirtschaftliche Eckdaten, um gestiegene Inflationsraten und Arbeitslosenquoten. Vielmehr wird das geradezu mythische Vertrauen in den ‚golden Westen‘, der dem einzelnen Menschen viel mehr Möglichkeit gibt ‚sein Glück zu machen‘, zutiefst erschüttert. Die längst überwunden geglaubte Skepsis gegenüber Marktwirtschaft und Demokratie wächst kräftig... könnte in mehreren Ländern Populisten das Feld bereiten und somit zur Destabilisierung führen. Das hätte unabsehbare Folgen für die EU. Es bestünde die Gefahr, dass diese Populisten die längst überfällige EU-Reform, die den schwerfälligen Brüsseler Apparat flexibler und transparenter machen soll, weiter blockieren würden – zum Schaden der gesamten Gemeinschaft.“ (Absturz Ost. Ein Kommentar von Thomas Urban, SZ, 23.02.09)

Als Vertreter des goldenen Westens ist man offensichtlich immun gegen die Gefahr von Selbstkritik. Pech für die Ostler, wenn sie den Mist namens Systemvergleich geglaubt haben, den die Propagandamaschinerie des freien Westens jahrzehntelang über den Eisernen Vorhang hinweg ausgestrahlt hat, um den eingesperrten Völkern eben dieses mythische Vertrauen in den goldenen Westen einzubleuen. Wie kann man bloß so blöd sein, das so wörtlich aufs eigene Wohlergehen zu beziehen?! Die Sorge des Betrachters gilt aber auch nicht den schlechten Lebensumständen, sondern der schlechten Laune der Opfer: Denn die ließe sich womöglich von einer Sorte von Politikern ausnützen, um Stimmung gegen uns, gegen Europa und dann in der EU Schwierigkeiten zu machen! Das hat sich Europa in seinem erweiterten Osten nicht bestellt.

Diese erlesene Sorge um die Haltbarkeit des Glaubens an Marktwirtschaft & Demokratie ist bis zu einem gewissen Grad übertrieben. Schließlich halten sich die befreiten Völker so ziemlich an den demokratischen Fahrplan und bringen das alles dann doch schon ziemlich ordentlich auf die Reihe: Die Härten des kapitalistischen Aufbaus, die Brutalität der Umstellung waren für sie bisher schon kein Grund, sich die Systemfrage vorzulegen und nach den polit-ökonomischen Gründen ihrer schlechten Erfahrungen zu erkundigen. Vielmehr haben sie ihre bereits im Vorgängersystem gelernten Maßstäbe guter Regierung kultiviert und im wesentlichen genau da exekutiert, wo allfällige Unzufriedenheit nach demokratischen Regeln hingehört – bei den Wahlen: Als Objekt der nationalen Verelendungsprogramme haben sie den Erfolgsversprechen der neuen demokratischen Parteien geglaubt und sich enttäuschen lassen, und das immer wieder von neuem. Angesichts von soviel schlechter Regierung ist die Verdächtigung des Staatspersonals, das nicht willens oder fähig ist, das Programm wahrzumachen, zum Hauptbestandteil der politischen Bildung geraten. Erstklassige Dienste leistet da der Korruptionsvorwurf, der mühelos das Elend ganzer Volkswirtschaften mit dem Abzweigen von Reichtum fürs Wohlleben der Oberen erklärt. Und umgekehrt schenken die Wähler ihr Vertrauen ebenso mühelos neuen Hoffnungsträgern – gefragt sind da Charaktermasken, die sich als Experten für privaten Erfolg präsentieren, als da wären Dollar-Millionäre, Ex-Könige, Yuppies mit Weststudium, oder Body-Builder als fleischgewordener Inbegriff von Korruptions-Bekämpfung. Die hat der Wähler in Erdrutschwahlsiegen an die Macht gewählt und nach ein paar Jahren Enttäuschung meistens ebenso erdrutschartig wieder gegen andere Chargen ausgetauscht.

Bei dieser Akkumulation von Enttäuschungen ist der Systemvergleich natürlich überhaupt nicht ausgestorben, sondern beim Volk in aller Munde: Früher war nämlich vieles besser, und gerecht geht es unter den heutigen Verhältnissen wirklich nicht zu.[39] Solche Ressentiments zielen aber gar nicht auf Wiederherstellung von irgendwelchen alten Zuständen, sondern richten sich als unablässiges Gejammer an die Adresse der Zuständigen und sind insofern gut dafür geeignet, von Leuten, die sich zum Führen berufen wissen, abgeholt zu werden.

Es geht also alles ziemlich demokratisch zu. Auch aus der Krise folgt nichts anderes als der erbitterte Ruf nach guter Regierung und ein – den Umständen entsprechend – lebhafter

Kampf um die Macht

In Litauen und Lettland sind – nach einmal Scheiben-Einschmeißen beim Parlament – wieder einmal Regierungen aus dem Amt befördert worden. Neue Gesichter haben sich an die Spitze wählen lassen, die Vertrauen für die notwendigen Härten der Staatssanierung einfordern. In Ungarn und Tschechien, wo die beteiligten Parteien die Regierungsmehrheiten aufgelöst oder verloren haben, behilft man sich mit Technokraten-Regierungen. Die haben ja den Vorzug, dass sie die notwendigen Drecksarbeiten im Rahmen der Sparhaushalte erledigen, damit sich irgendwann wieder die Parteien mit einem sauberen Leumund in die Ämter wählen lassen können. In Ungarn und Bulgarien drohen die kommenden bzw. schon etablierten Wahlsieger mit einer entschiedenen Kriminalisierung der Vorgänger-Regierung, womit dem Wähler auch schon mal eine staatsdienliche Richtung zur Bewältigung seines Zorns gewiesen wäre.

In Tschechien, Polen und Rumänien wiederum wird der Wähler mit einem heftigen Streit zweier Linien befaßt. Der dreht sich um die Frage, wie viel Anpassung an Europa nötig ist. In Polen haben Regierung und Präsident diesen Streit in die nächste Etage überführt, welche Machtinstanz welche Rechte und Kompetenzen bei sich vereinigen darf.

In Rumänien wiederum haben die Parteien den Streit, wie viel Unterwerfung unter die europäischen Direktiven sein muss, zu einer langlebigen Regierungskrise fortentwickelt. Bei den zuletzt aufgenommenen Staaten auf dem Balkan, Rumänien und Bulgarien, hat nämlich die EU ihre eigenwillige Auffassung von der Schuldfrage, wer warum das dort gewollte Wachstum behindert – zu wenig Wachstum, weil Korruption, als Universalgrund für Misserfolge gilt die Zweckentfremdung der guten Euro-Gelder – als Generalverdacht institutionalisiert: Sie knüpft die Zuweisung von EU-Mitteln an die Bedingung, dass die dortige herrschende Klasse gegen sich selbst ermittelt und zum Beweis ihrer Bereitwilligkeit endlich einmal Ex-Minister oder -Parteivorsitzende ins Gefängnis schickt.

Das hat das Wachstum so direkt auch nicht befördert, stattdessen die dortige Parteienkonkurrenz in Fahrt gebracht und zu einem Machtkampf zwischen demokratisch gewähltem Präsidenten und demokratisch gewählter Regierung gesteigert, wer wen politisch erledigen kann. Den Versuch der Regierung, sich Anhänger zu schaffen, v.a. die Loyalität der Staatsbediensteten durch die Erhöhung von deren Bezügen auf sich auszurichten, haben wiederum die Aufsichtsmächte und Kreditgeber umgehend als eklatanten Fall von Korruption und Misswirtschaft identifiziert, mit der Zurückhaltung der IWF-Tranche im Herbst bestraft und die Regierung damit zur Rücknahme der spärlichen Gehaltserhöhungen erpresst. Das sind so Machtproben, bei denen zwar nicht daran zu zweifeln ist, wer gewinnt, wohl aber daran, ob sie zur Konsolidierung dieser Staatswesen beitragen.

Neben der zermürbenden Wirkung auf die Standortverwaltung haben die Gemeinheiten der Parteienkonkurrenz allerdings auch einen klaren politischen Inhalt: Darin meldet sich immer entschiedener der enttäuschte Nationalismus der politischen Klasse, der sich den von unten zurecht- und zunutze macht.

„Euro-Skepsis“

Der Nationalismus der herrschenden Klasse war der Hebel zur Auflösung des realen Sozialismus, dazu hat er hervorragend getaugt, er verschwindet aber auch nicht deswegen, weil er jetzt unter EU-Regie gestellt ist. Die Nationen, die ihre Einordnung als ökonomische Satellitenstaaten und als politische Zwerge hinter sich haben, denen z.B. aus Frankreich ein Redeverbot in internationalen Fragen erteilt worden ist, sind auf der Suche nach Alternativen. Zwar ist und bleibt die EU die unausweichliche Adresse, an der kommen die ehrgeizigen Nationalpolitiker aus dem Osten nicht vorbei – schon allein deshalb, weil ihre Staatshaushalte entscheidend auf den Zuflüssen aus Brüssel beruhen und ihr Rating auf europäischem Wohlwollen. Aber als politische Konsequenz, auf Grundlage der Differenz zwischen nationalem Standpunkt, Anspruchsniveau und den Resultaten der Angliederung etabliert sich enttäuschter Nationalismus und bestimmt den politischen Geist in den Nationen: Europa-Verdrossenheit – ganz analog zur Parole von den ‚Bürgern zweiter Klasse‘ in der Ex-DDR – nationaler Groll gegenüber den EU-Führungsmächten ist durchaus dazu geeignet, den einen oder anderen Machtwechsel herbeizuführen und neue Führer an die Spitze zu bringen, die mit der kritischen Überprüfung der europäischen Richtlinien für sich werben.[40]

Die Nationen haben

unerledigte nationale Fragen.

Sie haben sich zwar des Beitritts wegen Beschränkungen gefallen lassen, sie haben auch die Verpflichtung auf einen Katalog guten Benehmens im Rahmen der europäischen Gesetzlichkeit, zur Beilegung aller Streitfragen untereinander um Grenzen und Umgang mit nationalen Minderheiten unterschrieben, aber deswegen noch lange nicht auf ihre nationalen Rechte verzichtet. Soweit die Regierungen um Zuspruch in der EU konkurrieren, arbeiten sie sich an der nicht ganz leichten Aufgabe ab, dem Volk die Erfordernisse der politischen Sittlichkeit nahezubringen, die die EU verlangt, und ihm das notwendige Unterscheidungsvermögen beizubringen; wann und wo auf nationalen Rechten bestanden werden muss bzw. in einem zivilisierten Europa alles per Verhandlungen und Konsens zu regeln ist. Daraus ergibt sich zuweilen eine gewisse Doppelzüngigkeit, zwei Arten von politischen Verlautbarungen – für zu Hause und gegenüber Europa – und auch entsprechender Streit. Der Chef der ungarischen Opposition ist schon mehrmals von Europa wegen Verletzung des europäischen Verfassungsbogens verwarnt worden, wird sich aber sicherlich mit den Stimmen der auszugrenzenden Faschisten an die Macht wählen lassen. Gegen das Taktieren der Regierungen, die nationalen Ansprüche konjunkturgemäß geltend zu machen, gegen den von der EU aufoktroyierten gebremsten Nationalismus meldet sich der nicht-saturierte, fordernde und sucht nach Wegen, seine Sache in der EU, gegen deren politische Sittlichkeit zu betreiben. Die Vorschriften kennt man; sie passen aber gar nicht zum nationalen Bedarf: In der Optik des katholischen Fundamentalismus in Polen oder der nationalen Rechten in Ungarn mit ihrem Zigeunerproblem und ihrem Zorn über die Missachtung der Rechte der ungarischen Bevölkerung jenseits der ungarischen Grenzen ist es die EU, die sich der Befassung mit den drängenden nationalen Anliegen in den Weg stellt.

Von Krise und Krisenfolgen aufgerührt, widmet sich der Nationalismus auch diesen Anliegen mit größerer Heftigkeit. Geschulte Nationalisten sehen zwar keine Alternative zu ihrer Verelendung, wenn ihnen die Staatsmacht die Notwendigkeit von harten Einschnitten als einzigen Weg zur Gesundung der Wirtschaft und Behauptung der Nation vor Augen stellt. Sie haben aber umso mehr ein Auge auf

innere und äußere Feinde

Am Schaden, den das nationale Gemeinschaftswerk erleidet, lesen geschulte Staatsbürger ab, dass es von Feinden untergraben wird, und sie wissen auch schon vorher, wer das ist. Die Benennung von Schuldigen wie ausländischen Banken und inländischen Zigeunern, Juden und Schwulen bleibt nicht aus, ebenso wenig der Ruf nach durchgreifender Politik, die dem ein Ende macht. Bei den Banken lässt sich die Feststellung einfach nicht vermeiden, dass es ausländische sind, womit die Kritik auch schon erledigt ist. In Polen erregt sich der Wirtschaftsminister, über Ausbeutung und Hinterlist ausländischer Banken (FAZ, 28.4.09). In Ungarn wettert ein Sozi:

„Ungarn sollten ihr Geld nur in ungarische Banken tragen, tönte der standhafte Sozialist dieser Tage in einem Rundfunkinterview und setzte damit eine Kampagne gegen Töchter ausländischer Banken fort, die dieser Tage in einer Demonstration gipfelte. Sie richtete sich gegen angeblich einseitige Änderungen der Kreditverträge. In einer Petition forderte der Abgeordnete zum Budapester Parlament: ‚Dies ist die letzte Ermahnung der ,stiefmütterlichen‘ ungarischen Tochtergesellschaften ausländischer Banken, mit den ungebremsten Zinserhöhungen, den einseitigen Vertragsmodifikationen zum Schaden der Schuldner und den Diktaten aufzuhören.‘
Auch vor patriotischen Formulierungen schreckt Karsai nicht zurück: ‚Unsere Söhne und Enkelkinder werden nicht in ihrer eigenen Heimat Ihre Lohnarbeiter sein, ,Sklaven‘ auf ihrem ehemals eigenen Land‘, schleuderte er den ‚geehrten Multi-Aufkäufer-Bankern‘ entgegen. Und sollten sie ‚auf das Rupfen der ungarischen Menschen nicht verzichten‘, werde es ab 25.Juli Konsequenzen geben. Er plant eine ‚Dauerdemonstration vor allen Lagerplätzen der großen Multis und vor den Banken‘.“ (Die Presse, 20.07.2009)

Da ist von den Regierungen schon einiges mehr verlangt als hier, um den Völkern die richtige Unterscheidung zwischen „Gier“ und unerlässlichen Diensten von Banken beizubringen. Aber nicht nur beim Thema Banken ist eine Art von Kritik gegen die EU-Linie unterwegs, die in Europa eigentlich verboten ist:

Rechtsausleger und Faschisten

stellen sich auf. Angesichts einer sich nach Maßgabe und für die EU gesundschrumpfenden Staatsgewalt werden in Ungarn Ordnungsprogramme populär. Die Verwahrlosung der öffentlichen Einrichtungen, gemessen am Vorgängerstaat, ist ein einziger Skandal. Für engagierte Patrioten ist die Verwahrlosung der öffentlichen Einrichtungen, gemessen am Vorgängerstaat, ein einziger Skandal. Und in den geschädigten Nationen finden sich die passenden Führer, die schon vorher den demokratischen Instanzenweg als Schwächung der Staatsmacht begriffen haben und zur Gründung von Bewegungen und Bürgerwehren geschritten sind. Die gehen endlich einmal tatkräftig gegen die entscheidenden Leiden der Nation vor: Eine schwache Staatsgewalt wird von volksfremden, unnützen, verbrecherischen Kreaturen ausgenützt. Die „Ungarische Garde“, eine Freiwilligen-Miliz und die ungarische Polizei schließen einen geheimen Pakt gegen die „Zigeunerkriminalität“. So kommt ausgerechnet der verarmte Bodensatz der Gesellschaft zu der Ehre, für den Niedergang der Nation haftbar gemacht zu werden.

An der Stelle werden die Betrachter aus dem wohl geordneten Westen dann heikel. Die östlichen Sparhaushalte und ihre Wirkung auf die materielle Lebenslage der Völker sind abgehakt, die entsprechen nun mal den Geboten wirtschaftlicher Vernunft. Aber wenn die geistige Verfassung der Völker besichtigt wird und sich herausstellt, dass die die Gebote der politischen Sittlichkeit offenkundig missachten, die die EU als Ausdruck ihrer weltordnerischen Berufung und „Wertegemeinschaft“ verordnet hat und von den Neuzugängen respektiert sehen will, dann ist die Entrüstung groß. Gleichzeitig wundert sich aber auch keiner so recht; unter geistesverwandten Nationalisten hat man ein gewisses Verständnis dafür, wenn tief enttäuschte Staatsbürger das Unrecht, das die Nation erdulden muss, nicht auf sich beruhen lassen wollen. Und auch ein gewisses rassistisches Sortierungsbedürfnis kann mancher der aufgeklärten Beobachter beinahe verstehen; in der EU kann man ja auch wenig mit den Ost-Zigeunern anfangen und möchte sie am liebsten in ihrer Ost-Heimat unter Verschluss halten. Was aber einfach unerträglich ist und nicht geduldet werden kann, ist die anti-europäische Note dieser Bewegungen: Östliche Nationalisten wenden sich auch gegen die EU; gegen Brüsseler Regelungen, die das Zusammenleben mit verhassten Minderheiten erzwingen; und sie arbeiten sich zuweilen vor zu dem Verdacht, dass hinter diesen Geboten feindliche Absichten stehen, ein Interesse an der Zersetzung der gerade erst vom Sowjetjoch befreiten Nation.

*

Die Krise und ihre Folgen bringen also neue Sorgen hervor bei den Führungsmächten der EU – um die Linientreue der dortigen Statthalter, um die Haltbarkeit der eigenen Herrschaft über diese Klientel. Es geht um die Sicherung des eigenen Besitzstands – gegen lokale „Populisten“, aber auch gegen dritte Mächte, die dort immer noch oder schon wieder ihren Einfluss geltend machen. Die USA bieten dem neuen Europa Gelegenheiten zu militärischen Hilfsdiensten; sie eröffnen jetzt auch den krisengeschüttelten Balkan-Nationen Rumänien und Bulgarien die Chance, sich zur Raketenbasis aufzuwerten, ganz ohne in Brüssel nachzufragen. Außerdem mischt sich auch noch Russland allenthalben mit Energieprojekten ein, zu denen die Nationen aus puren Geldgründen gar nicht einfach Nein sagen können.

Mit friedlicher Eroberung ist womöglich doch kein gescheiter Imperialismus zu machen.

[1] European Bank for Reconstruction and Development, EBRD: Transition report 09

[2] Siehe Gegenstandpunkt 1-98 „Die Osterweiterung der EU. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Euro-Imperialismus“ und Gegenstandpunkt 1-03, „Die Ost-Erweiterung. Ein neuartiger Fall von imperialistischem Abenteurertum“

[3] Der Streit um die Überführung der Staatsbetriebe in Privateigentum dauert bis heute an. Soweit die neuen EU-Mitglieder noch über einen Restbestand von Unternehmen in Staatseigentum verfügen, von dem sie sich nicht trennen mögen, weil er sichere Einkünfte verbürgt oder sich in Zukunft einmal als Geldquelle bezahlt machen soll oder weil er als Hebel, um das Wachstum zu befördern, unter nationaler Kontrolle verbleiben soll, ziehen sie sich den Verdacht der EU-Institutionen auf unerlaubte Subventionen und unlautere Konkurrenz zu – ein zäher Streit, in dem die EU auf dem Prinzip staatlicher Enteignung besteht und Verstöße mit Strafen belegt. Sie hat da auch keinen Respekt vor nationalen Symbolen und hegt z.B. den nachhaltigen Verdacht, dass die polnischen Werften, die Geburtsstätten der glorreichen Solidarnosc, nur durch staatliche Fördermittel am Leben gehalten werden. Die Techniken zur Sicherung nationalen Eigentums bilden den Stoff für hartnäckige Auseinandersetzungen. So hatte die ungarische Regierung sogenannte ‚goldene Anteile‘ an rund 3 Dutzend privatisierten Gesellschaften, die dem Eigentümer Sonderrechte garantierten, auf Druck der EU gesetzlich abgeschafft. Zum Ersatz wollte die Regierung, ein Gesetz zum Schutz ‚strategisch wichtiger Unternehmen‘ erlassen, woraufhin die EU wiederum mit Klagen, wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts (FAZ, 8.10.07) drohte.

 Da aus Anlass der Krise Unverständnis laut geworden ist, warum es ausgerechnet Ungarn, den „Musterknaben“ in Sachen Reformbereitschaft, so heftig getroffen hat, hier ein sachdienlicher Hinweis von der FAZ: Da nicht einmal Genossenschaften zusammenbleiben konnten und der Staat nur die allerwichtigsten Unternehmen der Grundversorgung zu behalten und zu modernisieren vermochte, wird heute die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts von ausländischen Unternehmen erwirtschaftet – mit Folgen für die Abhängigkeiten am Arbeitsmarkt und den (Nicht-)Verbleib der Gewinne im Land. (FAZ 24.5.08) Das frühere Musterknabentum in Sachen radikale Privatisierung hat eben auch einen gewissen Kahlschlag zur Folge, der sich auf Seiten der Staatsfinanzen bemerkbar macht.

[4] Heute gehen Länder zum Currency Board über, die geldpolitisch national wie international wenig Vertrauen genießen... Transformationsländer, die nicht aus marktwirtschaftlichen Systemen stammen und daher Geldwertstabilität und unabhängige Zentralbank noch nicht verwirklicht haben. Das Ziel ist, Geldwertstabilität zu erlangen, und diese über die Ankerwährung zu importieren. (Johannes Beck: Currency Board, SS 1999)

[5] In Estland erreichte der Anteil der Bankaktiva, die von ausländischen Banken gehalten werden, über 99 Prozent, in der Slowakei 97. Aber auch in den anderen ostmittel- und südosteuropäischen Staaten betragen die Anteile über 60 Prozent. (Hella Engerer: Solidarität gesucht. Osteuropas Finanzmärkte, in: Osteuropa 12/2008)

[6] Ein klarer Fall von Kultur. Deutsche Arbeitgeber würdigen die gute Qualität der Arbeitskräfte zu gutem Preis-Leistungs-Verhältnis in einem kulturell verträglichen Umfeld nahe an Deutschland und Westeuropa. Damit punkte Ungarn gegen asiatische Märkte wie China und Indien, wo die Arbeitskosten noch viel geringer ausfallen. Nach Berechnungen der deutsch-ungarischen Handelskammer liegen die Arbeitskosten in Ungarn etwa bei einem Viertel gegenüber Deutschland. (FAZ, 11.5.09)

[7] In Ländern wie Ungarn und Tschechien liegt der Exportanteil bei gut 70 Prozent des jährlich erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukts. (Focus-online, 3. Juni 2009)

[8] Große Bedeutung hat in den letzten Jahren die Auslagerung von Geschäftsprozessen (Business Process Outsourcing; BPO) an externe Dienstleister nach Polen bekommen. Das betrifft neben Buchhaltungs- und Finanzdienstleistungen (Back Office) auch IT-Bereiche (Help Desk, Kundencenter) und das Transportgewerbe (logistische Dienstleistungen). (German Trade and Invest, gtai.de: Polen Jahresmitte 2009, 1.6.2009)

[9] Und die Exporteure des angeblich Wohlstand-stiftenden Modells sind schon dabei, noch ganz andere Lohnniveaus zu würdigen: Aus Investorensicht hat der Süden Serbiens einiges zu bieten – zynisch gesagt sind das vor allem eine traumhaft hohe Arbeitslosigkeit und eine im eigenen Land eingesperrte Bevölkerung, der der Zugang zu westlichen Arbeitsmärkten weitgehend verwehrt ist. Während die Bruttoeinstiegslöhne im Norden Serbiens bei etwa 360 Euro liegen, sind es im Süden nur etwa 250. Allenfalls in Mazedonien oder Bosnien-Hercegovina sind sie noch etwas niedriger. (FAZ, 19.8.08)

[10] Dieser Anlauf der ungarischen Regierung, vermittels einer neuen Steuer ihren Haushalt in Richtung der Konvergenzkriterien aufzubessern, wird von Audi gekontert. Nach der Drohung des Autobauers Audi mit einem Investitionsstopp hat die ungarische Regierung ihr Sparpaket verändert. Die geplante ‚Solidaritätssteuer‘ auf den Gewinn, mit der die Körperschaftssteuer praktisch von 16 auf 20 % erhöht wird, soll neu berechnet werden: Künftig können Ausgaben für Forschung und Entwicklung von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. (FAZ, 13.11.06)

[11] Michael Knogler, Wolfgang Quaisser: Europäischer Steuerwettbewerb. Steuern und Sozialabgaben in Ostmitteleuropa, Kurzanalysen und Informationen, Osteuropa-Institut Regensburg, Nr. 37 Februar 2009

[12] Die A 4 ist als Teil des transeuropäischen Verkehrskorridors Ostende – Kiew ein sog. TEN-Projekt der EU. In Polen schafft sie eine Verbindung von den wichtigsten Sonderwirtschaftszonen (SWZ) des Landes nach Westeuropa. In ihrem direkten Einzugsbereich liegen die Sonderwirtschaftszonen Walbrzych, Legnica, Kamienna Gora, Katowice und Krakau (Technologiepark), in denen sich inzwischen über 100 deutsche Unternehmen niedergelassen haben. Walbrzych und Katowice sind mit 1651 bzw. 1544 Hektar die mit Abstand grössten Sonderwirtschaftszonen Polens. Die geplante Verlängerung der A 4 Richtung Ukraine verschafft auch den Sonderwirtschaftszonen Mielec und Podkarpacki einen Anschluss nach Westeuropa. (Infoseite-polen.de)

[13] Vermerkt wird die Besonderheit, dass der Exportboom jeweils mit hohen Importzuwächsen einhergegangen ist. Grund hierfür ist die äußerst starke Abhängigkeit der großen Exporteure des Landes von Zulieferungen aus dem Ausland. Der ‚local content‘ der Hauptexportgüter ist sehr niedrig. So liegt er bei Audi Hungaria, dem größten Exportunternehmen des Landes deutlich unter 10 %. (Gtai, Ungarn, 21.05.2008) Obwohl einige Subauftragnehmer [bei Elektrohaushaltsgeräten] im Gefolge der Großunternehmen nachgezogen sind, müssen viele Zulieferprodukte eingeführt werden; der Anteil importierter Komponenten an der Endmontage ist mit knapp 60 % relativ hoch. Der Preisdruck ist angesichts der scharfen Konkurrenz groß. (Gtai, Polen Wirtschaftstrends, Jahreswechsel 04/5)

[14] Eine Quelle für die Euro-Ressentiments in den Ländern: In Polen wird mit einer Kampagne gegen französische Supermarktketten und deren Umgang mit dem Personal Wahlkampf gemacht; in Ungarn protestieren Bauern, die ihre Produkte nicht oder nur zu untauglichen Preisen loswerden. Und dann sagen sie uns, dass unsere Zukunft in Europa liegt. Aber Europa behandelt Ungarn, als ob es der Kongo wäre. Man lädt allen möglichen Unrat bei uns ab. Früher waren ungarischer Paprika, ungarischer Knoblauch weltberühmt. Jetzt kommt die Paprika aus Holland und schmeckt nach gar nichts. Der Knoblauch kommt aus China, und wenn er zwei Tage an der Luft liegt, verfärbt er sich blaugrün. Zusammen mit den Kommunisten hat Europa uns reingelegt... Der ungarische Staat zerbröselt allmählich. Die Straßen sind voller Löcher, es gibt keine funktionierende Müllabfuhr. Dafür französischen Käse bis zum Abwinken. (Süddeutsche Zeitung vom 4.5.09)

[15] Michael Ehrke: Länderanalyse Ungarn, Strukturen eines postkommunistischen Transformationslandes, Friedrich-Ebert-Stiftung, 10.2007

[16] EU-Fördermittel werden nur zu einem 1/5 ausgeschöpft... Der Business Center Club (BCC) warnt in einem Bericht, dass Polen bei weitem nicht in der Lage sei, die ihm zustehenden EU-Fördermittel voll auszuschöpfen. Zurzeit würden monatlich Projektmittel in Höhe von einer Milliarde Euro abgerufen – um die für Polen bereitstehenden EU-Mittel in Höhe von 68 Milliarden Euro auszunutzen, müsse der monatliche Betrag jedoch bei fünf Milliarden liegen. (Deutsch-polnische Chronik, 24.3.09)

[17] Jetzt hat die Polnische Nationalbank (NBP) einige grobe Zahlen vorgelegt. Allein im Jahr 2008 seien offiziell knapp über vier Milliarden Euro von Exilpolen nach Polen geschickt worden, etwa so viel wie bereits im Jahr zuvor. Um die Größenordnung deutlich zu machen: Das ist etwa so viel, wie die EU Subventionen an Polen überweist. (Die Presse, 11.05.2009) Schließlich haben die Wanderarbeiter neben ihren Diensten am Bau und anderen Gewerben auch wieder den altehrwürdigen Beruf der Domestiken zu Ehren gebracht, und zunehmend kann man sich im Westen seit der Befreiung der östlichen Völker Pflege-, Putz- und sonstige Dienstkräfte leisten.

[18] Unglücklicherweise ist die Erinnerung der Volksseele an die Leistungen des real-sozialistischen Gesundheitswesens noch viel zu lebendig: Das Thema Privatisierung der Krankenhäuser bewegt die Volksseele in Ungarn mehr als anderswo, denn das Land hatte schon während des Kommunismus eines der besten und umfassendsten Gesundheitssysteme des Ostblocks. (SZ, 1.4.08) Schon? Wo es solche Wohltaten laut dem freiheitlichen Dogmengebäude doch erst in der Marktwirtschaft geben kann?

[19] Banken haben den Ungarn in den vergangenen Jahren keine Kredite in Forint, sondern in Fremdwährungen wie Euro oder Schweizer Franken verkauft. Für den Hausbau oder den Autokauf lockten die Geldhäuser Privatkunden mit den viel niedrigeren Auslandszinsen an. In Ungarn lag das Zinsniveau in dieser Zeit viel höher bei mehr als zwölf Prozent. (HB, 20.10.08) In Ungarn und der Ukraine sind rund die Hälfte aller privaten Wohnungskredite in Schweizer Franken aufgenommen. (FAZ, 3.4.09)

[20] In Polen hadern die Zuständigen mit Ungerechtigkeiten des Währungsvergleichs: Warum ist der Kursverlust des Zloty gegenüber Euro und Dollar deutlich stärker ausgefallen als der von tschechischer Krone und ungarischem Forint?... Jakub Borowski von der Invest-Bank weist in einem Artikel auf rp.pl darauf hin, dass über die Hälfte der Zloty-Transaktionen nicht in Polen sondern am Finanzplatz London stattfinden. Investment-Banker hatten sich im Zusammenhang mit Währungs-Optionsscheinen reichlich mit Zloty eingedeckt und als der Rückzug aus den sog. Weich-Währungen begann, wurden eben vor allem Zloty verkauft. Einige Transaktionen der letzten Woche legen dabei allerdings den Schluss nahe, dass offenbar nur ein geringer Teil der Währungs-Optionsscheine der Absicherung von Handelsgeschäften diente, der grössere Teil aber wohl rein spekulativ eingesetzt wurde.Und wer mit Währungen spekulieren will, muss sich den betreffenden Markt genau anschauen. Das Währungsgebiet bzw. die Volkswirtschaft des betreffenden Landes darf nicht zu groß sein, die Währungsbewegungen dürfen nicht zu umfangreich sein, damit der Kurs mit einem entsprechenden Kapitaleinsatz noch beeinflussbar bleibt. Andererseits müssen die Währungsbewegungen dennoch einen gewissen Umfang vorweisen, damit der Markt liquide ist und man mit seinen Transaktionen stets auf eine ausreichende Zahl von Käufern bzw. Verkäufern trifft, möglichst solchen, die selbst oder deren Kunden hinsichtlich des Zeitpunkts ihrer Transaktion nur geringe Dispositionsmöglichkeiten haben. Das alles hat Einfluss auf die Festsetzung des offiziellen Wechselkurses durch die Notenbank. In dieser Hinsicht hat sich die polnische Währung offenbar als ideales Objekt spekulativ operierender Devisenhändler gezeigt. (Infoseite Polen, 29. Januar 2009)

[21] Das Votum der EZB von 2008: Um einen hohen Grad an nachhaltiger Konvergenz zu erreichen, müssen die Anstrengungen in allen betreffenden Ländern deutlich verstärkt werden... Die Notwendigkeit einer dauerhaften Anpassung der Politik in vielen der untersuchten Länder ergibt sich aus der Mehrfachbelastung aufgrund a) eines relativ großen Staatssektors (wie aus den hohen Staatsausgabenquoten verglichen mit anderen Ländern mit ähnlichem Pro-Kopf-Einkommen ersichtlich), ... und d) hoher, nur teilweise durch Zuflüsse bei den Direktinvestitionen gedeckter Leistungsbilanzdefizite in vielen der hier überprüften Länder (was auf die Notwendigkeit hindeutet, die Tragfähigkeit der Auslandsposition sicherzustellen)...Was die Haushaltsergebnisse der zehn geprüften Mitgliedstaaten angeht, so liegt derzeit gegen vier Länder (die Tschechische Republik, Ungarn, Polen und die Slowakei) eine Ratsentscheidung über das Bestehen eines übermäßigen Defizits vor... Niedrigere Defizitquoten werden für die Tschechische Republik, Ungarn und die Slowakei erwartet, während bei Lettland, Litauen, Polen und Rumänien mit einem Anstieg dieser Kennziffer gerechnet wird... Was die öffentliche Verschuldung angeht, so lag nur die Schuldenquote Ungarns im Jahr 2007 oberhalb des Referenzwerts von 60 %; gegenüber dem Vorjahr hatte sie sich um 0,4 Prozentpunkte auf 66,0 % erhöht. In den anderen Ländern fiel die Schuldenquote niedriger aus. (EZB-Konvergenzbericht)

[22] Die Banken haben die grenzübergreifende Vergabe von Krediten im Schlussquartal 2008 stärker gedrosselt als je zuvor... der größte Rückgang in einem Vierteljahr seit Beginn der Datenerhebung... Hintergrund ist, dass die Institute ihre Bilanzsummen erheblich verringern. Außerdem spiegelt das geringere Volumen aber auch wachsenden Finanzprotektionismus wider: Regierungen und Aufseher drängen die Branche dazu, Kredite in erster Linie im Heimatland zu vergeben, um die dortige Wirtschaft zu stützen – besonders nach staatlichen Rettungsaktionen. Kritiker sehen darin eine gefährliche Deglobalisierung. Viele Schwellenländer leiden bereits stark unter dem Rückzug ausländischer Geldgeber – besonders Staaten in Osteuropa, die enorm von Krediten westeuropäischer Banken abhängen. (Banken lassen ihr Geld im Inland, FTD, 30.4.09)

[23] Der polnische Wirtschaftsminister ist kurz davor, die Euro-Banken zu verklagen: „Ein weitaus größeres Problem ist aber, dass polnischen Exportunternehmen in der Vergangenheit sehr komplexe Finanzprodukte von den Banken verkauft wurden, insbesondere Optionsgeschäfte. Viele Unternehmen stehen deshalb heute nach der Abwertung des Zloty vor großen Problemen. Im letzten Quartal des vergangenen Jahres hat die polnische Industrie ein operatives Plus von rund 4 Milliarden Euro erwirtschaftet. Weil die Finanzierungskosten aber gleichzeitig enorm gestiegen sind, stand am Ende insgesamt ein Minus, vor allem wegen dieses Finanzierungssystems.

 FAZ: Sie haben den Vorschlag gemacht, solche Optionsgeschäfte im Nachhinein zu annullieren. Verschrecken Sie damit nicht Investoren und schädigen das Bild von Polens Marktwirtschaft?

 Pawlak: Schauen wir uns doch einen solchen Vertrag mal an, der von einer ehrenwerten europäischen Bank Mitte vergangenen Jahres mit einer polnischen Unternehmensgruppe geschlossen wurde. Ohne in die Einzelheiten zu gehen, kann man festhalten, dass das Wechselkursrisiko der Bank für die Jahre 09 und 10 innerhalb einer Spanne von 6 polnischen Groschen liegt. Das ist weniger als die täglichen Kursschwankungen. Dagegen ist das Risiko des Unternehmens unbeschränkt.

 FAZ: Sie werfen den Banken Falschberatung vor?

 Pawlak: Fragen Sie doch mal eine deutsche Bank, ob sie einem deutschen Exporteur ein ähnliches Produkt anbieten würde, wenn er nach Polen exportieren will. Hier geht es um Ausbeutung und Hinterlist und darum, dass die Europäische Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist. Dort steht, dass man dem Kunden die für ihn günstigsten Finanzinstrumente anbieten soll. In Polen sind schon einige Unternehmen in die Insolvenz gegangen, obwohl ihr operatives Geschäft gesund war.“ (FAZ, 28.4.09)

[24] Die Bevölkerung aber leidet unter dem Zerfall der Wechselkurse. Weil in letzter Zeit praktisch alle neuen Konsumfinanzierungen und bereits auch ein erheblicher Teil der Unternehmensfinanzierungen an Franken oder Euro gebunden wurden, ist ihre Schuldenlast sprunghaft angestiegen. In Polen sollen die Folgen des Währungszerfalles laut Zahlen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) katastrophale Ausmasse angenommen haben: eine zusätzliche Schuldenlast im Ausmass von 18 % des BIP. Für Ungarn rechnet die SNB mit 8 %, für die übrigen untersuchten Länder mit knapp 5 %. (Heftige Nachbeben der Finanzkrise in Osteuropa, NZZ. 29.5.09) Die von der Kreditaufsicht geführte ‚schwarze Liste‘ über die Schuldner, die mehr als 90 Tage hinter ihren Verpflichtungen her sind, ist von Ende 2008, als also die Krise bereits im vollen Gange war, bis Ende Juni 2009 um fast 100 000 Personen auf jetzt 716 000 angewachsen. Ungarn hat 10 Mio. Einwohner, zieht man Kinder ab, ist jeder Zehnte praktisch zahlungsunfähig. So klar und brutal müsste man das benennen, die Banken machen das aber nicht. Die Liste zeigt alle an, die mit ihren Zahlungen mehr als 90 Tage um ein monatliches ungarisches Mindestgehalt von 71.500 HUF (nach heutigem Kurs 267 EUR) zurückliegen. Auch die Anzahl von Firmen, die ihre Kredite nicht mehr zahlen können, stieg in der gleichen Zeit um rund 10 %. (Pester Lloyd 31-2009, Wirtschaft 27.07.2009)

[25] Die baltische Immobilienblase: Die Esten etwa haben 14 Prozent ihres verfügbaren Einkommens in Immobilien gesteckt. Das ist der dritthöchste Anteil in Europa nach Irland und Spanien – jene Länder, deren Wirtschaft am schwersten unter der Immobilienkrise leidet. (Die Presse, 24.06.2009)

[26] Und auch die anderen Experimente, wie in einem Labor für marktwirtschaftliche Studien das estnische 1,5-Millionen-Volk mit Handys zum bargeldlosen Verkehr auszurüsten, quasi aus dem realsozialistischen Mittelalter direkt in einen turbo-kapitalistischen Standort mit kompletter Internet-Verkabelung hineinzukatapultieren, die Nation gleichzeitig als groß angelegtes Genforschungsprojekt zur Verfügung zu stellen –, solche Großtaten der Eroberung des Baltikums unter dem Titel Modernisierung haben die Nationen zwar mit einem großmäuligen Nationalismus, aber nicht so sehr mit haltbaren Geschäftsgrundlagen versorgt.

[27] Laut der österreichischen Finanzaufsicht FMA haben die österreichischen Finanzinstitute 230 Mrd. Euro an Krediten in der Region ausständig, ca 70 % des öster. BIP.

[28] Am 26. März wird das entsprechende Abkommen für Rumänien von den Mutterinstituten der neun größten dort niedergelassenen Auslandsbanken, Erste Group Bank, Raiffeisen International, Eurobank EFG, National Bank of Greece, Unicredit Group, Société Generale, Alpha Bank, Volksbank, Piraeus Bank unterschrieben.

[29] Inzwischen geht die Sache schon wieder fröhlich von vorne los. Gerade die Krise mit ihrer rabiaten Entwertung sorgt da nämlich für Gelegenheiten zur Umverteilung, bei denen die Verluste der einen anderen Schnäppchen ermöglichen: In Slowenien zeichnet sich jetzt ab, dass der Staat seine Anteile an den größeren Banken verkaufen will. Die Haushaltsnöte zwingen den Finanzminister dazu... ‚Es ist ein gutes Zeichen, dass Banken in Osteuropa jetzt wieder dazukaufen wollen,‘ unterstreicht Jerome Zettelmeyer, Forschungsdirektor bei der europäischen Investitionsbank EBRD. Angesichts niedriger Bewertungen sei es fast logisch, dass jetzt wieder Interesse an der Übernahme von Konkurrenten aufflackere. (Handelsblatt, 2.2.10)

[30] Nur so lassen sich Merkwürdigkeiten wie die erklären, dass ein Premierminister regelrecht damit auftrumpft, wie rabiat er seinen nationalen Haushalt zusammenstreicht und wie gerne er sich von auswärtigen Institutionen dabei auf die Finger schauen läßt: Wir kürzen wie kaum ein anderer Staat in Europa, um immerhin 5 % unseres Bruttoinlandsproduktes in 2009 und 2010... Es gibt einen unabhängigen Haushaltsrat, der die Ausgaben überwacht, und neue Regeln, die das Geldausgeben für den Staat schwieriger machen. Außerdem kontrollieren uns der Internationale Währungsfonds und die Europäische Kommission einmal im Quartal. Nur so werden wir wieder Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei Bürgern, Investoren und der Staatengemeinschaft zurückgewinnen. (Bajnai, Ungarn, FAZ 10.10.09)

[31] Péter Oszkó, ungarischer Finanzminister: „Ungarn steht nicht am Rande des Bankrotts“, FAZ 29.4.09

[32] Der vorbildliche ungarische Sparhaushalt: Bajnai erklärt, seine Vorhaben ‚werden weh tun und von allen Ungarn Opfer verlangen‘. Das Programm sieht die Streichung der dreizehnten Monatsrente vor. Das trifft ungefähr zwei Millionen Empfänger. Zudem soll das Renteneintrittsalter von 62 auf 65 Jahre heraufgesetzt und die Rentenanpassung nicht länger an die Einkommensentwicklung, sondern künftig maximal an die Inflationsrate gebunden sein. Von der mit Jahresbeginn 2010 geplanten Abschaffung des dreizehnten Monatsgehalts für die öffentlich Bediensteten sind mehr als 700 000 Arbeitnehmer betroffen. Jeder sechste Ungar arbeitet im öffentlichen Dienst. Löhne und Gehälter sowie Familien- und Kinderzulagen sollen für zwei Jahre eingefroren, staatliche Energiesubventionen (Heizkostenzuschüsse) gestrichen werden.Die künftige Regierung Bajnai sieht die Kürzung von Subventionen für Staatsbetriebe, vor allem die Eisenbahn MÁV, aber auch die öffentlich-rechtlichen Medien sowie diverse Kultureinrichtungen vor. Sie will auch die Steuervorteile für den Wohnungsbau streichen... All das soll Einsparungen für den Staatshaushalt von bis zu 900 Milliarden Forint (drei Milliarden Euro) bewirken. Mit dem Programm sollen die Bedingungen des Internationalen Währungsfonds für einen 20-Milliarden-Euro-Kredit an Ungarn erfüllt und die Defizitvorgaben der Europäischen Union erreicht werden. (FAZ, 06.04.2009)

[33] Den größten Mittelzufluss für die leeren Staatskassen bilden aber inzwischen die Finanzzuwendungen aus Brüssel, die in diesem Jahr um 8,2 Milliarden Zloty steigen sollen. Der diesjährige Haushalt Polens ‚hängt von den Mitteln der EU ab‘, kommentierte unlängst die Zeitung Rzeczpospolita. (Junge Welt 27.07.2009)

[34] Obwohl Polen als einziges der ostmitteleuropäischen EU-Länder bisher von einer Rezession verschont geblieben ist, spürt man natürlich auch in Warschau die Krise. Deshalb hat sich die Regierung entschieden, durch beschleunigte Privatisierungen einige Löcher im Haushalt zu stopfen. Kernstücke dieser Privatisierung, die bis Ende 2010 rund 37 Mrd. Zloty (13 Mrd. Fr.) in die Kasse spülen soll, sind die Veräusserung von Kontrollanteilen an der Energiegesellschaft Enea, der Lubliner Kohlegrube Bogdanka und der Warschauer Wertpapierbörse. Weniger substanzielle Aktienpakete sollen bei den Energieunternehmen Tauron und PGE, aber auch der Kupfermine KGHM und der Erdölraffinerie Lotos abgestoßen werden. Bei den beiden letzteren neu in die Liste der geplanten Entstaatlichungen aufgenommenen Unternehmen bergen die Privatisierungspläne jedoch politischen Sprengstoff. So hatte Ministerpräsident Tusk etwa den Gewerkschaften einst versprochen, den Staatsanteil an der KGHM nicht weiter zu verringern. Nun will er es doch tun, was bereits zu einem Warnstreik geführt hat. (NZZ, 14.8.09)

[35] Die Weltbank holt sich den Chef der österreichische Raiffeisenbank zur gemeinsamen Kritik an der EU und fordert „mehr Unterstützung von Brüssel, um die Region zu stabilisieren. Stattdessen kümmerten sich die Führer der reicheren Nationen in Westeuropa, die ihre östlichen Nachbarn in Institutionen wie die NATO und die EU aufgenommen hatten, als die Krise schlimmer wurde, nur um sich selbst. Sie beeilten sich, ihre eigenen Unternehmen und Banken zu schützen und lehnten alle Bitten ab, Jobs und Banken woanders zu retten... Im März lehnten es die europäischen Führer ab, einen bail-out-Fonds in Höhe von 340 Milliarden $ für die Region aufzulegen, und veranlaßten den ungarischen Premierminister Ferenc Gyurcsany, der darum intensivst geworben hatte und danach zurückgetreten ist, zu seinem Notruf: Wir sollten nicht zulassen, dass ein neuer Eisernen Vorhang Europa durchteilt. (Das Ziel eines Vereinigten Europa geht verloren, International Herald Tribune, 22.8.2009)

[36] Der Chef der Weltbank, Zoellick, klagt die Unvernunft der EU an: Osteuropa mit Russland, der Ukraine und der Türkei braucht 120 Milliarden Dollar, um die dortigen Banken zu rekapitalisieren. Mittel- und Osteuropa im engeren Sinne braucht immer noch 40 bis 45 Milliarden Dollar. Wir arbeiten mit der Osteuropabank, der Europäischen Investitionsbank und dem IWF an einer Lösung, aber wir werden keinen Erfolg haben, wenn uns die westeuropäischen Staaten nicht unterstützen. Die wichtigsten Finanzkanäle für Osteuropa sind zehn bis zwölf große Banken in Deutschland, Österreich, Italien, Belgien und Schweden... Einige dieser Banken haben ihr Geld bereits aus Osteuropa abgezogen. Das geschah unter dem Druck der Heimatmärkte, vielleicht sogar unter dem Druck der Regierungen, die diese Banken gestützt haben. Ich hielte es für eine riesige Tragödie, wenn Europa wieder in zwei Teile auseinanderfallen würde. Das muss verhindert werden. Das Mindeste ist, dass die westeuropäischen Regierungen ihre Banken nicht ermutigen, Geld abzuziehen. Stattdessen sollten sie sie dazu anhalten, Kreditlinien dort aufrechtzuerhalten. Dies liegt doch auch im Eigeninteresse der Westeuropäer. Europa ist ein integrierter Binnenmarkt. Wenn die Osteuropäer wieder wachsen, kaufen sie mehr Waren im Westen. Die ganze Logik der EU-Osterweiterung liegt doch darin, dass Europa ein gemeinsames Interesse an ökonomischer Integration und Zusammenarbeit hat. (SZ 23.02.09)

[37] Der IWF eröffnet die Kategorie der ‚unverschuldeten Krisenopfer‘: Der IWF hat Polen im Rahmen der kürzlich neu geschaffenen ‚flexiblen Kreditlinie‘ 20,6 Mrd. Dollar bewilligt. Das neue Kreditinstrument ist für jene Länder gedacht, die nach Einschätzung des IWF grundsätzlich eine vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik machen und mutmaßlich unverschuldet in eine Krise gezogen werden. Der Kredit ist nicht wie traditionelle Darlehen des Fonds an ein Programm von Wirtschaftsreformen geknüpft. ‚Polen ist von der Krise hart getroffen worden. Gleichwohl hat es sich den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt erhalten (!), im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Region‘, sagte ein IWF-Sprecher. Der Kreditrahmen solle das Vertrauen internationaler Investoren stärken. (FAZ, 9.5.09) Amerika erfindet also eine neue Sorte IWF-Kredit, die den Ruf der Empfängerländer bei den privaten Finanziers nicht beeinträchtigen soll, damit denen eine größere Leichtigkeit beim Schuldenmachen verschafft wird – Mexiko und Polen sind die ersten Empfänger.

[38] Streiks sind keine Seltenheit, und es müssen auch schon mal nationale Feiern verlegt werden. Die polnische Regierung hat Probleme mit den „Hauptgedenkfeiern zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolutionen gegen die kommunistischen Machthaber in Mitteleuropa in Danzig, weil sie Arbeiterproteste befürchtet.“ (FAZ 6.5.09) Polens Eliten wollten am 4. Juni in Gdansk den Sieg über den Kommunismus begehen. Dutzende Staats- und Regierungschefs aus aller Welt sollten an die Geburtsstätte der antikommunistischen Gewerkschaft »Solidarnosc« gekarrt werden. Solidarnosc hatte anderes vor, und die Regierung verlegte die Fete nach Krakow. Den wichtigsten Akteuren der Solidarnosc, den polnischen Werftarbeitern, ist nicht nach Feiern zumute. Zwei polnische Schiffbaubetriebe in Gdynia und Szczecin wurden bereits auf Betreiben der EU-Kommission in den Bankrott getrieben. Nun scheint auch die verbliebene Werft in Gdansk auf der Abschussliste Brüssels zu stehen. (Junge Welt, 09.05.09)

[39] Es gibt in der ungarischen Wählerschaft, wie in der tschechischen, slowakischen und polnischen, ausgeprägte Ressentiments gegen Profiteure und Unternehmer, und die Erinnerung an die Privatisierung des sozialistischen Staatsvermögens ist eine sehr ungute. Für Slogans, die den Gerechtigkeitsbegriff bemühen, sind diese Menschen sehr empfänglich. (NZZ, 10.9.05)

[40] Der Vertreter der ungarischen Rechten: ‚Gewinnen wir die Wahl 06, dann werden wir die Privatisierungsverfahren überprüfen...‘ Es sollten nicht nur ‚regelwidrige Privatisierungen‘ rückgängig gemacht werden, sondern auch solche... bei denen Korruption im Spiel gewesen sein könnte. Schließlich beabsichtigt FIDESZ, all jene Unternehmen wieder zu verstaatlichen, deren Privatisierung ‚der ungarischen Volkswirtschaft‘ zuwiderlaufe... es wäre ein Fehler, Bahn, Post und den Budapester Flughafen ‚zu verschachern‘, ‚die Kronjuwelen des ungarischen Staates‘... Die amerikanische Handelskammer in Ungarn soll von Orban ‚eine Präzisierung seiner Rede‘ verlangt haben. Der legte im Fernsehen noch nach. Im Westen herrsche seit langem nicht mehr die Sichtweise vor, dass staatlicher Besitz an sich schlecht sei. Vielmehr expandierten auch Staatsunternehmen westlicher Länder. (FAZ 17.9.05)